Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Chronik April/Mai 2004

Haiti: Wichtige Ereignisse

1. bis 11. April
  • Die haitianische Übergangsregierung will eine unabhängige Kommission zur Untersuchung von Korruptionsvorwürfen gegen den gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide einrichten. Justizminister Bernard Gousse sagte in einem Interview am 1. April, das Gremium werde alle Verstöße auflisten, und dann werde die Übergangsregierung formell die Auslieferung Aristides beantragen. Einen Zeitrahmen nannte er nicht. Aristide hält sich derzeit in Jamaika auf.
    Zum Schicksal von zwei als Mördern verurteilten Rebellenführern, deren Aufstand zum Sturz Aristides führte, äußerte sich Gousse zurückhaltend. Sollten Maßnahmen ergriffen werden, müsse dies in einer Weise geschehen, die keine Unruhe aufkommen lasse. Louis-Jodel Chamblain, in Abwesenheit zu zwei Mal lebenslanger Haft wegen Mordes an Aristides Justizminister und dessen Finanzchef verurteilt, müsse ein neuer Prozess gemacht werden.
    Rebellenführer Jean Tatoune, wegen seiner Rolle bei einem Massaker an Anhängern Aristides zu lebenslanger Haft verurteilt, könne von der neuen Regierung möglicherweise begnadigt werden. Tatoune wurde im vergangenen Jahr aus dem Gefängnis befreit. Minister Gousse sagte, Tatoune habe immerhin dabei geholfen, zwei Diktatoren aus Haiti zu vertreiben, Jean-Claude Duvalier und Aristide. Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass die neue Führung in Port-au-Prince den Rebellen zu unkritisch gegenüberstehe. Ministerpräsident Gerard Latortue bezeichnete sie als Freiheitskämpfer. (AP, 2. April)
  • Fünf Wochen nach dem Sturz von Präsident Jean-Bertrand Aristide will US-Außenminister Colin Powell am 5. April mit der Übergangsregierung in Haiti zusammentreffen. Der eintägige Besuch ist der erste eines US-Außenministers seit 1998. US-Außenamtssprecher Adam Ereli sagte am 2. April in Washington, Powell wolle in Gesprächen mit Ministerpräsident Gerard Latortue die internationalen Bemühungen zur Stabilisierung der Lage in dem Karibikstaat sowie Möglichkeiten humanitärer Hilfe erörtern.
  • US-Außenminister Colin Powell hat der Regierung Haitis Hilfe beim Wiederaufbau des Landes zugesagt. Bei einem Besuch in Port-au-Prince forderte Powell am 5. April außerdem alle Rebellengruppen auf, ihre Waffen niederzulegen. Nach Angaben von Powell wollen die USA ein siebenköpfiges Team von Sicherheitsexperten nach Haiti entsenden. Es soll der Regierung von Premierminister Gerard Latortue zur Seite stehen.
    In Haiti soll im kommenden Jahr ein neues Parlament gewählt werden. Die politischen Parteien im Lande und die Vertreter der Zivilgesellschaft hätten eine entsprechende Vereinbarung getroffen, sagte Regierungschef Gérard Latortue am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Außenminister Colin Powell in der Hauptstadt Port-au-Prince. Damit könne der neue Präsident "spätestens" am 7. Februar 2006 die Amtsgeschäfte übernehmen. Das Datum markiert das offizielle Amtsende des abgesetzten Staatschefs Jean Bertrand Aristide.
  • Der frühere haitische Innenminister Jocelerme Privert ist am 6. April festgenommen worden. Dem Minister in der Regierung des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide wird vorgeworfen, für die Ermordung mehrerer Aristide-Gegner verantwortlich gewesen zu sein. Er ist der bislang ranghöchste Vertreter der ehemaligen Regierung, der festgenommen wurde. Bei den Privert zur Last gelegten Taten geht es um mehrere Morde in der nordhaitianischen Hafenstadt St. Marc Mitte Februar.
