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Hollandes kalte Füße

Frankreichs Präsident kommt Tsipras nur zögerlich entgegen und will nicht Vermittler sein

Von Hansgeorg Hermann, Paris *

Der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras kam mit hohen Erwartungen nach Paris. Er reiste ernüchtert wieder ab. Was er bei Frankreichs Präsident François Hollande am Mittwoch in einem zwei Stunden dauernden Gespräch zu hören bekommen hatte, war das Räsonieren eines Mannes, der kalte Füße bekommen hat. Oder, wie die Zeitung L’Humanité am Donnerstag resigniert feststellte: Das ängstliche Argumentieren eines zum Liberalismus konvertierten alten Sozialdemokraten, der vor der Macht des großen Geldes zittert. Im Kampf gegen die Herrschaft des Finanzkapitals in Europa ist von Frankreich vorerst wohl keine Hilfe für die Griechen zu erwarten.

Hollandes Erklärung nach dem Treffen ist insofern kaum mehr als ein höflicher Abschied für einen zwar geladenen, in Wirklichkeit jedoch eher unbequemen Gast. »Mit einem klaren Votum wollte das griechische Volk zu erkennen geben«, ließ Frankreichs Staatschef verlauten, »dass die Austerität als einzige Perspektive und einzige Realität nicht mehr tragbar ist. Aber es gibt auf der anderen Seite den Respekt gegenüber den europäischen Regeln, denen alle unterworfen sind, und den Respekt gegenüber den Verpflichtungen zum Abbau der Schulden.« Tsipras’ Wunsch, Frankreich möge bei der von ihm noch am Abend des Wahlsiegs angekündigten Neugestaltung Europas, »die Rolle eines Protagonisten spielen«, dürfte den Gastgeber im Palais de L’Élysée eher verunsichert als ermuntert haben.

Wie die Zeitung Le Monde nüchtern bilanzierte, habe die gemeinsame Erklärung der beiden Politiker »die Formen perfekt eingehalten«. Das heißt aus der Diplomatensprache übersetzt: Es gibt wenig zu melden, was zu melden wert wäre. L’Humanité kommentierte Tsipras’ Paris-Reise mit den Worten: »Auf der Suche nach Verbündeten für die schwierigen Verhandlungen darüber, wie man die schwere Schuldenlast Griechenlands leichter machen könnte, hätte sich Tsipras mehr Unterstützung erwarten können.«

Was Tsipras nach seinen Antrittsbesuchen in Rom, Brüssel und Paris ein wenig überraschend in den Vordergrund seiner bisherigen außenpolitischen Bilanz stellte, war der Wunsch nach Harmonie. »Wir sind keine Bedrohung für Europa«, sagte der griechische Ministerpräsident. Und: »Wir werden Reformen anstoßen, die unser Land glaubwürdig machen werden. Die griechischen Schulden dürfen aber nicht unsere Existenz bedrohen.«

Er sei »überzeugt«, dass man gemeinsam daran arbeiten und »eine einvernehmliche Lösung« finden werde. Die europäischen Länder müssten auf Augenhöhe miteinander verkehren, in der Euro-Zone gebe es »nicht Hausbesitzer und Mieter, sondern alle zusammen sind eine Hausgemeinschaft«.

Inoffiziell ließ der Élysée am Mittwoch abend verlauten, Frankreich wolle sich von Tsipras »nicht in die Rolle des Vermittlers drängen lassen«. Man wisse nicht, wie der Kampf für oder gegen die von der deutschen Regierung unter Kanzlerin Merkel nach wie vor verfolgte Austeritätspolitik ausgehen werde und ob der griechische Ministerpräsident kurzfristig gegebene Versprechen langfristig auch tatsächlich einzuhalten gedenke.

Nach seinem Besuch bei Hollande hatte sich der griechische Regierungschef für eine längere Unterredung mit dem Sekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs, Pierre Laurent, verabredet. Über den Inhalt des Gesprächs sei Stillschweigen vereinbart worden, hieß es aus der Parteizentrale. Jean-Luc Mélenchon, der frühere Sprecher des linken Front Gauche, dem auch die Kommunisten angeschlossen sind, erklärte in diesem Zusammenhang: »Die nicht offiziellen Termine von Herrn Tsipras geben Anlass zu zahlreichen Vermutungen. Meine regelmäßig dazu vorgetragene Einschätzung ist die, dass man sich an das halten sollte, was die Betroffenen selbst dazu zu sagen haben.«

* Aus: junge Welt, Freitag, 6. Januar 2015

Hier geht es zum Regierungsprogramm von Syriza:

Was die Syriza-Regierung tun wird
Das Regierungsprogramm von Syriza, vorgestellt auf der Internationalen Messe in Thessaloniki am 15. September 2014




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