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Gefährliche Überfahrt von Hispaniola nach Puerto Rico

Immer mehr Haitianer versuchen der Armut auf ihrer Heimatinsel durch eine riskante Odyssee zu entfliehen

Von Hans-Ulrich Dillmann, Santo Domingo *

Die Karibik wird vielen Flüchtlingen aus dem Armenhaus Haiti, die im reichen Norden ihr Glück suchen, zum Grab.

16 haitianische Männer und eine Frau wurden in der vergangenen Woche von der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde (CBP) festgenommen. Sie waren auf der kleinen unbewohnten Insel Mona von Fischern ausgesetzt worden, die sie eigentlich auf die mit den USA assoziierte Karibikinsel Puerto Rico bringen sollten. Mona liegt etwa auf halbem Weg zwischen der Insel Hispaniola, die sich Haiti und die Dominikanische Republik teilen, und Puerto Rico.

Binnen vier Wochen hat die US-Küsten- und Grenzwache rund 50 illegale Einwanderer aus Haiti festgenommen. »Die Zahl steigt«, sagte CBP-Regionalchef Ramiro Cerrillo der puerto-ricanischen Tageszeitung »El Nuevo Dia«. Dabei sei die Überquerung der Mona-Passage zwischen Atlantik und Karibik lebensgefährlich.

Bereits zum Jahresende griff Puerto Ricos Küstenwache auf dem Mona-Eiland elf Haitianer und einen Kubaner auf, nachdem die Migranten vom Bootsführer und seiner Mannschaft gezwungen worden waren, über Bord zu springen. Ein weiteres Mitglied der Gruppe ertrank in den Fluten. Auch zwei Haitianer einer Zwölfergruppe überlebten die Reise nicht, als ihr Boot knapp sieben Kilometer westliche der Insel stank.

Begünstigt wird die steigende Zahl illegaler Überquerungen der Meerenge vom Wetter, denn in der Wintersaison gibt es keine großen Stürme. Zum anderen endet am 22. Juli dieses Jahres der von USA-Präsident Barack Obama erlassene »Temporary Protected Status« für Haitianer. Dieser Schutzstatus, der Illegale aus humanitären Gründen vorübergehend von Abschiebung verschont, war nach dem schweren Erdbeben im Januar 2010 gewährt worden, um Haiti nicht zusätzlich durch Abgeschobene zu belasten. Viele Haitianer, die sich auf die gefährliche Reise begeben, hoffen in Unkenntnis von Details der Regelung, wenigstens eine Zeitlang Aufnahme und Broterwerb in den USA zu finden.

Auch vier Jahre nach dem Erdbeben leben Zehntausende in Notunterkünften und habe keine Hoffnung auf eine Verbesserung der Lebenslage. Die haitianische Bevölkerung verarmt weiter. Vier von fünf Einwohnern leben mit statistisch gerade mal zwei US-Dollar täglich am Rande des Existenzminimums. »Überall ist es besser als hier«, hört man immer wieder in den Armenvierteln Haitis.

Bei ihrer Odyssee haben es einige der Haitianer mit primitiven Booten sogar bis Brasilien geschafft, auch in Jamaika und auf den französischen Antillen – Guadeloupe, Martinique und Saint Martin – wurden Boatpeople aufgegriffen. Viele werden interniert und relativ schnell wieder abgeschoben

In Haitis Medien nehmen Meldungen von festgenommenen oder ertrunkenen Papierlosen wenig Raum ein. Ende November starben vor der Küste der Bahamas, fast 550 Seemeilen von Haiti entfernt, 49 von 150 Flüchtlingen. Ende Dezember ertranken 17 der 33 Haitianer, deren Boot vor den Küsten der zu Großbritannien gehörenden Inseln Turks und Caicos strandeten, darunter zwölf Frauen und ein Kind.

Wichtigstes Durchgangsland für die Menschen aus Haiti ist aber die Dominikanische Republik, in der viele Arbeit finden, bevor sie in die USA zu gelangen versuchen. Im vergangenen Jahr wurden 205 Schiffe beschlagnahmt und 2583 Personen festgenommen. Die Mehrzahl waren Ausländer: sieben Brasilianer, 107 Kubaner und 1410 Haitianer.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 21. Januar 2014


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