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"Entlasst die Regierung"

Scharfer Protest gegen neues Sparpaket in Griechenland

Von Olaf Standke *

Um die nächsten Kredite in Höhe von 8,8 Milliarden Euro zu erhalten, hat das Athener Parlament ein neues Sparpaket verabschiedet und Massenentlassungen von Beamten beschlossen. Für diese Woche sind in Griechenland weitere Proteste und ein neuer Generalstreik angekündigt.

»Entlasst die Regierung« konnte man auf einem Spruchband von Demonstranten in Athen lesen. Tausende protestierten am späten Sonntagabend vor dem Parlament, wo die Abgeordneten in einer Dringlichkeitssitzung nach stürmischer Debatte drastische Kürzungen für den öffentlichen Dienst und Steuererhöhungen für alle Griechen beschlossen haben. Zu den Protesten »gegen Massenentlassungen und Sozialabbau« hatten u.a. die Gewerkschaftsverbände für den öffentlichen Dienst (Adedy) und für die Privatwirtschaft (GSEE) aufgerufen. Doch die Koalitionsregierung unter dem rechtskonservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras verfügt über eine sichere Parlamentsmehrheit. Bis Ende 2014 will sie 15 000 Staatsbedienstete entlassen, 4000 noch in diesem Jahr. Bis Ende 2015 sollen mindestens 150 000 Stellen weggefallen sein. Zudem werden die Wochenarbeitszeit für Lehrer sowie eine 2011 eingeführte Grundbesitzsteuer verlängert, wenn auch in reduzierter Form.

Eine von der Linksallianz SYRIZA eingebrachte Resolution zur Verfassungswidrigkeit dieser Eilmaßnahmen wurde abgeschmettert. Scharf kritisierte die Opposition auch den von Finanzminister Giannis Stournaras »in letzter Minute« vorgelegten Änderungsantrag über eine Reduzierung des bisherigen monatlichen Mindestlohns auf nur noch 490 Euro.

Die von den internationalen Gläubigern geforderten Sparmaßnahmen sind Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Kredite in Höhe von 8,8 Milliarden Euro seitens der Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Die Eurogruppe wollte noch am Montag über 2,8 Milliarden Euro entscheiden.

Wie die GSEE erklärte, würden die Kürzungen die hohe Arbeitslosigkeit nur noch weiter verschlimmern. Die Quote von Menschen ohne Job liegt derzeit offiziell bei einem Rekordwert von 27 Prozent, unter jungen Leuten sind es sogar fast 60 Prozent. Die Wirtschaft schrumpft schon das sechste Jahr in Folge. Für 2013 erwartet die Zentralbank ein Minus von 4,6 Prozent. Die verfügbaren Einkommen sind um ein Drittel gefallen. Griechenland lebe in einer »Troika-Memorandum-Diktatur«, so SYRIZA-Sprecher Panagiotis Lafazanis.

Die »Verschlankung« des öffentlichen Sektors hat sich auch die 50-köpfige EU-Taskforce zum Ziel gemacht, die am Montag ihren neuen Fortschrittsbericht vorlegte. Gemeinsam mit der Regierung in Athen habe man in den meisten Ministerien mit ihren 206 000 Mitarbeitern die Neuorganisierung auf den Weg gebracht und zugleich Hürden für wichtige Exportprodukte beseitigt, hieß es in Brüssel. Athen habe auch im Kampf gegen Geldwäsche oder bei der Steuerpolitik viel getan. Doch es sei wichtig, »das Reformtempo aufrecht zu erhalten«, mahnte EU-Währungskommissar Olli Rehn.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 30. April 2013


Kahlschlag auf Befehl der Troika

Griechenland "spart" sich Beamte. 15000 Stellen im Staatsdienst werden vernichtet **

Das Diktat erschüttert Griechenland in den Grundfesten. Erstmals seit mehr als 100 Jahren kommt es im Zuge der Troika-Auflagen (EU-Kommission, Internationaler Währungsfonds, IWF und Europäischer Zentralbank, EZB) zu Massenentlassungen von Beamten und Staatsangestellten. Bis Ende 2014 sollen insgesamt 15000 Staatsbedienstete ihren Job verlieren. Nach einer kontroversen Debatte billigte das Parlament in Athen am späten Sonntag abend im Eilverfahren ein entsprechendes Gesetz sowie andere Kürzungsmaßnahmen, um weitere Finanzhilfen der internationalen Geldgeber zu erlangen. Zudem soll eine neue Grundbesitzsteuer erhoben werden. Vor dem Parlament kam es am Abend zu heftigen Protesten von mehreren tausend Menschen.

Die Verabschiedung des Kürzungspakets ist für Athen Voraussetzung dafür, daß die nächsten Tranchen der vereinbarten Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 8,8 Milliarden Euro freigegeben werden. Dem neuerlichen Kahlschlagprogramm stimmten 168 Abgeordnete im 300 Mitglieder starken Parlament zu. 123 votierten dagegen, wie das Parlamentspräsidium mitteilte. Es gab eine Stimmenthaltung.

Griechenland hat sich gegenüber den Geldgebern verpflichtet, die Zahl seiner Staatsdiener bis Ende 2015 insgesamt um 150000 zu verringern. Für jeweils fünf in Pension gehende Bedienstete wird seit zwei Jahren nur ein neuer eingestellt. Die Neueinstellungen konzentrieren sich auf Personen, die Steuern eintreiben sollen.

Um den Abbau der Staatsverwaltung hatte Griechenland monatelang heftig mit der Troika gerungen. Die Festeinstellung von Beamten ist seit 1911 in der Verfassung des Landes festgeschrieben. Gegner der Massenentlassungen berufen sich auch auf rechtliche Gründe, die dagegen sprechen würden. Die Regierung beruft sich jedoch auf einen Paragraphen der Verfassung, in dem es heißt, Beamte können entlassen werden, wenn ihre Planstelle durch Schließung einer Behörde abgeschafft wird.

Die ersten Entlassungen von rund 2000 Staatsdienern soll es Ende Mai geben. Zunächst sollen solche Personen gehen, die sich strafbar gemacht haben. Bis zum Jahresende sollen dann weitere 2000 Bedienstete ihren Job verlieren, 11000 bis Ende 2014 folgen. Zu der Demonstration vor dem Parlament hatte die Gewerkschaft der Staatsbediensteten (ADEDY) aufgerufen.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 30. April 2013


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