Stärkere Rechte für die Indigenen und die Frauen
Parlamentskandidat Julio Díaz über die Ziele des Linksbündnisses Frente Amplio (Breite Front)
Julio Díaz ist Kandidat der URNG auf einen Sitz im nationalen Parlament. Die URNG ist aus der gleichnamigen Guerillabewegung hervorgegangen und bildet die größte Partei innerhalb des linken Parteienbündnisses Breite Front, für das Rigoberta Menchú (r.) als Präsidentschaftskandidatin antritt. Mit Díaz sprach für das "Neue Deutschland" (ND) Oliver Lüthi.
Sicherheit und Verbrechensbekämpfung stehen an erster Stelle des Wahlprogramms der Breiten
Front (Frente Amplio). Wie erklärt sich, dass ein Parteienbündnis, dessen politische Basis während
Jahrzehnten unter der Repression des guatemaltekischen Militärs zu leiden hatte, das Thema
Sicherheit ins Zentrum seines Wahlkampfs stellt?
Die aktuelle politische Lage in Guatemala erfordert eine Stärkung der bestehenden
Sicherheitsinstitutionen, aber auch einen Ausbau des Rechtsstaats. Für uns als Breite Front ist
dabei klar, dass der Gewalt im Land soziale Ursachen zugrunde liegen. Wir sind deshalb überzeugt,
dass nur über die Schaffung zusätzlicher Arbeitsstellen, über bessere Bildungsmöglichkeiten und
eine wirksame Bekämpfung der Korruption der Unsicherheit im Land nachhaltig begegnet werden
kann.
Worin unterscheidet sich die Sicherheitspolitik der Breiten Front von derjenigen der anderen
Parteien?
Die anderen Parteien fordern mehr Polizisten und einen Ausbau der Armee. Wir hingegen sprechen
nicht von zusätzlichen Sicherheitskräften, sondern von der Notwendigkeit, diese zu spezialisieren.
Wir wollen eine gut ausgebildete Polizei, eine, die auch in Menschenrechtsfragen geschult ist und
ihre Aufgabe in Zusammenarbeit und zur Zufriedenheit der Bevölkerung ausführt. Die
Sicherheitskräfte sollen Vertrauen erwecken und nicht als Bedrohung wahrgenommen werden.
Eines der politischen Hauptprobleme Guatemalas ist die weitverbreitete Straflosigkeit. 98 Prozent
aller Verbrechen im Land bleiben ungeklärt. Wie will die Breite Front das Vertrauen in die
guatemaltekische Justiz stärken?
Die Ämtervergabe im guatemaltekischen Justizapparat erfolgt traditionell aufgrund von Korruption
und Vetternwirtschaft. Posten werden nicht aufgrund professioneller Kriterien vergeben, sondern
dank persönlicher Beziehungen. Die Breite Front ist überzeugt von der Notwendigkeit, dass Richter
und Rechtsbeamte künftig viel sorgfältiger ausgewählt werden müssen. Wir werden uns deshalb in
den nächsten vier Jahren entschlossen für eine Stärkung fachlicher Kriterien bei der Besetzung von
Richterstellen und Justizposten einsetzen.
In den zurückliegenden Monaten ist viel über das Thema Bergbau und die Nutzung der natürlichen
Ressourcen diskutiert worden. Deren Schutz hat insbesondere für die indianische Bevölkerung
zentrale Bedeutung. Was hat die Breite Front hierzu für eine Position?
Entscheidend für uns ist der Wille der indianischen Bevölkerung. Wenn sich eine Mehrheit der
Gemeinden gegen den offenen Tagebau im Bergbau ausspricht, werden wir uns im Parlament für
dessen Verbot einsetzen. Hierzu ist insbesondere eine Stärkung der UN-Konvention 169 zum
Schutz der indigenen Völker nötig. Guatemala hat das entsprechende Abkommen ratifiziert,
allerdings wurde dieses der nationalen Gesetzgebung unterstellt. Die Integration der Konvention 169
in das guatemaltekische Rechtssystem muss deshalb neu verhandelt werden, um dem
Selbstbestimmungsrecht der indianischen Bevölkerung zu neuer Kraft zu verhelfen.
Bedeutet dies, dass sich die Breite Front während der kommenden Legislatur für eine Schließung
der umstrittenen Goldmine Marlin im Departamento San Marcos einsetzen wird?
Wenn sich die indianische Bevölkerung dafür ausspricht, ja.
Zentral für viele in der Breiten Front ist eine Stärkung der Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Guatemala hat eine der weltweit höchsten Mordraten an Frauen. Was kann von der Breiten Front hierzu erwartet werden?
Wir wollen die Beteiligung der Frauen auf allen Ebenen des Staates verbessern. Insbesondere
wollen wir die Rolle der indigenen Frauen stärken. Wir schlagen deshalb eine Reform der
bestehenden Wahlgesetzgebung vor, um spätestens in vier Jahren eine ausgeglichene
Geschlechterverteilung in allen politischen Parteien des Landes zu erreichen.
* Aus: Neues Deutschland, 10. September 2011
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