Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Pérez siegessicher

Inhaltsleerer Präsidentschaftswahlkampf in Guatemala

Von Oliver Lüthi, San José *

Otto Pérez von der konservativen Patriotischen Partei zeigte sich während der ersten Präsidentschaftsdebatte siegessicher. »Wir können nicht weiter improvisieren. Es ist Zeit für eine verantwortungsvolle und inhaltlich konsequente Politik, und die verkörpert unsere Partei«, so der Exgeneral.

In der vom lokalen Fernsehsender Guatevision produzierten Sendung stand Pérez seinen beiden Hauptkontrahenten bei den Anfang September in Guatemala stattfindenden Präsidentschaftswahlen gegenüber. Inhaltlich unterschieden sich die drei Kandidaten kaum voneinander. Manuel Baldizón vom Rechtsblock Líder und Eduardo Suger von der Partei Creo beschränkten sich darauf, Kritik am Programm der Patriotischen Partei zu üben und deren Wahlversprechen anzuzweifeln. So stellte Suger im Zusammenhang mit der Ankündigung von Pérez, ein Ministerium für soziale Entwicklung schaffen zu wollen, die zynische Frage, ob dessen Partei künftig für jedes Problem ein neues Ministerium einrichten werde. Und Baldizón äußerte Zweifel an der Finanzierbarkeit des von Pérez propagierten Ausbaus der Sicherheitskräfte.

Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer warteten derweil vergeblich auf neue Ideen, wie den gravierenden sozialen und politischen Problemen im Land begegnet werden soll. Die Debatte glich statt dessen weitgehend dem inhaltsleeren Wahlkampf der letzten Wochen, der den Verdruß an der Politikerkaste des Landes weiter verstärkte. Politische Beobachter hatten in der Vergangenheit außerdem immer wieder den verantwortungslosen Umgang der Kandidaten mit unrealistischen Wahlversprechen kritisiert. Manche Ankündigungen der Kandidaten hatten dabei überhaupt keine inhaltliche Relevanz und drohten ins Lächerliche abzugleiten. So hat der Rechtspopulist Manuel Baldizón versprochen, durch die Einrichtung einer Fußballschule in jeder Gemeinde des Landes die guatemaltekische Nationalmannschaft zur Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien zu bringen.

Drei Wochen vor den Wahlen scheint Otto Pérez der Wahlsieg kaum mehr zu nehmen zu sein, auch wenn letzte Umfragen davon ausgehen, daß dieser erst im zweiten Wahlgang zustande kommen wird. Pérez hat sich kürzlich wieder mit Fragen zu seiner Rolle als Offizier während des guatemaltekischen Bürgerkriegs konfrontiert gesehen. Gemäß einem von zwei Zeitungen publizierten Wikileaks-Dokument hatte der Kandidat der Patriotischen Partei vor den letzten Wahlen gegenüber dem amerikanischen Botschafter verlauten lassen, während des bewaffneten Konflikts vor allem an der Befriedung des Landes mitgewirkt zu haben. Pérez’ Rolle während des Bürgerkriegs wird allerdings von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen anders beurteilt. Das US-amerikanische Washington Office on Latin America etwa macht ihn in einem Bericht für schwere Menschenrechtsverletzungen während seiner Zeit als Chef der militärischen Abordnung im Ixil-Dreieck im Hochlanddepartement Quiche verantwortlich. Auch wenn für Pérez weiterhin die Unschuldsvermutung gilt, stellt sich doch die Frage, ob sich ein Offizier in seiner Position während des Bürgerkriegs der staatlich verordneten Politik der verbrannten Erde tatsächlich entziehen konnte.

* Oliver Lüthi arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras, Costa Rica.

Aus: junge Welt, 24. August 2011



Zurück zur Guatemala-Seite

Zurück zur Homepage