Bedrohliche Dämmerung
Auftrieb für Neofaschismus in der Wiege der Demokratie
Von Anke Stefan, Athen *
Die Parteiführung der Goldenen Morgendämmerung
gibt sich in der Öffentlichkeit
eine weiße Weste. Mit
rassistischen Parolen heizt sie
gleichzeitig gewalttätige Übergriffe
auf Migranten und andere an.
Die Szenerie ist gespenstisch: junge,
grimmig drein blickende Männer
schwenken Fahnen mit einem
an das Hakenkreuz gemahnenden
schwarzen Mäander auf rotem
Grund. Auch die Parolen erinnern
an unselige Zeiten: »Blut, Ehre,
Goldene Morgendämmerung« rufen
hunderte Anhänger der griechischen
neofaschistischen Partei
Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung)
beim Auftritt ihres »Führers
« Nikos Michaloliakos.
Und auch dessen Worte lassen
an Deutlichkeit, welcher Ideologie
man anhängt, nichts zu wünschen
übrig. »Sie nennen uns Nazis, aber
Diebe hat man uns noch nie genannt
«, rief der Parteiführer beim
»12. Festival der Griechischen Jugend
« unlängst in Athen. Und die
Hand zum Hitlergruß hebend fügte
er hinzu: »Diese Hände mögen auf
diese Weise grüßen, aber sie sind
sauber, sie haben nie gestohlen.«
Mit derartigen Verlautbarungen
versucht die Goldene Morgendämmerung
sich von den sogenannten
linken und rechten Systemparteien
abzugrenzen, deren
Politiker nichts als das eigene Wohl
im Auge und die Hände ständig in
den Taschen des griechischen
Volkes hätten. Doch die Worte von
den sauberen Händen sind eine
dreiste Lüge. Die Liste der seit Oktober
2011 dokumentierten Angriffe
der faschistischen Schlägerbanden
der Partei auf meist dunkelhäutige
Migranten ist lang, allein
vom 18. September 2012 bis
zum 18. März dieses Jahres wurden
72 Fälle rassistischer Gewalt
registriert. Ein Opfer starb, 62
wurden zum Teil schwer verletzt.
Die meisten Angriffe richten
sich gegen Migranten, wie am 22.
September 2012, als etwa 15 »unbekannte
Täter« im Athener
Stadtteil Metamorfosi ein von Pakistanern
bewohntes Haus angriffen.
In derselben Nacht wurden
weitere drei Pakistaner an einer
Bushaltestelle von einer Motorradbande
mit Knüppeln und Messern
verletzt.
In jüngster Zeit richten sich die
Anschläge der Faschisten vermehrt
gegen Linke und deren Einrichtungen.
Ende Februar wurde
auf der Insel Paros eine antifaschistische
Demonstration angegriffen.
In den Morgenstunden
zum 4. April warfen Faschisten
Brandbomben auf das selbstverwaltete
Zentrum »Synergeio« im
Westen Athens. Im Gebäude hielten
sich Menschen auf, von denen
aber niemand verletzt wurde.
Öffentlich leugnet die Partei,
dass diese Angriffe von ihren Mitgliedern
ausgehen. Selbst als nach einem
Anschlag mit einem Molotowcocktail
auf eine Filiale der Zypernbank
im nordgriechischen Volos Ende
März bei den kurz darauf gestellten
Tätern nicht nur Waffen, Hitlerbilder
und Hakenkreuzfahnen, sondern auch T-Shirts mit dem
Parteilogo der Goldenen Morgendämmerung
gefunden wurden,behauptete Mickaliolakos, die Festgenommenen hätten keinerlei Verbindung zu seiner Organisation. Intern jedoch wird Tacheles geredet. So beklagte ein Redner aufeiner von einem BBC-Reporter heimlich mitgeschnittenen Parteiversammlung
am 16. Dezember 2012, dass ein Angriff von Parteijugendlichen
auf den Abgeordneten der Linksallianz SYRIZA, Dimitris Stratoulis, keinen größeren Schaden als eine zerstörte Brille und ein paar blaue Flecke angerichtet habe.
