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Wetten auf den Sieg von PASOK

Griechenland wählt ein neues Parlament

Von Anke Stefan, Athen *

Bei den griechischen Parlamentswahlen am Sonntag (4. Okt.) steht der Sieger nicht nur in den Meinungsumfragen eigentlich fest. Wenn es für die sozialdemokratische PASOK allerdings nicht zur Alleinregierung reicht, werden sie trotzdem spannend.

Die Veröffentlichung von Umfragen ist in Griechenland nur bis zwei Wochen vor der Wahl erlaubt, doch es gibt auch andere Informationsquellen für eine Prognose. Für die Betreiber von Wettfirmen im Internet steht die Siegerpartei jedenfalls fest. Drei Firmen (Bet and Win, Landbrokes und Sportingbet) weisen die eher symbolische Gewinnquote von 1,03 aus, wenn man auf den Sieg der bisherigen Oppositionspartei PASOK unter Giorgos Papandreou (Foto: dpa) setzt; das sind schlappe drei Euro bei einem Einsatz von 100 Euro. Ein erneuter Sieg der bisherigen Regierungspartei Nea Dimokratia wird dagegen als äußerst unwahrscheinlich angesehen. Für diese Option würde etwa Sportingbet das Zwölffache des Einsatzes auszahlen. Doch laufen die Glückspielanbieter kaum Gefahr, am 5. Oktober in Konkurs gegen zu müssen. Denn das Kabinett von Kostas Karamanlis hat in seiner Regierungszeit zu viel an Glaubwürdigkeit verloren.

Der im März 2004 erstmalig angetretene Ministerpräsident hielt kaum eines seiner zahlreichen Wahlversprechen ein. Statt die in Griechenland auf allen Staatsebenen wuchernde Korruption einzudämmen, deckte Karamanlis zahlreiche Abgeordnete und Minister der eigenen Partei, denen die Verstrickung in diverse Skandale vorgeworfen wurde. Dabei schreckte er nicht einmal vor der vorzeitigen Schließung des Parlaments vor den Europawahlen zurück, um so eine strafrechtliche Untersuchung der Schuld von Parteifreunden zu verhindern. Beim Punkt Korruptionsbekämpfung dürften die Wähler allerdings auch der PASOK nicht allzu viel zutrauen. Den auch die von 1981 bis 2004 nur durch drei Jahre Pause unterbrochene Regierungszeit der Sozialdemokraten ist durch viele Skandale gekennzeichnet.

Schwerer dürfte der jetzigen Regierung denn auch ihr Versagen in der Wirtschaftspolitik angelastet werden. Karamanlis war mit dem Versprechen angetreten, die drängendsten Probleme -- Arbeitslosigkeit, vor allem unter den jungen Leuten, mangelnde Ausstattung der Bildungseinrichtungen und des Gesundheitswesens sowie die hohe Staatsverschuldung -- zu lösen. Seine Politik der Steuererleichterung für Unternehmen bei gleichzeitiger Erhöhung der Mehrwert- und anderer indirekten Steuern, die vor allem die sozial Schwachen treffen, hat aber weder zum Abbau der Staatsschulden noch zu einem Aufschwung der Wirtschaft geführt. Massiv wurden Vollzeitstellen in prekäre Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Auch seine Ankündigung, im Falle einer Wiederwahl die Gehälter und Renten im öffentlichen Dienst für die nächsten zwei Jahre einzufrieren, kann ihn unter den etwa einer halben Million Staatsangestellten nur Stimmen kosten.

Konkurrent Papandreou dagegen will im Fall eines Wahlsieges die Wirtschaft mit staatlichen und umweltfreundliche Investitionen ankurbeln. Er rechnet mit mehreren Zehntausend neuen Arbeitsplätzen, die allein durch die Umstellung des Landes auf erneuerbare Energiequellen geschaffen werden könnten. Mögliche Partner für seine Strategie des »grünen Wirtschaftswachstums« sieht die PASOK dabei sowohl in den griechischen Grünen als auch beim linken Bündnis SYRIZA. Ersteren bescheinigen jedoch sowohl Umfragen als auch Wettfirmen, dass sie den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde ins Parlament nicht schaffen werden. SYRIZA dagegen muss zwar mit Verlusten rechnen, wird aber wohl auch im nächsten Parlament vertreten sein.

Eine Koalition mit den Sozialdemokraten hat das Linksbündnis im Vorfeld der Wahlen jedoch ausgeschlossen -- wobei der Streit im Bündnis über diese Frage der SYRIZA Umfragepunkte gekostet hat. Ein Wiederaufflammen der Diskussion nach den Wahlen ist also vor allem dann wahrscheinlich, wenn die PASOK zwar stärkste Partei wird, die erforderliche Mehrheit im Parlament aber verfehlt. In den letzen Umfragen standen die notwendigen 151 Mandate noch auf der Kippe, und auch beim Online-Wetten liegen die Quoten für beide Fälle nicht weit auseinander. Die bei etwa acht Prozent gehandelte Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) dagegen wird für eine Koalition definitiv nicht zur Verfügung stehen.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Oktober 2009


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