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die neue haitianische Regierung scharf kritisiert. Die Übergangsregierung müsse den gewaltsamen Übergriffen auf Anhänger des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide Einhalt gebieten, forderte eine Amnesty-Vertreterin am 7. April in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince. Seit Aristides Flucht am 29. Februar seien mindestens vier seiner Gefolgsleute entführt worden, andere seien angegriffen oder belästigt worden. Nach Zählung der Nachrichtenagentur AP sind in den vergangenen Wochen mindestens zwölf Anhänger des Expräsidenten getötet worden. Die meisten wurden erschossen aufgefunden, ihre Hände auf dem Rücken gefesselt.
  • Brasilien wird im Juli die Führung der neuen UN-Friedenstruppen in Haiti übernehmen. Das südamerikanische Land werde dazu 1.470 Soldaten von Heer, Marine und Luftwaffe in die Karibik-Republik schicken, teilte Verteidigungsminister José Viegas am 9. April mit. Viegas legte Wert auf die "Klarstellung", dass der militärische Einsatz der Brasilianer in Haiti ganz anderer Natur sei als jener der USA in Irak.
  • Die ausländischen Truppen in Haiti haben zwei führende Mitglieder der Rebellenbewegung festgenommen, die im Februar den Sturz von Expräsident Jean-Baptiste Aristide herbeigeführt hatte. Wie ein französischer Militärsprecher am 9. April mitteilte, wurde bereits vor einer Woche der mit den Rebellen sympathisierende Bandenführer Jean Robert verhaftet. Robert wird beschuldigt, Anhänger Aristides zu terrorisieren. Vorübergehend wurde auch der Rebellenkommandeur Wilford Ferdinand festgenommen. Französische Truppen seien Vorwürfen nachgegangen, wonach Ferdinand einen Polizeibeamten entführt habe, sagte der Militärsprecher. Ferdinand selbst habe allerdings erklärt, er habe den Polizisten in Gewahrsam genommen, um ihn vor einer wütenden Menge zu schützen. Nach vierstündigem Verhör und der Beschlagnahme von Waffen wurde Ferdinand wieder freigelassen.
12. bis 30. April
  • UN-Generalsekretär Kofi Annan will eine 6.700 Mann starke Friedenstruppe für Haiti. In einem Bericht an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sprach er sich am 20. April für eine breit angelegte UN-Mission aus, um die Bemühungen der neuen Regierung des karibischen Staates zum Aufbau einer "funktionierenden Demokratie" zu unterstützen. Der Plan Annans beinhaltet auch die Entsendung von 1.700 internationalen Polizisten. Das UN-Militärkontingent soll die 3.600 Mann starke von den USA geführte multinationale Stabilisierungstruppe zum 1. Juni ersetzen. Nach dem Willen Annans soll die UN-Mission zunächst ein Mandat für 24 Monate erhalten. Im Februar war der umstrittene Präsident Jean-Bertrand Aristide nach dreiwöchigen Unruhen entmachtet worden und ins Exil gegangen.
  • Der frühere haitianische Rebellenführer Louis Jodel Chamblain hat sich der Justiz gestellt. Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete, kam Chamblain am 22. April in Port-au-Prince ins Gefängnis. Kurz bevor er sich der Polizei in der haitianischen Hauptstadt stellte, betonte er, er habe "Vertrauen in die Justiz" des Landes. Der in Abwesenheit zweimal zu lebenslanger Haft verurteilte Chamblain hatte am 21. April angekündigt, am nächsten Tag ins Gefängnis zu gehen. Ihm werden Massaker während der Diktatur von Raoul Cédras von 1991 bis 1994 zur Last gelegt. Damals war er der Vize der paramilitärischen FRAPH.
  • Die "Friedenstruppe" für Haiti weitet ihren Einsatz aus. Am 26. April nahmen chilenische Soldaten Patrouillen in der Stadt Hinche nordöstlich von Port-au-Prince auf, wo nur wenige Stunden zuvor Angreifer zwei Polizeistationen in Brand gesteckt hatten. Es ist der erste Einsatz der multinationalen Truppen in der von Rebellen kontrollierten Zentralebene.
