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Chaos in Griechenland

Immer neue Kürzungen. Proteste in Athen. Papandreou in Berlin *

Am zweiten Tag in Folge hat ein Streik im öffentlichen Nahverkehr die griechische Hauptstadt Athen am Dienstag (27. Sept.) weitgehend lahmgelegt. Die Arbeitsniederlegung von U-Bahn- und Busangestellten führte zu riesigen Verkehrsstaus. Für den Nachmittag waren zudem Demonstrationen der Finanz- und Zollbeamten sowie Proteste von Polizisten und eine Kundgebung gegen die Einführung einer Immobiliensteuer angekündigt.

Die Streiks und Proteste sind für die Athener ein Vorgeschmack auf eine Totalblockade der öffentlichen Verkehrsmittel am heutigen Mittwoch (28. Sept.). Auch die Taxifahrer wollen dann für 48 Stunden ihre Arbeit niederlegen. Während sich die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes über Gehaltskürzungen und Entlassungen empören, protestieren die Taxifahrer gegen die Öffnung ihrer Branche für mehr Konkurrenz.

Bei einem Berlinbesuch hat Griechenlands Ministerpräsident Giorgos Papandreou unterdessen seine Entschlossenheit bekräftigt, die Einsparungsanstrengungen weiter zu verschärfen. Die »anhaltende Kritik« an seinem Land sei allerdings »zutiefst frustrierend«, sagte er am Dienstag (26. Sept.) bei einer Konferenz des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Der Staat unternehme »übermenschliche Anstrengungen«, um seine Schulden zu verringern, sagte Papandreou. Er könne »garantieren, daß Griechenland alle seine Zusagen einhalten wird«.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte Griechenland weitere Hilfe zu. Das Land müsse wieder das Vertrauen der Märkte gewinnen. »Was immer Deutschland an Hilfestellung leisten kann, das werden wir leisten«, sagte Merkel beim BDI und zollte Papandreou »absoluten Respekt« für seine Reformen. Die Schuldenkrise sei im übrigen keine »Krise des Euro«.

Am Dienstag (27. Sept.) wollte das griechische Parlament zusätzlich zu den bisherigen Belastungen eine Immobiliensteuer beschließen. Dafür müssen die Griechen zwischen 0,50 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche in ärmeren Wohngebieten und zehn Euro in den vornehmsten Stadtvierteln zahlen. Durchschnittlich soll die Abgabe nach Angaben des Finanzministeriums die Bürger vier Euro pro Quadratmeter kosten.

Nach den in der vergangenen Woche beschlossenen Maßnahmen sollen Renten von mehr als 1200 Euro pro Monat um 20 Prozent gekürzt werden. Ruheständler, die jünger sind als 55 Jahre, müssen sich auf Kürzungen von 40 Prozent einstellen, wenn sie mehr als 1000 Euro erhalten. Die Steuerfreiheit für Einkommen wird von 8000 Euro auf 5000 Euro pro Jahr gesenkt.

Des weiteren werden 30000 statt wie bisher geplant 20000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst mit 60 Prozent ihres Grundeinkommens beurlaubt werden. Nach einem Jahr Beurlaubung können die Betroffenen entweder versetzt oder entlassen werden – trotz einer lebenslangen Arbeitsplatzgarantie in ihren Verträgen. Zudem werden die geplanten Privatisierungen rascher als bisher vorgesehen umgesetzt.

* Aus: junge Welt, 28. September 2011


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