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Staatsbedienstete legen Griechenland lahm

Öffentlicher Dienst wehrt sich gegen die Streichung von mindestens 15 000 Stellen

Von Anke Stefan, Athen *

Aus Protest gegen geplante Entlassungen hat die Mehrheit der griechischen Staatsbediensteten am Mittwoch die Arbeit für 24 Stunden niedergelegt.

Im ohnehin stark gestutzten öffentlichen Sektor in Griechenland ging am Mittwoch gar nichts mehr: Wegen eines neuen 24-stündigen Streiks im gesamten öffentlichen Dienst blieben viele Behörden, Schulen und andere Einrichtungen geschlossen; in den staatlichen Krankenhäusern wurden nur Notfälle behandelt. Der gestrige Ausstand bildete den Auftakt für insgesamt drei Streiktage, die der griechische Dachverband der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst ausgerufen hat. Die anderen beiden stehen nächste Woche Mittwoch und Donnerstag an. Wie bereits vorangegangene Aktionen richten sich auch die neuen Streiks gegen bereits in Umsetzung begriffene Pläne der griechischen Regierung, bis Ende 2014 mindestens 15 000 Stellen im öffentlichen Dienst zu streichen. Dafür wurden bereits im vergangenen Jahr 4000 Staatsbedienstete entlassen, in diesem Jahr müssen noch 11 000 folgen. Es waren denn auch vor allem die von unmittelbarer Entlassung Bedrohten, die am Mittwoch an einer Demonstration in der Hauptstadt teilnahmen.

Einer von ihnen ist Thodoris. Der langjährige Hausmeister an einer Athener Schule wurde im Sommer vergangenen Jahres zusammen mit weiteren etwa 2000 Kollegen in die sogenannte Mobilitätsreserve versetzt. Über acht Monate bekamen die Hausmeister einen Teil ihres Gehaltes weiter bezahlt, doch am 22. März ist Schluss. Wer bis dahin nicht auf eine andere Stelle im Staatsdienst übernommen wurde oder anderweitig Arbeit gefunden hat, darf sich in das auf über 1,2 Millionen Menschen angewachsene Heer der Arbeitslosen einreihen. »Bis jetzt ist noch kein einziger Kollege irgendwo übernommen worden«, meint Thodoris, der nicht viel Hoffnung hat, dass sich daran etwas ändert. Denn Stellen wurden nur für die etwa 526 »sozialen Härtefälle« wie Eltern von mehr als drei Kindern oder alleinerziehende Elternteile angekündigt. »Und auch die werden nur mit weiteren Lohneinbußen als Pflegekräfte in Krankenhäuser übernommen.«

Für die 595 ebenfalls in die Mobilitätsreserve verschobenen Reinigungskräfte im Finanzministerium läuft die Frist noch bis zum 12. Mai. Die fast ausschließlich weiblichen Angestellten haben sich bereits in den vergangenen Monaten mit vielfältigen Aktionen gegen ihre Entlassung gewehrt. Doch trotz mehreren Gespräche mit Regierungsvertretern sieht die Zukunft für Evangelia, Efthymia, Georgia und ihre Kolleginnen düster aus.

»Trotzdem lassen wir den Kopf nicht hängen und werden weiter kämpfen«, sagt Evangelia, während Efthymia davon berichtet, wie sie am Mittwochmorgen von Beamten der Bereitschaftspolizei mit brutaler Gewalt vom Eingang des Finanzministeriums vertrieben worden waren. »Wie sollen wir unseren Kindern das Studium finanzieren, wenn wir keine Arbeit haben«, antwortet Georgia auf die Frage, warum sie nach so vielen Monaten und so vielen verschlossenen Türen immer noch nicht aufgegeben hat. Auf der Liste der demnächst zu Entlassenen finden sich darüber hinaus noch ein Teil der ebenfalls bereits im letzten Sommer in die Mobilitätsreserve verschobenen 1845 Lehrer an den Mittel- und Oberschulen des Landes.

Dazu kommen rund 600 Menschen, die bei insgesamt 23 öffentlichen Einrichtungen beschäftigt sind, die laut einem dem Parlament bereits vorliegenden Gesetzesentwurf in Kürze geschlossen oder privatisiert werden sollen. Menschen, die »auf die Müllhalde der Arbeitslosigkeit geworfen werden sollen«, wie es Panagiotis Kiriakoulis, Betriebsratsvorsitzender in einer dieser Einrichtungen, in seinem Grußwort an die Streikenden ausdrückt. Denn die Aussichten, auf dem freien Arbeitsmarkt eine Stelle zu bekommen, sind bei bereits jetzt mehr als 27 Prozent Arbeitslosigkeit gering.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 13. März 2014


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