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Der Währungsfonds soll den Euro retten

EU-Gipfel in Brüssel berät über Wirtschafts- und Finanzkrise sowie Klimapolitik / Tiefe Kluft in der EU über die richtige Wirtschaftspolitik

Von Hermannus Pfeiffer *

Der Streit um Finanzhilfen für Griechenland offenbart eine tiefe Kluft in den wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Euro-Länder.

Ein EU-Gipfeltreffen in Brüssel soll heute und morgen einen Durchbruch bei den Finanzhilfen für Griechenland bringen. Doch die 16 Euroländer sind zerstritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beharrt darauf, dass keine EU-Mittel nach Griechenland fließen. Dagegen wollen der französische Staatschef Nicolas Sarkozy und der spanische Ministerpräsident José Luis Zapatero als amtierender EU-Ratspräsident sowie EU-Kommissionschef José Manuel Barroso am liebsten aus gemeinsamen Töpfen helfen. Unmittelbar vor dem turnusgemäßen Gipfel in Brüssel wurde fieberhaft nach einem Kompromiss gesucht, den die Staats- und Regierungschefs dann dort beschließen sollen. Dieser könnte aus einer kombinierten Hilfe von Internationalem Währungsfonds und einigen Euro-Ländern bestehen, wobei die zentrale Rolle dem IWF zufiele.

Noch in den 1990er Jahren wurden Währungskrisen hinter verschlossenen Türen diskutiert. Seit dem Ausbruch der Griechenland-Krise im Dezember führen Europas Politiker aber eine lautstarke öffentliche Debatte darüber, wie Griechenland und anderen hoch verschuldeten Ländern geholfen sowie der Euro stabilisiert werden kann. Hinter dem aktuellen Verwirrspiel zeichnet sich ein tiefer Riss ab, der den Euro-Raum durchzieht. Frankreich, Spanien und einige andere Länder wollen Griechenland großzügig helfen, aus der Schuldenfalle herauszukommen. Dazu könnte etwa die EU-Kommission einen günstigen Kredit aufnehmen und an Athen weiterreichen. Griechenland, das mit 300 Milliarden Euro in der Kreide steht und für frisches Geld derzeit teuer bezahlen muss, käme in den Genuss günstiger Zinsen. Doch die deutsche Seite sperrt sich. »An einem Kredit der EU-Kommission würde sich Deutschland nicht beteiligen«, stellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unmissverständlich fest.

Da Griechenlands Premier Giorgos Papandreou bislang nicht um Kredit gebeten hat, dürfte dieser Streitpunkt auf dem Gipfel umfahren werden. Der deutschen und offenbar auch der niederländischen Seite geht es ohnehin mehr um mittelfristige Lehren aus der Euro-Krise. So soll der Stabilitätspakt weiter verschärft werden, so Schäuble, und die Kommission sowie ein noch zu schaffender Europäischer Währungsfonds sollten notfalls knallhart durchgreifen. Als »Ultima Ratio« müsse ein Land sogar aus dem Euro-Verbund rausfliegen, forderte Kanzlerin Merkel im Bundestag. Das sind neue Töne vom angeblichen Zahlmeister Europas, dessen Wirtschaft durch seine Exportstärke am meisten vom Euro-Binnenmarkt profitiert hat.

Hinter dem Kurs der Bundesregierung steht die Annahme, dass ein »harter« Euro - wie ehedem die harte D-Mark - die wichtigste Grundlage für volkswirtschaftliches Wachstum sei. Dagegen hält ausgerechnet der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, die deutsche Position für zu rigide. Den Rauswurf eines Euro-Landes bezeichnete er als absurd. Hinter der vor allem von Frankreich vertretenen Position steht die Annahme, dass Euro und Währungspolitik vor allem die Wirtschaft ankurbeln sollten. Dafür ist man in Paris wie auch in Madrid und Rom bereit, höhere Staatsschulden zu akzeptieren.

Bei dem Brüsseler Gipfel soll es daher laut Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy auch um eine stärkere »wirtschaftliche Steuerung« gehen. Paris fordert bereits seit Längerem eine Art europäische Wirtschaftsregierung als Gegengewicht zur EZB und kritisiert zunehmend die deutsche Strategie massiver Exportförderung, die für hohe Defizite auch bei Euro-Partnern sorgt.

Für einen angesichts der aktuellen Finanzklemme nötigen Kompromiss könnte notfalls doch der IWF um Hilfe gebeten werden, obwohl die Europäer dies zu Beginn der Griechenland-Krise ausschlossen. Er würde mit harter Hand in Griechenland, später vielleicht auch in Portugal oder Irland, Sparprogramme und Sozialabbau durchsetzen. Und die EU wäre den Schwarzen Peter los. Der Streit über die weitere Zukunft des Euro wäre aber nur vertagt.