  • In Gonaive im Norden des Landes stellten französische Truppen unterdessen zwei Regierungsfahrzeuge bei Rebellen sicher, und in der Hauptstadt Port-au-Prince meldeten US-Soldaten die Festnahmen von fünf schwer bewaffneten Männern. In Petit-Goave im Süden übergab eine kriminelle Gruppe symbolisch eine Hand voll Waffen an Polizisten.
  • Trotz neuer Regierung und internationaler Präsenz fliehen noch immer zahlreiche Haitianer mit Booten aus dem Karibikstaat. Mindestens neun ertranken nach Rundfunkberichten vom 27. April vor der Westküste des Landes, nachdem ihr überladenes Boot am Wochenende (24/25. April) gekentert war. Viele weitere Flüchtlinge wurden nach dem Unglück noch vermisst. In Jamaika wurden am 26. April mehr als 120 Haitianer festgenommen. Die US-Küstenwache bereiteten am 27. April die Rückführung von fast 700 Bootsflüchtlingen nach Haiti vor.
    Am folgenden Tag wurde gemeldet, die US-Küstenwache habe 651 Bootsflüchtlinge aus Haiti in ihre Heimat zurückgeschickt. Unter den abgewiesenen Flüchtlingen war den Angaben zufolge auch eine Frau, die im siebten Monat schwanger ist. Seit dem Aufstand in Haiti Anfang des Jahres kontrollieren US-Schiffe und Hubschrauber die Küste besonders scharf, weil die USA eine Massenflucht befürchteten.
  • Der UN-Sicherheitsrat hat am 30. April die Entsendung einer 8.000 Mann starken Friedenstruppe nach Haiti beschlossen. Das Mandat gilt ab 1. Juni und ist zunächst auf sechs Monate beschränkt, eine Verlängerung ist jedoch beabsichtigt. Die UN-Blauhelme sollen eine 3.600 Mann starke multinationale Truppe unter US-Oberbefehl ablösen, die derzeit in dem Karibikstaat stationiert ist. Die Situation in dem Karibikstaat ist weiterhin instabil, wie der Sicherheitsrat feststellte. Das von den 15 Ratsmitgliedern einstimmig verabschiedete Mandat für eine UN-Friedenstruppe ermöglicht die Stationierung von bis zu 6.700 Soldaten und rund 1.600 internationalen Polizisten in Haiti. Die Mitglieder der UN-Mission MINUSTAH werden mit einem so genannten robusten Mandat ausgestattet, wonach sie - falls nötig - zur Durchsetzung ihres Auftrags von der Waffe Gebrauch machen dürfen. Zu ihren Hauptaufgaben zählt die Unterstützung der Übergangsregierung beim Wiederaufbau der Polizei. (Vgl. die Resolution 1542 [2004] [deutsch und englisch].)
