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"Ameisenarbeit hat begonnen"

Guatemala: Indigene Präsidentschaftskandidatin Rigoberta Menchú sucht den Kontakt zur Basis. Keine Einigung mit Exguerilla und Linksbündnis

Von Eva George, Guatemala-Stadt *

Ein langer Weg liegt noch vor Rigoberta Menchú. Die Friedensnobelpreisträgerin von 1992 will am 9. September die erste indigene Präsidentin Guatemalas werden. Nach Verhandlungen mit mehreren Parteien haben sich Menchú und die von ihr gegründete Bewegung Winaq auf ein Bündnis mit der Partei Encuentro por Guatemala (EG) geeinigt. Zuvor waren Gespräche mit der aus ehemaligen Guerillaorganisationen hervorgegangenen URNG und dem Linksbündnis MAIZ gescheitert. »Wir haben mit der URNG verhandelt, aber eine Koalition war einfach nicht möglich. Viele Mitglieder von Winaq sind der Meinung, daß die Wunden des bewaffneten Kampfes noch nicht verheilt sind. Wir wollen die alte Polarisierung nicht fortführen und Brüche übernehmen, die nicht die unseren sind«, so Menchú in einem Interview mit der spanischen Zeitung El Mundo.

Die EG ist wie Menchús Bewegung Winaq eine relativ junge Partei. Seit den Wahlen 2003 wurde sie von der Menschenrechtsaktivistin Nineth Montenegro systematisch aufgebaut und vor kurzem als zwanzigste Partei Guatemalas von der Obersten Wahlbehörde eingetragen. Sie vereint ehemalige Aufständische, Guerillakämpfer und politisch links orientierte soziale Bewegungen, die sich für Solidarität, Gleichheit und eine pluralistische Gesellschaft einsetzen.

Rigoberta Menchús Kandidatur stößt in Guatemala auch auf Widerspruch innerhalb ihrer Klientel: Ihre internationale Popularität ist bei weitem größer als ihre Verankerung in der einheimischen Bevölkerung. Also versucht Menchú derzeit, ihr Image bei potentiellen Wählern zu verbessern. »Ich möchte die Arbeit einer Ameise machen«, erklärte Menchú gegenüber der Nachrichtenagentur Prensa Latina, »nicht weil Ameisen klein sind, sondern weil sie am besten organisiert sind.« Mit ihrer Basisarbeit reagiert die Kandidatin auch auf Kritik, sie habe den Kontakt »nach unten« verloren. Zuletzt war sie im Dienst der konservativen Regierung von Óscar Berger als UNESCO-»Botschafterin des guten Willens« unterwegs. Indirekt, beklagen Vertreter sozialer Bewegungen, habe sie Bergers Untätigkeit im Menschenrechtsbereich mitgetragen. Basilio Sánchez vom Bauernverband CNOC kritisierte: »Sie hat in der Regierung gearbeitet, aber sie hat uns weder Rückhalt gegeben, noch hat sie den Kontakt zu den sozialen Bewegungen gesucht.«

Dennoch sehen viele Indigenas in der Kandidatur Menchús die Möglichkeit zur Aufhebung der Ungleichheit in einem Land, wo 56 Prozent der Bevölkerung in Armut leben, und das geprägt ist von Diskriminierung der indigenen Bevölkerung. Der politische Analytiker Adrián Zapata sieht gerade in ihrer Kandidatur eine Chance: »Der Zusammenschluß von Rigoberta Menchú und dem Encuentro por Guatemala bildet ein politisches Gegengewicht, das es vorher nicht gab, weil die politische Macht historisch gesehen immer in den Händen des rechtsorientierten Unternehmertums lag.«

Ob es Menchú allerdings gelingt, die indigene Bevölkerung hinter sich zu sammeln, wird sich erst in den nächsten Monaten herausstellen. Eines ist aber sicher: Das Vertrauen in die traditionellen politischen Parteien und deren Wahlversprechen ist in Guatemala mittlerweile so gering, daß schon jetzt eine vielgestellte Frage lautet: »Wenn nicht Rigoberta Menchú, wer dann?«

* Aus: junge Welt, 5. April 2007


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