Die Gipfelthemen

Neben dem »Fall Griechenland« stehen noch weitere Themen auf der Gipfel-Agenda. So soll es u.a. um den Plan »Europa 2020« der EU-Kommission gehen, der die vor zehn Jahren eingeleitete Lissaboner »Wachstumsstrategie« ablösen soll. Zudem wollen sich die EU-Spitzen mit den Konsequenzen aus dem Scheitern des Kopenhagener Klimagipfels im Dezember beschäftigen. Außenpolitische Fragen, wie die Lage in Afghanistan, sollen nur am Rande erörtert werden. (ND)



* Aus: Neues Deutschland, 25. März 2010


Tektonischer Euro-Makel Von Dieter Janke *

Im unmittelbaren Vorfeld des Treffens der EU-Regierungschefs ist der Euro an den wichtigsten globalen Handelsplätzen deutlich eingeknickt - ein eindeutiges Omen, dass hier das Vertrauen in die Einheitswährung angeschlagen ist. Den Hintergrund bildet allerdings weniger das griechische Unvermögen, mit Geld umzugehen, wie es uns die Bundesregierung und auch die Boulevardmedien weismachen wollen. Ursache ist vielmehr die teutonische Hartleibigkeit, mit der sich die Merkel-Koalition der Hilfe für den angeschlagenen Euro-Partner verweigert. Trotz heftigen Gegenwindes wird sie sich vermutlich, nachdem Unterstützung nun auch aus Paris signalisiert wurde, auf dem Gipfel in Brüssel durchsetzen können.

Der Vorgang offenbart zugleich auch einen tektonischen Makel der rein monetären Klammer, mit der die Euro-Staaten fiskalpolitisch diszipliniert werden sollen. Volkswirtschaftliche Disparitäten, bei denen die bundesdeutsche Wirtschaft aufgrund ihrer Lohnkostenvorteile auf der Seite der Gewinner steht, werden hingegen ignoriert. Geradezu überheblich und von wenig Sachkenntnis getrübt ist es deshalb, wenn der Kritik an der hiesigen Exportstrategie mit dem Argument begegnet wird, andere Länder könnten dem Beispiel schließlich folgen, wie jüngst FDP-Wirtschaftsminister Brüderle tönte.

Setzt sich auf dem Brüsseler Gipfel die harte Linie Angela Merkels durch, ist mit einem weiteren Schwächeln des Euro zu rechnen. Dann aber bedeutet es, Öl ins Feuer zu gießen, wenn weiterhin mit dem Finger in Richtung Athen verwiesen wird - statt auf Berlin.

** Aus: Neues Deutschland, 25. März 2010 (Kommentar)

Standpunkte der Oppositionsparteien

SPD-Fraktion (25.03.2010)

Bundeskanzlerin wird ihrer Verantwortung nicht gerecht

Anlässlich der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel zum bevorstehenden Treffen der Staats- und Regierungschefs am 25. und 26. März, erklärt die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Angelica Schwall-Düren:

Viele Menschen in Deutschland sorgen sich zunehmend um die Stabilität des Euros und den Zusammenhalt der Währungsunion. Anstatt Vertrauen national, aber auch international zu schaffen, zeichnet sich die Politik von Bundeskanzlerin Merkel leider durch unstete, unentschlossene Politik aus.

Mit ihrer Politik der Verweigerung isoliert die Bundeskanzlerin Deutschland in Europa. Die wiederholt vorgetragene Forderung der Bundesregierung, ein Mitgliedsland gegebenenfalls aus der Euro-Zone auszuschließen, widerspricht dem EU-Vertrag. Die Diskussion über einen möglichen Rausschmiss muss so schnell wie möglich beendet werden, um Schlimmeres zu verhindern. Statt zu spalten, sollte die Bundesregierung konstruktive Vorschläge machen, wie weiteren Wirtschafts- und Finanzkrisen in der EU vorgebeugt und wie sie gegebenenfalls gemanagt werden sollen.

Das Ziel muss sein, Heterogenität zu verringern, Innovationen voranzubringen, nachhaltige Produktivität zu steigern und Kaufkraft zu stärken. Nur so können wirtschaftliche Ungleichgewichte verringert und gemeinsame Stärke gewonnen werden.

Europäische Probleme erfordern europäische Lösungen. Notwendig ist deshalb ein zweistufiger Ansatz: Zum einen muss dringend eine Lösung für Griechenland gefunden werden. Zum anderen bedarf es einen Solidaritätsmechanismus, der Mitgliedsländer vor spekulativen Angriffen schützt. Solch ein Mechanismus existiert bereits für die Nicht-Euro-Länder unter dem Dach des Vertrages von Lissabon. Die Euro-Zone benötigt einen vergleichbaren Mechanismus für Finanzstabilität. Langfristig muss dieses Verfahren weiterentwickelt werden zu einer economic governance in der Euro-Zone.