1. bis 16. Mai
  • Haitis Übergangspräsident Gerard Latortue ist am 4. Mai zu einem mehrtägigen Besuch in den USA eingetroffen. Von den Ergebnissen der bis zum 7. Mai andauernden Gespräche hängt das politische Schicksal des emeritierten Ökonomen ab. Gut zwei Monate nach dem Sturz Aristides ist der mangelnde Rückhalt des Regimes unter Latortue offensichtlich. Eine latente Bedrohung geht zudem von den Aristide-feindlichen Paramilitärs aus. Deren politischer Anführer, Guy Philippe, ist der Aufforderung aus Port-au-Prince, die Waffen niederzulegen, auch zwei Monate nach dem Putsch nicht nachgekommen. Die Macht des umstrittenen Übergangspräsidenten, der aus dem US-Exil heraus zum Regierungschef gemacht wurde, wird ausschließlich von der internationalen "Schutztruppe" gestützt. Sie besteht zur Zeit aus 3.600 Soldaten aus den USA, Frankreich, Kanada und Chile. Latortues Hauptproblem aber liegt nicht im Militärischen, sondern in der desaströsen Wirtschaftssituation des Landes. Die Preise für Reis und Pflanzenöl sind allein im vergangenen Monat um umgerechnet 50 beziehungsweise 43 US-Cent gestiegen. Bei seinen Gesprächen in den USA versucht Gerard Latortue daher, zwei Ziele zu erreichen: Neben Finanzspritzen für den gnadenlos überlasteten Haushalt gilt es, die politische Isolierung in der Region zu durchbrechen. Die Karibische Gemeinschaft (CARICOM) erkennt das Latortue-Regime nach einem Beschluß vom 3. März nicht an. Jamaicas Regierung, die der CARICOM derzeit vorsteht, hat dem gewählten Präsidenten Aristide gegen den Willen von Paris und Washington am 14. März politisches Asyl gewährt. Dort wartet Aristide seither den Lauf der Dinge ab – rund 300 Kilometer von seinem ehemaligen Regierungssitz entfernt. (Quelle: Harald Neuber in der "jungen Welt", 5. Mai)
  • Das seit dem Sturz von Präsident Jean- Bertrand Aristide Ende Februar geltende Ausgehverbot für die Bewohner der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince ist am Abend des 4. Mai aufgehoben worden. "Wir haben die Situation wieder einigermaßen unter Kontrolle. Es herrscht nicht mehr völlige Anarchie", erklärte Polizeisprecher Jean Yonel Trecil. Die Stadt hat aber nach wie vor große Probleme, so haben einige Bezirke weniger als eine Stunde Strom am Tag.
  • Nach Angaben der Diakonie Katastrophenhilfe steht Haiti vor einer Hungersnot. "Es ist zu befürchten, dass sich die Ernährungssituation in den ländlichen Regionen noch verschlechtert", zitierte die in Stuttgart ansässige Organisation am 6. Mai den Leiter ihres Regionalbüros Lateinamerika, Michael Jordan, der Haiti kurz zuvor besuchte. Viele Bauern ernährten sich derzeit von ihrem Saatgut, weil sie keine anderen Reserven hätten. "Damit ist die bevorstehende Hauptaussaat in Gefahr. Wir befürchten eine Hungersnot", sagte Jordan. Bereits vor den Unruhen Anfang dieses Jahres war nach Angaben der Diakonie die Hälfte der 8,5 Millionen Menschen in dem Karibikstaat von internationaler Nahrungsmittelhilfe abhängig. Laut Jordan erreicht die internationale Hilfe derzeit lediglich die Städte, während die Bevölkerung im Landesinnern völlig auf sich allein gestellt ist. Staatliche Strukturen seien vollständig verschwunden, und in vielen Dörfern trieben immer noch "bewaffnete Banden" ihr Unwesen. Außer Nahrungsmitteln fehlten vor allem Medikamente, und die wenigen Wasserversorgungsanlagen seien nur noch bedingt funktionsfähig.
  • Der gestürzte haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide hat in Südafrika offiziell um politisches Asyl gebeten. Der Antrag sei von der Karibischen Wirtschaftsgemeinschaft (CARICOM) und dem Vorsitzenden der Afrikanischen Union, dem mosambikanischen Präsidenten Joaquin Chissano, eingebracht worden, hieß es am 10. Mai in einer Erklärung des südafrikanischen Außenministeriums. Ressortchefin Nkosazana Dlamini Zuma erklärte, sie werde darüber mit dem neuen Kabinett beraten, das im Verlauf dieser Woche zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkomme. Aristide war am 29. Februar nach dreiwöchigen Unruhen aus dem Amt gedrängt und ins Exil gezwungen worden. Er begab sich zunächst in die Zentralafrikanische Republik und anschließend nach Jamaika. Seine Rückkehr in die Karibik wurde von der Übergangsregierung in Port-au-Prince als Bedrohung für die Stabilität Haitis verurteilt.
