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Genossenschaft als Alternative

In Thessaloniki gibt es breiten Widerstand gegen den Verkauf der Wasserwerke

Von Anke Stefan, Athen *

Die Privatisierung der Wasserversorgung gehört zu den Kernpunkten der Pläne in Griechenland. Vor allem in Thessaloniki regt sich Widerstand.

Auch in Griechenland sollen viele Objekte an private Investoren verscherbelt werden. Auf der Liste stehen unter anderem die griechischen Öl- und Gasraffinerien, das riesige Gelände des alten Flughafens an der Küste von Athen und sogar ein Park, in dem sich das Mahnmal für die von den Nazis im Zweiten Weltkrieg erschossenen Widerstandskämpfer befindet. Kaum ein Projekt jedoch stößt auf derart heftigen Widerstand wie der geplante Verkauf der Wasser- und Abwasser-Gesellschaft von Thessaloniki (EYATh AG). Derzeit hält der Staat 74 Prozent der Anteile, fünf Prozent gehören dem französischen Konzern Suez, der als Übernahmefavorit gilt.

Sogar die einzige griechische Obdachlosenzeitung »Shedia« hat dem Thema Wasserprivatisierung den Schwerpunkt ihrer aktuellen Ausgabe gewidmet. Dort kommt Efi Spyropoulou von der Initiative »Savegreekwaters« zu Wort: »Wir sind entschlossen, die Kommerzialisierung des Wassers in unserm Land zu verhindern«, wird die Aktivistin zitiert. Frau Spyropoulou kritisiert, dass »die EU-Kommission die Länder Südeuropas unter Druck setzt, obwohl die europäischen Verträge Neutralität beim Thema Verwaltung der Wasservorkommen gebieten«.

Etwa 11 500 Unterschriften aus Griechenland finden sich bei der europaweiten Kampagne »right2water.eu«, insgesamt hatten fast 1,5 Millionen Menschen gegen die Kommerzialisierung von Wasser gestimmt. Die Initiative fordert die EU-Kommission zur Vorlage eines Gesetzesvorschlags auf, der »das Menschenrecht auf Wasser und sanitäre Grundversorgung entsprechend der Resolution der Vereinten Nationen durchsetzt und eine funktionierende Wasser- und Abwasserwirtschaft als existenzsichernde öffentliche Dienstleistung für alle Menschen fördert«. Als Reaktion auf die Proteste kündigte EU-Kommissar Michel Barnier am Freitag an, die Wasserversorgung von der Konzessionsrichtlinie auszunehmen.

In Griechenland hat auch die Gewerkschaft der Wasserwerke Athen eine Kampagne gegen den Ausverkauf von EYATh gestartet. »Wasser ist keine Ware, sondern ein natürliches und gesellschaftliches Gut für alle!«, heißt es auf Plakaten überall in der Hauptstadt. Außer dem Einsatz für die relativ preiswerte Versorgung der Bürger mit dem lebenswichtigen Nass – der Kubikmeter Wasser kostet in Athen nur etwa einen Euro (in Deutschland sind es im Schnitt 1,70 Euro) – hinaus haben die Gewerkschafter einen weiteren Grund, sich gegen die Privatisierung sowie die zu erwartenden Kündigungen und schlechteren Arbeitsbedingungen zu wehren: Auch die Wasserwerke der Hauptstadt stehen auf der Liste der zu verscherbelnden Betriebe.

Die interessantesten Initiativen kommen aus Thessaloniki. Bürgermeister aller politischer Couleur aus dem eine Million Einwohner zählenden Großraum wollen die Privatisierung verhindern und ein Referendum ansetzen. Aktivisten wehren sich zudem nicht nur gegen den Verkauf – sie wollen die Wasserwerke auch mit Hilfe eines Genossenschaftsmodells vergesellschaften. »Ein Bürger = ein Anteil = eine Stimme« lautet das Motto der »Bewegung136«. Der Name ergibt sich aus dem Preis eines Genossenschaftsanteils: Teilt man den Schätzwert der Wasserwerke durch die Anzahl ihrer Wasserzähler, also der Nutzer, komme man auf die symbolische 136, teilt die Initiative auf »www.136.gr/article/was-ist-die-bewegung-136« mit.

Die auch von der Partei Ökologen/Grüne unterstützte Initiative wurde bereits 2011 gegründet – interessanterweise als Produkt der griechischen »Empörten«, die damals am Weißen Turm, dem Wahrzeichen Thessalonikis, eine Zeltstadt errichtet hatten. »Am 10. August 2011 beschlossen die Mitarbeiter der Wasserwerke, Gruppen in der Stadt wie auch einfache Bürger, dass wir nicht zulassen wollen, dass mit dem Trinkwasser gespielt wird, welches wir und unsere Familien trinken. Das Eigentum an der Gesellschaft EYATh ist eine Angelegenheit der Bürger von Thessaloniki«, heißt es im Internetauftritt. Dort wird auch mit dem »Mythos der ›Effizienz‹ der privaten Verwaltung« aufgeräumt: »Dutzende wissenschaftlicher Studien zeigten, dass in der ganzen Welt dort, wo privatisiert wurde, eine Verschlechterung der Wasserqualität, vermehrter Wasserverlust, eine Beeinträchtigung der Infrastruktur und steigende Preise das Ergebnis waren.«

* Aus: neues deutschland, Samstag, 22. Juni 2013

Zahlen & Fakten

Griechenland: Bis 2022 sollen 25,6 Milliarden Euro durch Privatisierungen erlöst werden. Zum Verkauf stehen u.a. die Erdgasfirma DEPA, Häfen, Autobahnen und unbewohnte Inseln.

Irland: Die Regierung will fünf Milliarden Euro erlösen und mit der Hälfte die Schulden senken. Zum Verkauf stehen u.a. die Energieversorger Bord Gáis und Electricity Supply Board, Aer Lingus und die Bank of Ireland.

Italien: Öffentliches Eigentum im Wert von 42 Milliarden Euro steht zum Verkauf. Dazu gehören städtische Immobilien, Anteile an der Post sowie kommunale Transport- und Mülldienste.

Portugal: Für 2013 reduzierte die Regierung die veranschlagten Erlöse von 6,5 Milliarden auf 5 Milliarden Euro. Im Angebot sind die Airline TAP Portugal, die Post und Wasserwerke.

Slowenien: 15 Unternehmen stehen auf der Verkaufsliste.

Spanien: Flughäfen, Lotterien, Wasserwerke und Gesundheitszentren suchen private Käufer.

Zypern: Hier hofft die Regierung auf Erlöse von 1,4 Milliarden Euro. Zum Verkauf steht u.a. die Telekomgesellschaft CYTA. KSt




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