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Griechen geben Regierung keine Ruhe

Täglich ist der Widerstand gegen das Sparprogramm bei Streiks und Protesten spürbar

Von Anke Stefan, Athen *

In Griechenland prägen Streiks und Proteste weiter das öffentliche Leben des Landes. Die Aktionen richten sich gegen die Pläne der Regierung, mit dem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU verordneten Sparprogramm die Haushaltsmisere in den Griff zu bekommen.

Ohne großes öffentliches Aufsehen erregt zu haben, ging am Freitag der jüngste Besuch der Kontrollkommission von EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) in Athen zu Ende. Die Abgesandten hatten sich mit verschiedenen Ministerien der Regierung Papandreou getroffen, um die Fortschritte des Sparprogramms zur Rettung der griechischen Staatsfinanzen zu überprüfen.

Griechenland sei auf dem richtigen Weg und habe bereits Beachtliches geleistet, werden EU-Politiker seit geraumer Zeit nicht müde zu betonen. Der Kontrollkommission jedoch stellte bei ihrem Besuch in Athen neue Forderungen auf. Danach soll das Sparprogramm vor allem auf den privaten Wirtschaftssektor ausgedehnt werden. Dort will man die griechische Wettbewerbsfähigkeit durch Senken der Löhne und Lohnnebenkosten sowie durch Steuererleichterungen für die Unternehmen verbessern. Im öffentlichen Dienst sollen die Löhne derweil weiter nach unten angeglichen sowie kräftig privatisiert werden.

Wohin das Sparprogramm führt, lässt sich an den Mitte dieser Woche veröffentlichten statistischen Daten ablesen. Danach ist die Arbeitslosigkeit im November 2010 auf 13,9 Prozent gestiegen. Das entspricht einer Steigerung um 30,2 Prozent oder 160 624 neuen Arbeitslosen gegenüber dem November 2009. Mit 4 307 054 liegt die Anzahl der noch über eine Arbeit Verfügenden auf dem niedrigsten Stand seit April 2005. Gleichzeitig steht die Inflationsrate unverändert bei über 5 Prozent (5,2 Prozent im Januar 2011).

Die Regierung ist trotzdem gewillt, den von den einheimischen Unternehmern unterstützten Vorgaben der Kontrollkommission zu folgen. Bereits am Mittwoch wurde mit den Stimmen der regierenden PASOK eine »Gesundheitsreform« verabschiedet, mit der im ohnehin maroden Gesundheitswesen weiter an Ärzten und Mitteln eingespart wird. In der nächsten Woche steht eine ähnliche »Reform« bei den öffentlichen Nahverkehrsmitteln zur Abstimmung an.

Nach wie vor setzten sich in Griechenland die Betroffenen zur Wehr. Fast täglich wird in einzelnen Branchen gestreikt, für den 23. Februar ist ein neuer Generalstreik angesetzt. Die Beschäftigten bei den öffentlichen Nahverkehrsmitteln in Athen befinden sich bereits seit Wochen fast täglich mehrere Stunden im Ausstand, auch am Freitag fuhren am Morgen keine Metro und in den Mittagsstunden weder Auto- noch Trolleybusse. Statt dessen zogen deren Fahrer am Mittag in einem Protestmarsch vor das Ministerium für Transportwesen.

Auch im Gesundheitswesen wird weiterhin gestreikt. Seit fast einer Woche halten protestierende Ärzte dabei den Sitzungssaal des Gesundheitsministeriums besetzt. Die griechischen Pharmazeuten dagegen haben ihren seit mehreren Wochen in Intervallen geführten Streik nach einigen Zugeständnissen der Regierung vorerst ausgesetzt, fordern aber weiterhin vor allem die Rücknahme der für kleine Apotheken ruinösen Ausdehnung der Öffnungszeiten auf 75 Wochenstunden.

Auch außerhalb der Gewerkschaftsorganisationen sind immer mehr Bürger nicht länger bereit oder in der Lage, die steigenden Kosten bei sinkenden Einkommen zu tragen. Ausdruck dafür ist das sprunghafte Anwachsen der Bewegung »Ich zahle nicht«, deren Mitglieder eine Bezahlung der Gebühren auf griechischen Autobahnen, aber auch der unlängst um bis zu 40 Prozent gestiegenen Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr verweigern. Hier hat die Regierung nun einerseits eine Senkung der Gebühren angekündigt, will aber andererseits gegen die bisher tolerierten Zahlungsverweigerer in Zukunft mit verstärkten Kontrollen und Strafen bis zu 200 Euro hart durchgreifen.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2011


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