Stellt sich »Baby Doc« seinen Richtern?
Haitis Exdiktator soll heute vor dem Berufungsgericht in Port-au-Prince erscheinen
Von Hans-Ulrich Dillmann *
Das politische Haiti interessiert sich
in dieser Woche nur für eins: Wird der
ehemalige Diktator Jean-Claude Duvalier
am Donnerstag vor dem Berufungsgericht
von Port-au-Prince erscheinen
und sich den Fragen des
Richterkollegiums stellen?
Bisher ist »Baby Doc«, wie er genannt
wird, einem Prozess wegen
Korruption und Veruntreuung von
Staatsgeldern stets ausgewichen.
Vor 14 Tagen hatte der 1986 ins
Exil geflohene und erst 2011 wieder
ins »Land der Berge« zurückgekehrte
Potentat das Gericht wieder
einmal vergeblich warten lassen.
Es sei unsensibel, ihren Mandanten
ausgerechnet am 27. Jahrestag
seines Sturzes vor Gericht
zu zitieren, argumentierten Duvaliers
Advokaten. Die Richter zeigten
sich willfährig und vertagten
den Termin auf den 21. Februar.
Der frühere haitianische Diktator
gibt die verfolgte Unschuld.
Dabei droht ihm, der Tausende von
Regimegegnern massakrieren ließ
und Staatsgelder mit beiden Händen
zum Fenster hinauswarf, noch
nicht einmal die Höchststrafe,
denn seine Menschenrechtsverletzungen
sind nach Ansicht der
Richter längst verjährt. Aber nicht
nur Haitis Richter, die manchmal
Eierdiebe jahrelang hinter Gittern
schmoren lassen, weil sie keine
Kaution stellen können, demonstrieren
sonderbare Milde im Fall
des 61-Jährigen. Auch die Staatsführung
im Armenhaus Lateinamerikas
hat ganz offensichtlich
wenig Interesse daran, Duvalier
verurteilen zu lassen.
Kein Wunder. Staatschef Michel
Martelly, ein ehemaliger Musiker,
gehört seit Jahrzehnten zum
Freundeskreis der Familie. Auf
seine Initiative erhielt Duvalier sogar
einen Diplomatenpass. So
konnte »Baby Doc« ein Vierteljahrhundert
nach seiner Flucht aus
Frankreich zurückkehren und
nach Verlassen der Air-France-
Maschine im erdbebenzerstörten
Port-au-Prince nach Papstmanier
den Boden des Landes küssen. Politischer
Druck sorgte auch dafür,
dass der unmittelbar danach festgenommene
Exilant auf freien Fuß
gesetzt wurde. Der verordnete
Hausarrest hinderte ihn nicht daran,
am 12. Januar 2012 – dem
zweiten Jahrestag des verheerenden
Erdbebens in Haiti – als Ehrengast
der Regierung an der Gedenkstunde
teilzunehmen.
Bevor »Baby Doc«, der 1971 die
Herrschaft von seinem Vater
François Duvalier alias »Papa
Doc« übernommen hatte, 1986 in
einer US-Maschine ausgeflogen
wurde, soll er rund 800 Millionen
Dollar aus der Staatskasse abgezweigt
haben. Ein Großteil der
Beute wurde nie wieder gefunden.
Einige Millionen soll der Playboy
während des Exils in seinen Luxusresidenzen
an der Cote d'Azur
verjubelt haben. Sieben Millionen
Schweizer Franken entdeckten
haitianische Fahnder vor Jahren
auf Konten in der Schweiz. Ein
dortiges Bundesgericht sprach
Haiti das Geld 2011 trotz der Klage
Duvaliers zu. Während der Ära der
beiden Duvaliers von 1957 bis
1986 starben Zehntausende Oppositionelle,
ermordet von deren
Terrorgruppe, den Tontons Macoutes.
Diese Verbrechen sind bis
heute nicht gesühnt, klagen Opferorganisationen,
die bereits Anfang
Februar vor dem Appellationsgericht
demonstrierten.
* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 21. Februar 2013
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