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Neue Pleiteszenarien

Niederländischer Notenbankchef hält Insolvenz Griechenlands für denkbar. Athen dementiert Schuldenschnittpläne. BRD-Regierung vor schwieriger Abstimmung

Von Dieter Schubert *

Deutschlands wohlhabender Nachbar verliert offenbar die Geduld bei der permanenten Griechenland-Rettung. Klaas Knot, Präsident der niederländischen Zentralbank, schließt nun auch offiziell eine Pleite des hochverschuldeten Problemstaates an der Ägäis nicht mehr aus. Eine Zahlungsunfähigkeit sei »eines der Szenarien«, sagte Knot in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Zeitung Het Financieel Dagblad. Der Notenbanker spricht mit gewichtiger Stimme: So sind die Niederlande einer von nur noch sechs Euro-Staaten (neben BRD, Österreich, Finnland, Luxemburg und Frankreich), denen die internationalen Ratingagenturen die höchste Bonitätsbewertung »AAA« zugestehen. Den Haag gehört zu den wichtigsten Geldgebern sowohl für die EU-Kasse als auch bei den diversen Rettungsschirmen und -aktionen. Vor allem aber ist Knot auch Mitglied des Gouverneursrats der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Euro-Notenbank beharrt –mit Stimmehrheit der Repräsentanten der »Südstaaten« – darauf, daß Griechenland die Bedingungen des Rettungsplans erfüllt und schließt eine Staatspleite rigoros aus.

Insolvenzverschleppung nennen Kritiker die hektischen Aktivitäten von EU und EZB, Athen keinesfalls in die Staatspleite schlittern zu lassen. Vor allem das Argument, die Euro-Zone drohe in einem solchen Falle auseinanderzubrechen, erzwang bislang einen finanzpolitischen Gleichschritt der Regierungen in den Mitgliedsstaaten. Doch inzwischen tauchen bei dem erzwungenen Marsch immer mehr Paßgänger auf: In Teilen der deutschen Regierungskoalition wird offen über eine »geordnete« Pleite diskutiert, in den »Geberländern« Finnland und Niederlande ebenfalls, und auch aus Österreich kommen verstärkt Signale, daß man nicht gewillt ist, Athen dauerhaft zu alimentieren. Nur Frankreich –nicht zuletzt wegen seiner in Griechenland stark involvierten Banken –besteht weiterhin tapfer auf einer Rettung ohne Insolvenz.

Für die »Retter« gab es am Freitag (23. Sept.) zunächst eine weitere Hiobsbotschaft: Angeblich schließe auch Griechenlands Regierung inzwischen eine Pleite nicht mehr aus. Die Zeitungen Ethnos und Ta Nea hatten am Freitag berichtet, Finanzminister Evangelos Venizelos habe bei der Rede vor Abgeordneten von drei Szenarien für Griechenland gesprochen. Eines davon sei eine geordnete Insolvenz mit einem Schuldenschnitt von 50 Prozent.

Doch das zuständige Ministerium wies diese Berichte umgehend zurück. Griechenland konzentriere sich darauf, die Beschlüsse des Euro-Gipfels vom 21. Juli umzusetzen, verlautete von der Athener Behörde. Alle anderen Gerüchte, Gespräche und Szenarien lenkten das Land von seinem Hauptziel ab, hieß es.

Für die deutsche Regierungskoalition wird es vor diesem Hintergrund offenbar immer schwieriger, eine eigene Mehrheit für die Zustimmung zum sogenannten Erweiterten Rettungsschirm zu organisieren. Prominente Abgeordnete wie der Christdemokrat Wolfgang Bosbach und der Liberale Frank Schäffler lehnen diesen strikt ab. Und CSU-Chef Horst Seehofer beschied grundsätzlich: Weitere Hilfen für Griechenland und Co. werde es nicht mehr geben.

Dennoch dürfte die Abstimmung im Bundestag am kommenden Donnerstag (29. Sept.) glatt über die Bühne gehen – aber nur dank der wahrscheinlichen Zustimmung der eifrigsten Euro-Retter, der Fraktionen von SPD und Grünen.

* Aus: junge Welt, 24. September 2011


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