Grexit? Paris hat "klaren Dissens" mit Berlin
Finanzminister Sapin bleibt bei Kritik an deutschen Plänen zu Griechenlands Ausscheiden aus dem Euro / Unternehmensnahes IW-Institut legt Entwurf für Insolvenzordnung im Euroraum vor *
Berlin. Frankreichs Finanzminister Michel Sapin hat sich gegen die umstrittenen Pläne von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgesprochen, Griechenland solle vorübergehend aus dem Euro ausscheiden. In diesem Punkt gebe es »einen Dissens, einen klaren Dissens«, sagte Sapin dem »Handelsblatt«. Er respektiere allerdings die Position Schäubles, die dieser laut Sapin »nicht aus Taktik, sondern aus Überzeugung« eingenommen habe.
Der deutsche Minister hatte mit seinem Vorstoß, Griechenland solle in einem »Grexit auf Zeit« seine Schuldenprobleme selbst in den Griff bekommen, eine heftige europäische Debatte ausgelöst. Die Idee war mit solchem Druck in die Verhandlungen über ein neues Kreditprogramm eingebracht worden, dass sich die SYRIZA-geführte Regierung in Athen veranlasst sah, harte Auflagen der Gläubiger zu akzeptieren. Auch in der Bundesrepublik hatte Schäubles Vorgehen viel Kritik auf sich gezogen, die Opposition hatte dem CDU-Politiker vorgeworfen, Europa zu riskieren, um seine Austeritätspolitik gegen andere Regierungen durchzusetzen.
Das deutsch-französische Einvernehmen nannte Sapin allerdings »nicht gebrochen«. Er wolle gemeinsam mit Schäuble die Eurozone stärker integrieren. Dafür lägen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch. »Wir wollen gemeinsam mit den Deutschen diese Vorschläge konkretisieren.«
Derweil hat das Institut der deutschen Wirtschaft Köln laut einem Zeitungsbericht ein mehrstufiges System für eine Staatsinsolvenzordnung im Euroraum vorgelegt. Das unternehmensnahe Institut schlägt unter anderem vor, dass der europäische Stabilitätsmechanismus ESM selbst Staaten in ein Insolvenzverfahren zwingen können, berichtete die »Welt« am Montag - wenn es dazu eine deutliche Mehrheit innerhalb des ESM gibt. Ziel sei, eine mögliche Insolvenzverschleppung zu vermeiden. Der IW-Plan kombiniert dem Bericht zufolge alte Vorschläge mit neuen Ideen und sieht einen mehrstufigen Verhandlungsprozess über die Umschuldung eines Landes vor.
»Durch die Schaffung eines geordneten Insolvenzverfahrens im Euro-Raum wird der Grundsatz der Währungsunion gestärkt, dass kein Land für die Schulden eines anderen Landes haften muss und so der Gefahr vorgebeugt, dass die Euro-Zone zu einer Transferunion verkommt«, sagte Co-Studienautor Jürgen Matthes der Zeitung.
Dem Entwurf nach würde ein Land zuerst allein mit den Gläubigern verhandeln. Im Fall eines Scheiterns komme eine neu zu schaffende Kammer am Europäischen Gerichtshof ins Spiel, die die Verhandlungen beratend begleite. Führe auch dies zu keiner Lösung, habe der ESM das letzte Wort, wie umgeschuldet werden soll, legte die »Welt« dar. »Eine staatliche Entschuldung darf aber immer nur Ultima Ratio sein«, sagte Matthes.
Um die Krisenwirkungen für den betroffenen Staat zu mildern, soll den Angaben zufolge zu Verhandlungsbeginn ein Moratorium für Schuldendienst und Klagen in Kraft treten. Damit das vom Finanzmarkt abgeschirmte Land weiter seine Staatsbeamte und Renten bezahlen könne, müsse es Überbrückungshilfen aus dem europäischen Rettungsschirm erhalten. Diese müssten wie üblich mit strengen Auflagen verbunden sein, fordert das IW. Bevor ein Insolvenzverfahren eingeführt werden kann, müssten aber zunächst die Staaten ihre Schuldenstände reduzieren. Außerdem müssten Banken und Versicherungen Verluste aus einem Staatsbankrott verkraften können und daher stärker kapitalisiert sein.
Daneben schlägt das IW auch vor, das laufende Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) zu nutzen, um den derzeit hohen Bestand an Staatsanleihen in den Bankbilanzen zu reduzieren.
* Aus: neues deutschland, Montag, 3. August 2015
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