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Exgeneral bekämpft Kriminalität

Guatemalas neuer Präsident will eine "Politik der harten Hand"

Von Andreas Böhm *

Fast 2300 Menschen wurden letztes Jahr in Guatemala-Stadt ermordet. 270 davon waren Busfahrer oder -passagiere, wie die Ombudsstelle für Menschenrechte in einem Bericht zur Kriminalität in dem mittelamerikanischen Land schreibt. Insgesamt gab es 2011 in Guatemala 4933 Morde. Die Straflosigkeit für diese Art von Verbrechen liegt seit Jahren bei über 96 Prozent.

Der seit Mitte Januar amtierende neue Präsident Guatemalas, der ehemalige General Otto Pérez Molina, hat den Kriminellen den Kampf angesagt und drastische Maßnahmen angekündigt. So wurden innerhalb der Polizei fünf neue Einsatzgruppen geschaffen, die sich um Auftragsmorde, Morde an Frauen, Entführungen, Erpressungen sowie Raubüberfälle kümmern sollen. Geplant ist zudem eine Aufstockung der völlig unterbesetzten Polizeikräfte von heute 22000 auf 32000 Mann über einen Zeitraum von vier Jahren. Ob dies ausreichen wird, muß allerdings bezweifelt werden. Viele Polizisten sind selber in kriminelle Aktivitäten verstrickt, jährlich werden Hunderte entlassen. In ihrem Jahresbericht 2011 wirft die Organisation Human Rights Watch den guatemaltekischen Sicherheitsbehörden »Korruption und Schwäche« bei der Bekämpfung der Kriminalität vor.

Pérez Molina ermahnte die leitenden Polizeioffiziere in einer ersten Rede denn auch, er werde keine korrupten Handlungen dulden. Worte allein werden da aber nicht genügen. Das Wahlkampfmotto des neuen Präsidenten lautete »Mano dura«, harte Hand. Eine Strategie, die speziell bei Menschenrechtlern zu Recht Besorgnis auslöst. Schon einmal, in den Jahren 2004 bis 2008, unter der Präsidentschaft von Oscar Berger, wurde gegen die Kriminalität durchgegriffen, aber vor allem mit illegalen Methoden. So war es ein offenes Geheimnis, daß staatliche Sicherheitsorgane eine Politik der »sozialen Säuberung« betrieben, bei der echte und vermeintliche Kriminelle physisch eliminiert wurden. Erwin Sperisen, der damals verantwortliche Polizeichef, gab dies in einem Radiointerview nach seiner Entlassung indirekt zu. Heute lebt er in der Schweiz und leugnet jegliche Verantwortung. Guatemala hat seine Auslieferung beantragt.

Nur tiefgreifende strukturelle, soziale und kulturelle Veränderungen werden langfristig zu weniger Gewalt und mehr Entwicklung führen. Der Staat, im speziellen der Justiz­apparat und die Sicherheitskräfte, müssen reformiert und gestärkt werden. Auf gesellschaftlicher Ebene muß die Akzeptanz von Korruption, Rassismus und Gewalt bekämpft sowie verstärkt in Bildung investiert werden. Ein zentrales Problem stellen die krassen sozialen Unterschiede dar. Daher kommt dem Staat auch eine direkte Rolle bei der Bekämpfung der extremen Armut zu. Nicht durch paternalistische und wahltaktische Programme, wie dies unter der vorherigen Regierung von Alvaro Colom der Fall war, sondern durch Projekte, die zur Selbsthilfe anregen.

* Aus: junge Welt, 3. Februar 2012


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