Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Exempel statuieren

Attacken auf Griechenland

Von Lucas Zeise *

Als die Finanzkrise noch frisch und neu war, da waren Rating-Agenturen auch bei Politikern unten durch. Sie sollten reguliert, beaufsichtigt und in ihrem Handeln stark eingeschränkt werden. Das ist vorbei. Völlig unbeeindruckt entscheiden Rating-Agenturen, wer am Kapitalmarkt günstige Konditionen bekommt.

Im Augenblick gehen sie auf Griechenland los. Standard & Poor's droht mit Herabstufung, und Fitch bewertet die Anleihen des griechischen Staates nicht mehr mit dem begehrten A. Für den griechischen Staat erhöhen sich damit die Kosten des Schuldenmachens, am Finanzmarkt werden höhere Zinsen verlangt. Ende nächsten Jahres, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihre in der Finanzkrise eingeräumten Sonderkonditionen wieder aufgibt, könnte sie die schlechter als mit A bewerteten griechischen Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit bei der Kreditgewährung an die Banken akzeptieren. Dann bekommt der griechische Staat wirkliche Probleme damit, neue Schulden aufzunehmen. Die EZB jedenfalls findet es weiter ganz normal, Rating-Agenturen über das Wohl und Wehe von Mitgliedsländern der Eurozone bestimmen zu lassen.

Die Staatsschulden Griechenlands sind hoch, aber nicht außergewöhnlich hoch. Das aktuelle Defizit hat sich auf etwa zehn Prozent vom Inlandsprodukt ausgeweitet, aber auch da gibt es Staaten, zum Beispiel die großen USA, die in der Krise ihre Schulden noch stärker hochgefahren haben.

An Griechenland soll ein Exempel statuiert werden. Erstens geht es darum, die neue, von der sozialdemokratischen PASOK gestellte Regierung zur Aufgabe ihrer sozialen Wahlversprechen zu zwingen. Die bisherigen drastischen Kürzungen sind da noch nicht genug. Bei den Löhnen, die in den Jahren zuvor stärker gestiegen waren, sollen deutsche Verhältnisse eingeführt werden.

Zweitens wird die Währungsunion getestet. Üblich ist es im finanzdominierten Kapitalismus, daß Staaten, die in den Verdacht der Pleite geraten, vom Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Krediten gestützt werden, der ihnen dann ein rigoroses, unsoziales Kürzungsprogramm verordnet. Hier ist es anders. Griechenland ist Mitglied der Euro-Währungsunion. Gespannt warten die Banker und Investoren der Welt darauf, wie Deutschland, Frankreich und die anderen Euro-Staaten die Situation bereinigen: Diese erhöhen den Druck auf Griechenland und haben ein massives Interesse daran, die Euro-Zone als Absatzmarkt und Kreditadresse erster Kategorie zu erhalten. Bevor es aber tatsächlich zur Staatspleite kommt, werden die Euro-Staaten einen hübschen, großen Kredit arrangieren, für den, ganz wie beim IWF, die Griechen am Ende bluten sollen. Solidarität im Interesse der werdenden Großmacht Europa muß unter Staatslenkern schon sein. Das Kapital will schließlich auch wissen, wer am Ende zahlt. Für die Griechen bleibt nur die Chance, so viel Krach zu machen, daß ihre Regierung vor dem eigenen Volk mehr Angst hat als vor den oben beschriebenen Gegnern.

* Aus: junge Welt, 10. Dezember 2009


Zurück zur Griechenland-Seite

Zur EU-Europa-Seite

Zurück zur Homepage