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Touristenmagnet bedroht

Guatemalas Trinkwasserreservoir Lago Atitlan leidet unter Überdüngung und Verschmutzung

Von Hilmar König *

In Reiseprospekten wird der 126 Quadratkilometer große Lago Atitlan im Südwesten Guatemalas gern zum »schönsten See der Welt« erklärt. Doch der Vulkansee leidet zunehmend unter Abwässern und anderen Verschmutzungen.

Nach einem Vulkanausbruch vor rund 85 000 Jahren füllte sich der riesige Krater allmählich mit Wasser. So entstand der drittgrößte Süßwassersee Guatemalas, das attraktivste Naturwunder und der konkurrenzlose Touristenmagnet des mittelamerikanischen Landes vor der Kulisse der Vulkane San Pedro, Toliman und Atitlan.

Doch diesem Paradies mit seiner überreichen Lebensvielfalt - 798 Pflanzen-, 236 Vogel- und 141 Säugetierarten, darunter viele nur hier heimisch - droht Gefahr. Der See, der seit 1955 in einen Nationalpark integriert ist, droht zu ersticken. Ungeklärte Abwässer, Müll und Chemikalien aus der Landwirtschaft vergiften ihn. Abholzung und schwindende Niederschläge verschärfen die Lage.

Nachdem im Jahre 2009 ein Zyanobakterien-Teppich zwei Drittel der Seeoberfläche bedeckte, befasst man sich intensiver mit dem Problem. Ohne den See würde die Tourismusindustrie und mit ihr viele Menschen ihre Erwerbsgrundlage verlieren. Überdies decken fünf Städte der Umgebung ihren Trinkwasserbedarf zu großen Teilen aus dem Kratersee.

Margaret Dix, Direktorin des Labors für Analysen und Monitoring am Zentrum für Atitlan-Studien der Universidad del Valle de Guatemala, moniert gegenüber »nd«, dass es noch immer keine ernsthafte Kontrolle des in den See gespülten Unrats gibt.

»Einige Nichtregierungsorganisationen engagieren sich, auch wenn es ihnen noch nicht richtig gelingt, die Bevölkerung einzubeziehen«, sagt die Expertin. Aber es gehe nur mit den Menschen. So kooperiert die Umweltstiftung Global Nature Fund im Naturschutz und bei nachhaltiger Entwicklung am See mit der lokalen »Asociacion Vivamos Mejor« (Besser leben). Die Kampagne »Keine Plastiktüten« oder die Bewegung »Mas Vale Limpio« (Für mehr Sauberkeit) zielen genau in diese Richtung. Sie orientieren darauf, für weniger Abfälle und Müll auf den Straßen, für Sauberkeit am und im See und gemeinsam für eine bessere Lebensqualität zu sorgen. Der guatemaltekische Rat des sozialen Zusammenhalts setzt sich unter dem Motto »Todos juntos por el lago« (Alle gemeinsam für den See) für das Wiederanlegen eines Schutzgürtels aus der Schilfart Tul ein. Die Pflanze hat eine bewährte Filterfunktion.

Alle diese Bemühungen sind richtig und lobenswert. Doch wenn es keine staatlichen Zuschüsse gibt, kann das Problem nicht wirklich gelöst werden. Gegenwärtig existieren lediglich drei mehr oder minder funktionierende Kläranlagen rund um den Atitlan-See. Das reicht bei weitem nicht aus, dessen Kollaps zu verhindern. Otto Pérez Molina, der dieser Tage in Guatemala City sein Amt als Staatspräsident übernimmt, hatte seinen Landsleuten schon im Wahlkampf im Herbst 2011 versichert, alles besser zu machen als seine Vorgänger, auch im Umweltschutz. »Er hat viel versprochen«, äußert sich Dr. Dix skeptisch, »mal sehen, was er davon hält«.

* Aus: neues deutschland, 16. Januar 2012


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