  • Laut einem Bericht in der taz vom 13. Mai hat die EU-Kommission für die Opfer der Wirtschaftskrise in Haiti 5,4 Millionen Euro bereitgestellt. Nach dem bewaffneten Aufstand und dem Zusammenbruch der Wirtschaft sei das Land in einer tiefen Krise. Mit dem Geld sollen Gesundheits- und Wasserversorgung wieder aufgebaut und Nahrungsmittelhilfe finanziert werden.
  • Südafrika nimmt den entmachteten haitianischen Präsidenten Jean Bertrand Aristide nach längerem Zögern vorübergehend auf. Diese Entscheidung sei nach Gesprächen mit Regierungsvertretern aus Frankreich und den Vereinigten Staaten gefallen, sagte der südafrikanische Minister Essop Pahad am 13. Mai im Radiosender SAFM. "Alle sind damit einverstanden gewesen, dass wir Präsident Aristide zeitweilig aufnehmen." Die Gemeinschaft der Karibischen Staaten hatte Südafrika am 10. Mai offiziell darum gebeten, den entmachteten Staatschef einreisen zu lassen.
  • Der frühere haitianische Polizeichef Rudy Therassan ist in den USA wegen Verschwörung zum Drogenschmuggel in den USA festgenommen worden. Therassan war bereits der zweite ranghohe haitianische Polizeileiter, der im Rahmen von Ermittlungen zur Verwicklung der Regierung des gestürzten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide in den Drogenschmuggel festgenommen wurde. Im März war in Kanada der Chef der Präsidialwache, Oriel Jean, wegen Beteiligung am Kokainschmuggel inhaftiert worden. Therassan wurde am 14. Mai in Miami festgenommen. Er besitzt in Palm Beach ein Haus.
  • Nach der politischen Krise in Haiti und dem Sturz von Präsident Jean Bertrand Aristide hat Frankreich dem verarmten Karibikstaat Unterstützung zugesagt. Paris werden sich bei den übrigen EU-Mitgliedern dafür einsetzen, die politische und wirtschaftliche Entwicklung Haitis zu unterstützen, sagte der französische Außenminister Michel Barnier am 15. Mai in Port-au-Prince. Es war der erste Besuch eines französischen Außenministers in Haiti seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft vor 200 Jahren. Barnier und der haitianische Ministerpräsident Gerard Latortue unterzeichneten ein Abkommen über eine Haushaltshilfe in Höhe von einer Million Euro zur Auszahlung ausstehender Löhne für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes und des Bildungswesens.
17. bis 31. Mai
  • Durch die schweren Regenfälle und Überschwemmungen am Wochenende (22./23. Mai) sind allein im Karibikstaat Haiti rund 130 Menschen ums Leben gekommen. Das teilten die haitianischen Behörden am Dienstag mit. Zunächst war von 58 Toten in Haiti die Rede gewesen. In der benachbarten Dominikanischen Republik starben mindestens 80 Menschen.
  • Brasilien beteiligt sich mit 1.200 Soldaten an der UN-Friedenstruppe für Haiti. Ein erster Teil des Kontingents soll bereits am 24. Mai entsandt werden, wie das Verteidigungsministerium in Brasilia am 20. Mai mitteilte. Der Einsatz ist der größte, mit der sich das südamerikanische Land bisher an einer Mission der Vereinten Nationen beteiligt hat.
  • Die USA erhöhen ihre Finanzhilfen für das krisengeschüttelte Haiti um 100 Millionen Dollar (knapp 84 Millionen Euro). Damit unterstützt Washington den Karibikstaat nach der politischen Krise und dem Sturz von Präsident Jean Bertrand Aristide mit 160 Millionen Dollar, wie US-Botschafter James Foley am 24. Mai in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince mitteilte. Von den zusätzlichen 100 Millionen Dollar sollen 35 Millionen direkt in von der Regierung ausgewählte Haushaltsprojekte fließen, 22 Millionen seien für Justiz und Polizei vorgesehen, 16 Millionen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und neun Millionen Dollar für die Vorbereitung von Wahlen.
