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Ganz Griechenland auf Sparflamme

Gewerkschaften wehren sich mit Generalstreik gegen Lohnkürzungen und Kaufkraftsenkung

Von Anke Stefan, Athen *

Mit einem Generalstreik haben die Gewerkschaften am Donnerstag (11. März) das öffentliche Leben in Griechenland lahmgelegt. Sie protestierten gegen die Sparpläne der Regierung zur Überwindung der Schuldenkrise.

Während sich vor wenigen Wochen angesichts der »nationalen Krise« noch 80 Prozent der Bevölkerung gegen Streiks in Griechenland ausgesprochen hatten, waren diese Werte bereits in der vergangenen Woche auf unter 50 Prozent gefallen. Am Generalstreik beteiligten sich nach Angaben des Gewerkschaftsdachverbandes GSEE sogar an die 90 Prozent der in den streikenden Branchen Arbeitenden. Die meisten Fabriken wurden bestreikt, die Wirtschaft des Landes weitgehend lahmgelegt. Schulen, Behörden und viele Bankfilialen blieben geschlossen, in den Krankenhäusern wurden nur Notfälle versorgt. Die Schiffe blieben in den Häfen, die Flugzeuge am Boden und die Züge in den Bahnhöfen. In Athen fuhren weder Busse noch Metro oder Straßenbahnen. Durch die Teilnahme der Journalisten am Streik fielen alle Nachrichtensendungen in Rundfunk und Fernsehen aus, während am heutigen Freitag keine der etwa 20 Tageszeitungen erscheint.

Zum wiederholten Male protestierten die Lohnabhängigen in Griechenland dabei gegen die ihnen von der eigenen sozialdemokratischen Regierung und der EU auferlegten »Sparmaßnahmen«. Mit Steuererhöhungen unter anderem der Mehrwertsteuer und drastischen Einschnitten bei den Gehältern der Staatsangestellten soll das bei 12,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegende Staatsdefizit innerhalb von drei Jahren unter die vom EU-Stabilitätspakt erlaubten 3 Prozent gedrückt werden.

Finanzminister Giorgos Papakonstantinou hatte bereits kurz nach Verabschiedung der Einschnitte klargestellt, die Maßnahmen hätten keineswegs vorübergehenden Charakter, sondern stellten dauerhafte Kürzungen dar.

Die Gewerkschaften meinen dagegen, mit Lohnkürzungen und Kaufkraftsenkung durch Erhöhungen von Konsumsteuern würde die Krise nicht gelindert, sondern eher verschärft. Sie fordern außerdem, dass der Abbau der Staatsschulden nicht von den Lohnabhängigen, sondern von denen, »die die Krise verursacht haben«, zu bezahlen sei – allen voran Banken, Unternehmern und Spekulanten. »Die Maßnahmen sind ungerecht und unsozial«, heißt es im Streikaufruf des Gewerkschaftsdachverbandes der öffentlichen Angestellten ADEDY. Unterstützung bekommen die griechischen Gewerkschafter dabei vom Europäischen Gewerkschaftsbund. »Die bisher beschlossenen Maßnahmen beinhalten radikale Kürzungen von Löhnen und Renten, ausufernde Steuererhöhungen, Entlassungen in hohem Ausmaß und Kürzungen bei den Sozialausgaben«, heißt es in einer am 10. März verabschiedeten Solidaritätserklärung des EGB mit den Streikenden. »Diese Maßnahmen sind nicht nur ungeeignet zur Lösung der Probleme, sondern vertiefen die Krise sogar, da sie die Arbeitslosigkeit fördern, den Wohlstand abbauen, die Nachfrage drosseln und das wirtschaftliche Leben strangulieren.«

Allein in Athen zogen mehrere zehntausend Streikende in zwei getrennten Zügen durch die Innenstadt vor das griechische Parlament. Während die Demonstration der kommunistisch orientierten Gewerkschaftsfront PAME dabei friedlich verlief, kam es bei der gemeinsamen Demonstration der Gewerkschaftsdachverbände und der Organisationen der außerparlamentarischen und radikalen Linken zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

* Aus: Neues Deutschland, 12. März 2010


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