Gregor Gysi, DIE LINKE (25.03.2010)

Debattenbeitrag in der Bundestagssitzung am 25. März 2010

(Auszug, der sich direkt auf Griechenland und die EU bezieht)

(...) Jetzt komme ich zu Griechenland und damit auch zur Eurozone. Ich kann mich ja noch daran erinnern Herr Bundestagspräsident, das wollte ich Ihnen auch gerne einmal erzählen , dass wir hier saßen und Schilder hatten damals flogen wir aber noch nicht raus , auf denen „Euro so nicht“ stand. „Euro so nicht“ war eine kluge Formulierung; wir haben nämlich nicht „Euro nein“ gesagt, sondern wir haben gesagt: erst die politischen und ökonomischen Voraussetzungen schaffen und dann den Euro einführen. - Aber alle anderen waren ja schlauer, und jetzt haben wir mit Griechenland genau das Beispiel, dass es so nicht geht und dass es nicht ordentlich vereinbart war.

Ich habe ja nichts dagegen, dass Sie zu Recht darauf hinweisen, dass die griechische Regierung eine Mitverantwortung trägt und dass sie in diesem Umfange selbstverständlich auch verantwortlich gemacht werden muss. Aber jetzt sage ich Ihnen: Die wirklichen Gewinner der Krise um Griechenland sind wieder die Spekulanten.

(Beifall bei der LINKEN)

Hierzu würde ich gern erklären das muss man auch einmal den Leuten erklären , was es mit einer Kreditausfallversicherung auf sich hat. Es gibt Leute, die einen Kredit gewähren und sich dann für den Fall versichern, dass sie den Kredit nicht zurückgezahlt bekommen; dann bekommen sie etwas von der Versicherung. Dies finde ich ja noch nachvollziehbar. Dann gibt es aber noch eine zweite Gruppe dass muss man auch erklären , die Folgendes macht: Die geben gar keinen Kredit, sondern schließen mit der Versicherung eine Wette dergestalt ab, dass sie sagen: Ich glaubte, der Kredit wird nicht zurückgezahlt. - Wenn sie mit ihrem Wettangebot recht haben, bekommen sie dafür Geld. Das ist die absurdeste Spekulation, die man sich vorstellen kann: ohne jede Wirtschaftsleistung, nichts steckt dahinter.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dies wird jetzt forciert. Das wäre so, als könnte ein Brandstifter bei einer Versicherung eine Wette abschließen, die besagt: Das Haus wird in Kürze brennen. Dann zündet er es selber an und kriegt dafür 1 Million. Sagen Sie mal, wo leben wir denn hier eigentlich?

(Beifall bei der LINKEN -Volker Kauder (CDU/CSU): Aber der geht in den Knast, Gysi! Der geht in den Knast dafür!)

Wenn wir Glück haben, kriegt er neben dem Geld auch noch Knast; aber da müssen wir schon sehr viel Glück haben. Herr Kauder, nehmen Sie dazu doch einmal Stellung.

Leerverkäufe sind nichts anderes als eine Wette. Ich sage: „Die Kurse fallen oder die Kurse steigen“, und dann bekomme ich Geld, wenn ich recht hatte. Sie hatten die Leerverkäufe verboten. Warum, Herr Schäuble, haben Sie sie denn wieder erlaubt? Das war doch vernünftig. Jetzt haben Sie angekündigt, sie wieder zu verbieten. Ja, wann denn? Machen Sie es doch endlich mal! Wir müssen raus aus der Spekulation, wenn wir aus den Krisen raus wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie könnte man Griechenland helfen? Sie verweigern sich ja der Hilfe für Griechenland, was ich für völlig falsch halte, weil es auch Europa und uns mit nach unten zieht. Es gibt folgenden Weg: Wir müssen Griechenland zinsgünstige Darlehen der EU anbieten. Machten wir dies, wäre der Weg für die Spekulanten schon versperrt, weil dann deren hohe Zinsen nicht mehr aufgehen würden. Dann müsste man einen Teil dieser Kredite auch gar nicht mehr geben, weil die Spekulation beendet ist. Soweit man Kredite gibt, bekommt man das Geld mit Zinsen wieder zurück. Was soll denn daran eine Katastrophe sein? Warum fällt es Ihnen so schwer, diesen Weg zu gehen, um so schnell wie möglich aus dieser spezifischen Krise herauszukommen? (...)

Quelle: Beide Stellungnahmen sind den jeweiligen Websites der Fraktionen entnommen; www.spdfraktion.de; www.linksfraktion.de




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