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Guinea: Die Krise bleibt

Staatspräsident Conté hat sein Versprechen einer Machtteilung bisher nicht eingelöst

Von Anton Holberg*

Bis zum Wochenende hat Guineas Staatspräsident Lansana Conté sein den Gewerkschaften des Landes am 26. Januar gegebenes Versprechen, einen Ministerpräsidenten zu ernennen und so seine Macht zu teilen, noch nicht eingelöst. Zu dieser Zusage hatten ihn die Gewerkschaften mit einem Generalstreik genötigt.

Am 10. Janiar hatten die Gewerkschaften den dritten Generalstreik innerhalb eines Jahres ausgerufen. Er richtete sich nicht nur gegen die wirtschaftlichen Zustände, sondern erstmals offiziell auch gegen die autokratische Herrschaft Contés. Die Gewerkschaften hatten ihren Streik beendet, nachdem der Staatschef sich verpflichtet hatte, nicht nur ihre ökonomischen Forderungen, sondern eben auch die nach einem Ministerpräsidenten zu erfüllen.

Lansana Conté hatte 1984 als Chef des Generalstabs den linksnationalistischen Sékou Touré in einem unblutigen Putsch gestürzt. Nach anfänglichen Erfolgen auf Grund einer ökonomischen Öffnung seines Landes gegenüber dem Ausland, einer politischen Annäherung an die USA und einer Reihe von formaldemokratischen Zugeständnissen, ist seit Ende der neunziger Jahre sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Lage des potentiell reichen Landes immer komplizierter geworden. Die Oppositionsparteien haben mehrere Wahlen und Referenden, nicht zuletzt das über eine Verfassungsänderung, die Conté eine tendenziell unbegrenzte Verlängerung seiner Amtszeit ermöglichen sollte, boykottiert.

In der Republik Guinea mehren sich trotz der Forderungen der Gewerkschaften die Stimmen, die in der bloßen Ernennung eines Ministerpräsidenten durch Conté keine Lösung der Probleme des Landes sehen. Das Regime hat wegen seiner Wirtschaftspolitik, seiner mehr US-amerikanische als guineische Interessen bedienenden aggressiven Politik gegenüber seinen Nachbarn wie etwa Liberia, und der ungeschminkten Korruption die Unterstützung fast der gesamten Bevölkerung verloren. Zentrale Verfassungsfragen bezüglich der Machtverteilung zwischen einem ernannten Premier, dem Präsidenten und anderen Verfassungsinstitutionen wie dem Parlament oder der Gerichtsbarkeit sind offen. Bei einer Fortdauer des Regimes, das ja nicht nur aus Lansana Conté, sondern auch aus dessen Familie sowie der Armeeführung besteht, könnte das Geschacher über die jeweiligen Befugnisse lange dauern. Ein Weg aus der Katastrophe wäre unter solchen Bedingungen nicht in Sicht.

Wenn trotzdem von einem Sieg der Gewerkschaften gesprochen werden kann, dann vor allem insofern, als es ihnen erstmals gelungen ist, ihre bisherige Konkurrenz untereinander zeitweilig zurückzustellen und den gewerkschaftlichen Rahmen zu durchbrechen, indem sie enge Beziehungen zu anderen Kräften der Gesellschaft geknüpft haben. Das gilt insbesondere für den »Nationalrat der Organisationen der guineischen Zivilgesellschaft«, in dem eine Reihe von NROs organisiert sind, sowie die »Alliance Civique«, eine Organisation, die neu entstanden ist und sich über das ganze Land ausgebreitet hat. Diese haben zusammen mit den beiden wichtigsten Oppositionsparteien RPG (Rassemblement du Peuple de Guinée) und UFR (Union des Forces Républicaines) den Januarstreik aktiv unterstützt. Auch in absehbarer Zukunft werden jedoch die Gewerkschaften, die schon die führende Rolle im Unabhängigkeitskampf gespielt haben, die wichtigste Kraft der Volksopposition im Land darstellen.

* Aus: junge Welt, 5. Februar 2007


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