  • Im Katastrophengebiet auf der Karibikinsel Hispaniola ist die Zahl der Toten nach den verheerenden Überschwemmungen auf mindestens 660 gestiegen. Mehrere hundert Menschen wurden am 26. Mai an der Grenze zwischen der Dominikanischen Republik und Haiti noch vermisst. Besonders betroffen waren die südhaitianischen Städte Grand Gosier und Mopou, wo nach Regierungsangaben jeweils 100 Tote geborgen wurden, und Jimani jenseits der Grenze, wo mehr als 300 Leichen geborgen wurden.
  • Der gestürzte haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide soll Jamaika in den nächsten Tagen verlassen und in Südafrika Asyl suchen. Wie ein jamaikanischer Regierungssprecher der Nachrichtenagentur AP am 27. Mai sagte, wird Aristide zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern spätestens am 30. Mai die Insel verlassen.
  • Die Vereinten Nationen befürchten, dass durch die Flutkatastrophe in der Karibik allein in Haiti 1.500 Menschen ums Leben gekommen sind oder vermisst werden. Eine Sprecherin des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten sagte am 28. Mai in Genf, diese Zahl aber könne sich weiter erhöhen. Allein in der Stadt Mapou im Südwesten Haitis würden tausend Menschen vermisst. In der benachbarten Dominikanischen Republik seien ebenfalls Hunderte von Toten zu beklagen.
    Laut vorläufigen amtlichen Angaben aus der Region beläuft sich die Zahl der Toten auf 918: in Haiti 579 und in der Dominikanischen Republik 339, wobei es dort die meisten Todesopfer in der Ortschaft Jimaní an der Grenze zu Haiti gab.
  • Drei Monate nach seinem Sturz hat der frühere haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide sein politisches Asyl in Südafrika angetreten. Aristide traf zusammen mit seiner Familie am 31. Mai in Johannesburg ein, wo er vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki in Empfang genommen wurde. Vor seinem Abflug aus Jamaika hatte er bekräftigt, dass er sich weiter als rechtmäßiger Präsident betrachte und nach Haiti zurückkehren werde. Er warf seinen Gegnern vor, tausende seiner Anhänger getötet zu haben. "Tausende wurden getötet, nur weil sie den gewählten Präsidenten unterstützten", sagte Aristide. Nach unabhängigen Schätzungen waren bei den wochenlangen Unruhen vor seinem Sturz 300 Menschen ums Leben gekommen. Aristide erklärte weiter: "Sie haben sie getötet, in Säcke gesteckt und ins Meer geworfen." Der von den USA und Frankreich gestützten haitianischen Übergangsregierung warf er vor, die Meinungsfreiheit zu unterdrücken.
  • 1.900 US-Soldaten, die nach dem Sturz Aristides auf die Insel geschickt wurden, verlassen den Karibikstaat am 1. Juni. Sie werden von UN-Friedenstruppen ersetzt. Von den geplanten 8.000 Soldaten und Polizisten ist bislang aber erst ein kleiner Teil in Haiti angekommen.
  • Eine Woche nach Beginn der Flutkatastrophe in der Karibik ist die Zahl der Toten auf fast 1.400 gestiegen. Im haitianischen Überflutungsgebiet stieg die Zahl der Todesopfer nach dem Fund von weiteren 404 Leichen auf 996; in der Dominikanischen Republik kamen mindestens 401 Menschen ums Leben. Viele der Toten mussten in Massengräbern bestattet werden. In der besonders schwer betroffenen dominikanischen Stadt Jimani versprühten Hubschrauber Desinfektionsmittel, um den Ausbruch von Seuchen zu verhindern. Allein in der Ortschaft Bodary im Südosten Haitis kamen den Angaben zufolge mindestens 350 Menschen ums Leben. Mehr als 16.000 Menschen wurden in Haiti obdachlos. Kanadische und US-Soldaten der multinationalen Stabilisierungstruppe nahmen in Haiti ihre Hilfsflüge wieder auf, die wegen schlechten Wetters ausgesetzt worden waren.


Zurück zur Chronik-Übersicht

Zu weiteren Beiträgen über Haiti

Zurück zur Homepage