Amerika neu ordnen
Drittes Sozialforum des Kontinents in Guatemala beendet
Von Darius Ossami, Guatemala-Stadt *
Mit einer Demonstration zur Plaza Central von Guatemala-Stadt ist das 3. Amerikanische Sozialforum am Sonntag zu Ende gegangen. Nahezu unbemerkt von der guatemaltekischen Öffentlichkeit hatten zuvor vier Tage lang rund 6000 Vertreter sozialer Bewegungen auf dem Uni-Campus debattiert. Besonders präsent waren indigene Organisationen, sowie Frauen- und Campesinoverbände aus Guatemala, aber auch aus fast allen anderen amerikanischen Staaten.
Möglicherweise war es gerade die fehlende öffentliche Aufmerksamkeit, die dazu führte, daß das Sozialforum basisnah und ergiebig war. Jedenfalls hatte es in den vorangegangenen Tagen zahllose spannende Veranstaltungen gegeben. Bauern erzählten bewegend, wie sie die Massaker in Guatemala Anfang der 80er Jahre überlebten. Aktivisten bericheten über den Kampf gegen Bergbauprojekte in verschiedenen Ländern, für die Gleichberechtigung der Frauen und für die indigene Kultur.
Am Ende stand eine Abschlußerklärung gegen Neoliberalismus, gegen Militarisierung, gegen den Raubbau an Bodenschätzen und die Zerstörung des Planeten. Angestrebt wird die Anerkennung einer multinationalen Gesellschaft und einer neuen politischen und sozialen Ordnung. Die Autonomie der Frauen sei entscheidend für die Konstruktion gleichberechtigter Beziehungen, die Grundlage für eine neue Linke sei. Ein anderes Amerika sei möglich und nötig.
Ausdrücklich begrüßt wurden die Verabschiedung der neuen Verfassung in Ecuador, sowie der Versuch Boliviens, die indigenen Völker am Wohlstand des Landes und an den politischen Entscheidungsprozessen teilhaben zu lassen. Auch die Solidarität mit dem venezolanischen Volk und der kubanischen Revolution fehlten nicht. Die Bewertung der Lage in Nicaragua war auf dem Forum sehr umstritten: Während vor allem Frauengruppen das strikte Abtreibungsverbot kritisieren und auf Korruption und Machtmißbrauch unter Präsident Daniel Ortega hinwiesen, forderten verschiedene soziale und gewerkschaftliche Organisationen in einem Flugblatt zur Solidarität auf.
Kritisch gesehen wurde das Verhältnis zu staatlichen Versuchen, soziale Bewegungen zu vereinnahmen. Immer wieder hieß es, man solle gegenüber solchen Versuchen wachsam sein und die sozialen Netzwerke weiterhin aufrechterhalten. Dennoch wäre der heimliche Höhepunkt des Sozialforums der geplante Besuch des bolivianischen Präsidenten Evo Morales am Donnerstag gewesen. Viele Indigene waren an dem Tag extra angereist, um Evo zu sehen. Daß der aber abgesagt hatte, stand bereits am Dienstag in der lokalen Tageszeitung Prensa Libre. Die hatte nur niemand gelesen.
Neben der teils chaotischen Organisation war auch der Informationsfluß mangelhaft. Veranstaltungen wurden verlegt oder abgesagt, ohne daß es jemand mitbekam. Doch unter anderem wegen der Abwesenheit von Präsidenten und politischen Parteien überhaupt sei das Sozialforum basisnaher und ergebnisreicher gewesen, so Angela Isphording vom Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko-Stadt. Dennoch hält sie das Konzept des Sozialforums für überholt. Es sei zeitgemäßer, die Sozialforen dezentral zu organisieren. Ihr Fazit lautete, das Amerikanische Sozialforum habe den sozialen Bewegungen in Guatemala genützt, jedoch keinen politischen Impuls im Land gegeben.
* Aus: junge Welt, 13. Oktober 2008
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