"Wie Blut in unseren Adern"
Basisorganisationen in Mittelamerika sagen der Verschmutzung des lebenswichtigen Río Lempa den Kampf an
Von Claudia Fix *
Der Río Lempa entspringt in Guatemala und fließt durch Honduras und El Salvador, wo er in den Pazifik mündet. Er ist eine der wichtigsten Wasseradern der Region, doch seine Qualität ist wegen mangelnden Gewässerschutzes bedroht. Basisorganisationen aus allen drei Ländern wollen das nun gemeinsam ändern.
An dem kleinen Grenzübergang zwischen Honduras und El Salvador im Westen beider Länder wirkt der Fluss Lempa unter der nackten Betonbrücke fast unscheinbar. Zwischen großen Felsen schlängelt er sich durch grün bewachsene Hügel gen Osten. Doch seine zahlreichen Zuflüsse machen ihn während seines Laufes zum Pazifik zur wichtigsten Wasserader El Salvadors, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung mit Trinkwasser versorgt. Und im ländlichen El Salvador kommt das Trinkwasser häufig direkt aus dem Fluss, wie man im nahe der Grenze gelegenen Santa Marta beobachten kann. Hier plätschert ein Zufluss des Lempa durch den Ort, es gibt weder Wasserleitungen noch Abwasserkanäle, auch die Wäsche wird direkt im Bachbett gewaschen.
»Der Fluss Lempa ist für uns wie das Blut, das durch unsere Adern fließt, weil er für einen großen Teil der salvadorianischen Bevölkerung lebensnotwendig ist. In unserem Land durchläuft er ein Drittel des nationalen Territoriums, und er ist die wichtigste Wasserquelle für den Großraum San Salvador«, beschreibt Vidalina Morales von der salvadorianischen Bewegung gegen die Minenwirtschaft die Bedeutung des Flusses.
Der Lempa entspringt in Guatemala, wo er Olopa heißt, und fließt anschließend durch Honduras und El Salvador, bevor er in den pazifischen Ozean mündet. Sein internationaler Charakter ist ein Teil des Problems: Keines der drei Länder verfolgt eine effiziente Wasserschutzpolitik. Rückstände aus der Landwirtschaft wie Pestizide oder Phosphate, Anreicherung mit organischen Stoffen durch Staudämme und die Kontamination durch die Minenwirtschaft mindern seine Trinkwasserqualität erheblich, was besonders in El Salvador ein Problem ist. »Unglücklicherweise werden in diesem Land keine Maßnahmen ergriffen, um das Wasser zu klären oder die Wasserqualität zu verbessern«, kritisiert Vidalina Morales, die selbst in Santa Marta lebt.
Besser funktioniert die staatliche Politik in Bezug auf die wirtschaftliche Ausbeutung des Lempa. In El Salvador bestehen bereits vier Wasserkraftwerke, von denen drei Energie aus dem Lempa erzeugen und eines aus dem wichtigen Zufluss Guajoyo. Ein weiteres Wasserkraftwerk mit einer erheblich höheren Leistung wurde bereits 1995 direkt an der Grenze zwischen Honduras und El Salvador unter dem Namen »El Tigre« geplant, aber wegen anhaltender Proteste von indigenen und bäuerlichen Organisationen unter Präsident Manuel Zelaya gestoppt.
Berta Cáceres von der indigenen Bewegung COPINH aus Honduras befürchtet nun, dass das Projekt unter der Regierung von Präsident Porfirio Lobo, die auf den Putsch gegen Präsident Zelaya folgte, wieder aufgenommen wird. »Eine endgültige Entscheidung gegen El Tigre ist nie gefallen, das Wasserkraftwerk kann immer noch gebaut werden. Und die ökologischen Folgen wären gerade für die indigene Bevölkerung verheerend.«
»El Tigre« ist nicht das einzige geplante Projekt in der Region. Allein in Honduras wurden laut Berta Cáceres während der Flussprivatisierungen in den letzten zwei Jahren 15 Konzessionen für Wasserkraftwerke vergeben. Warum in einer der am wenigsten industrialisierten Regionen Lateinamerikas ein dermaßen hoher Energiebedarf besteht, erklärt Marcos Bomborstel von der Umweltbewegung in Chiapas so: »Die Energieerzeugung wird durch den ehemaligen Plan Puebla Panamá gefördert, der jetzt Plan Mesoamerica heißt. Das bedeutet die Verbindung von Stromtrassen in ganz Zentralamerika, von Panama bis in die Vereinigten Staaten. Die Staudämme sollen gebaut werden, um Strom für die USA zu produzieren. Wofür sie vermutlich auch gebraucht werden, sind die Minen. Oder für große Aluminiumhersteller, die unglaubliche Mengen an Energie verbrauchen. Die versucht man insbesondere in Zentralamerika aufzubauen, große Aluminiumschmelzen, die später nach China exportieren.«
Auch Vidalina Morales ist strikt gegen ein weiteres Wasserkraftwerk am Lempa-Fluss: »Die Armen profitieren nicht von diesen Großprojekten, sondern die Unternehmen, die den Strom ins Ausland verkaufen. In diesem Land wurde die Energieversorgung leider privatisiert, daher geht es darum, den Strom ins Ausland zu verkaufen und das hat nichts mit der Entwicklung im Land zu tun.«
Angesichts der zahlreichen geplanten Minen und Wasserkraftwerke wird auch der Widerstand gegen die Großprojekte entschiedener und vernetzt sich international. Mitte Juli fand in El Salvador ein trinationales Treffen von 100 Delegierten verschiedener indigener und bäuerlicher Basisorganisationen statt. Das Treffen war der Auftakt für eine internationale Kampagne von sozialen Bewegungen der drei Länder zum Schutz des Rio Lempa und gegen eine Ausweitung der Minenwirtschaft in der Region. Gemeinsam wollen die AktivistInnen aus Guatemala, Honduras und El Salvador Druck machen. In ihrem Abschlussdokument fordern sie von ihren Regierungen »die Entwicklung und Anwendung von gesetzlichen Maßnahmen, die alle Aktivitäten im Wassereinzugsgebiet regulieren.«
Anfang August organisierte die an der Kampagne beteiligte guatemaltekische Organisation CODECA Straßenblockaden mit mehreren 10 000 Demonstranten. Eine ausreichende Versorgung mit gutem Trinkwasser und die Rücknahme der Privatisierung der Stromversorgung waren zwei der zentralen Forderungen der Bewegung.
Berta Cáceres formulierte es am Ende des trinationalen Treffens in El Salvador so: »Wir müssen den Lempa verteidigen, weil von ihm das Leben ganzer Völker abhängt.«
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 4. September 2012
Zurück zur Guatemala-Seite
Zur Honduras-Seite
Zur El Salvador-Seite
Zurück zur Homepage