Im Parlament gerieren sich
Mitglieder der Goldenen Morgendämmerung
jedoch offen als Rassisten. Als »Untermenschen« bezeichnete
die einzige weibliche Abgeordnete und Ehefrau des
Führers der Partei, Eleni Zaroulia,
die Migranten. Für ihren Parlamentskameraden
Ilias Kasidiaris sind die ausländischen Einwanderer
»Abfall«. Im nationalistisch
aufgeheizten Griechenland erhalten
solche Phrasen wie der Versuch
der Partei, sich als einzige
gegen »das korrupte Politikersystem
« stehende Partei zu gerieren,
Applaus. Ein Blick auf das Abstimmungsverhalten
entlarvt die Mimikry aber. Zwar gibt es bisher
keine Beweise, inwieweit Berichte
etwa der britischen Zeitung »Guardian
«, wonach die Partei kräftige
finanzielle Zuwendungen von den
mächtigen Reedern erhält, der Wahrheit entsprechen. Fakt ist jedoch,
dass die Partei sich immerzu
für deren Interessen einsetzt und beispielsweise
im Parlament gegen eine Besteuerung der Reeder stimmte.
Die Aussichten sind besorgniserregend.
Obwohl jedermann weiß, um was für eine Partei es sich bei der
Goldenen Morgendämmerung
handelt, gelang den griechischen
Faschisten bei den Wahlen im vergangenen
Juni der Einzug ins
griechische Parlament – mit 18
Abgeordneten (von insgesamt
300). Aus der marginalen Organisation,
die 2009 noch knapp
20 000 Stimmen sammeln konnte,
ist eine Massenpartei mit über
425 000 Wählern geworden. Und
ihr Anhang nimmt zu. Aktuelle
Umfragen sehen die Goldene Morgendämmerung
gar bei elf Prozent.
Besonders erschreckend ist, dass
die Partei insbesondere bei der von
über 57 Prozent Arbeitslosigkeit
gegeißelten Jugend Zulauf findet.
Einzige Reaktion der Regierung in
Athen ist bisher eine Diskussion
um ein Parteiverbot.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. April 2013
Gefahr erkannt
Aktivitäten der Zivilgesellschaft
Von Anke Stefan **
Wo Mitglieder von Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) auftauchen, müssen sie in der Regel mit Gegenprotest rechnen. So auch jüngst in einem Krankenhaus, das sie auf »illegale ausländische Krankenschwestern« überprüfen wollten. Das Personal wies die Neofaschisten ab, eine Gruppe anwesender Roma bedrängte sie tatkräftig. Auch bei den zahlreichen Streiks gegen die Kürzungspolitik der griechischen Regierung und der internationalen Gläubiger kann sich die Partei organisiert zumindest nicht blicken lassen. Im Herbst etwa wurden Abgeordnete der Goldenen Morgendämmerung mit Buhrufen empfangen, als sie ihre Solidarität mit gegen die Kürzung des Kindergeldes demonstrierenden Eltern bekunden wollten.
In mehreren Stadtteilen haben sich darüber hinaus antifaschistische Bündnisse gebildet, in denen Einzelpersonen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Gewerkschaften zusammenarbeiten. Unterstützt werden sie von der außerparlamentarischen Linken, die schon seit Jahren Flüchtlingsarbeit leistet. Die Bündnisse organisieren Demonstrationen, führen Veranstaltungen durch und übernehmen im Bedarfsfall auch den Schutz migrantischer Strukturen im eigenen Stadtteil, beispielsweise zu historisch aufgeladenen Daten, an denen Aktionen von Faschisten zu erwarten sind.
Die Parteiführung der Goldenen Morgendämmerung gibt sich in der Öffentlichkeit eine weiße Weste. Mit rassistischen Parolen heizt sie gleichzeitig gewalttätige Übergriffe auf Migranten und andere an. Mehr
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Allerdings waren es die griechischen Anarchisten, die als erste die von den Faschisten ausgehende Gefahr erkannt haben. Anarchisten sind auch weitgehend die einzigen, die sich den brutalen Banden militant entgegenstellen. Aufmerksamkeit erregte der Angriff nicht nur der Faschisten, sondern auch der griechischen Polizei auf eine antifaschistische Patrouille im letzten Oktober. Dabei wurden 15 Antifaschisten von der Polizei festgenommen und misshandelt.
Es mangelt jedoch an einer Stelle, die systematisch Informationen über die Partei sammelt und die Angriffe dokumentiert. Richtungsweisend in dieser Hinsicht könnte das im vergangenen Oktober erschienene »Schwarzbuch Chrysi Avgi« des Journalisten Dimitris Psarras sein. Darin wird der Werdegang der Partei unter Bezugnahme auf Praxis und parteieigene Publikationen analysiert.
Unterstützung im antifaschistischen Kampf bekamen die Griechen unlängst auch aus Deutschland. In Zusammenarbeit mit dem Griechischen Filmarchiv und der Athener Universität startete die Rosa Luxemburg Stiftung im April eine Reihe von Filmvorführungen unter dem Titel »Blick auf den Faschismus«.
** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 17. April 2013
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