Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Griechenland beugt sich

Sparprogramm akzeptiert *

Der Druck der Eurozone auf die Regierungsparteien in Griechenland hat Wirkung gezeigt: Neben dem früheren Ministerpräsidenten und Sozialistenchef, Giorgos Papandreou, verpflichtete sich auch der Chef der konservativen Partei Nea Dimokratia, Antonis Samaras, zum auferlegten Sparkurs, wie am Mittwoch aus Parteikreisen in Athen verlautete. Der Ton zwischen Griechenland und den anderen Euroländern verschärfte sich vor einer Telefonkonferenz der Euro-Finanzminister.

Damit die Euroländer ein zweites Hilfspaket mit Zahlungen in Höhe von 130 Milliarden Euro beschließen, muss die Athener Regierung nun noch weitere Einsparungen in Höhe von 325 Millionen in diesem Jahr benennen.

* Aus: neues deutschland, 16. Februar 2012


Banditendeal

Griechenland: Politik einig mit Industrie

Von Arnold Schölzel **


Dem deutschen Kapital reicht es. Bosch-Chef Franz Fehrenbach, einer seiner wichtigeren Sprecher, fordert den Rauswurf Griechenlands nebst anderer wirtschaftlich schwacher Staaten aus der Euro-Zone und gleich noch aus der EU insgesamt. Griechenland sei mit »Phantomrentnern und reichen Nichtsteuerzahlern ein Staat ohne funktionierende Verwaltung« und habe in der Union nichts zu suchen, sagte er dem Manager-Magazin. Für den Austritt könne es Hilfen geben. Laut einer Umfrage der Zeitschrift unter 300 deutschen »Entscheidern« plädieren 57 Prozent dafür, in Griechenland die Drachme wieder einzuführen.

Die hetzerische Rhetorik des Managers besagt, daß die Krise weit vorangeschritten ist. Ausdrucksweise und Forderungen repräsentieren jenes reaktionäre Bündnis von Mob und Monopolen, das im 20. Jahrhundert in Deutschland als vermeintlicher Ausweg aus Krisen u.a. politische Grundlage zweier Weltkriege wurde. Einige Herrschaften wollen wieder einmal ein Ende mit Schrecken.

Die Diktion des leitenden politischen Personals ist in Zeiten, da neuere Kolonialkriege wegen weit verbreiteten Mißmuts »humanitäre Interventionen« heißen müssen, nicht so deutlich, aber hinreichend klar: Am Mittwoch kam vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die »Anregung«, Athen könne doch die für April vorgesehenen Wahlen um ein Jahr verschieben. Das Land müsse ebenso wie Portugal und Irland garantieren, daß seine Zusagen auch nach einer Volksabstimmung gültig bleiben. Mit anderen Worten: Die »Wahl« könnte genauso gut ausfallen. Amtsvorgänger Peer Steinbrück (SPD) ließ sich aus Washington vernehmen, er hätte als Finanzminister schon vor einem halben Jahr einen Plan B für Griechenland ausarbeiten lassen. Denn: »Ich wäre gerne vorbereitet für den Fall einer griechischen Pleite.« Die Verwertungsbedingungen fürs Kapital, in der EU also vornehmlich fürs deutsche, müssen einigermaßen vorhersehbar bleiben. Schäuble und Steinbrück neigen zum Schrecken mit längerem Ende.

Für die griechische Bevölkerung bedeuten die Nuancen: Sie interessiert in beiden Fällen nicht. Allgemein gesagt: Parlamentarische Demokratie ist eine Schönwetterveranstaltung. Sie kann per »Anregung«, Plan B oder Rauswurf aus der EU außer Kraft gesetzt werden. Für die in Athen herrschende Kaste heißt das, im Poker für die eigenen Pfründe noch eine Schippe drauflegen, also noch mehr als bisher mit der Entfachung eines EU-weiten Flächenbrandes drohen. Offen ist, über welches Maß der Ausplünderung Griechenlands sich in- und ausländische Banditen letztlich einigen. Offen ist vor allem aber, ob die, die den Deal mit Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit und Hunger bezahlen sollen, dazu bereit sind. Besorgt meldet der Tagesspiegel, »Griechenlands stalinistische Kommunistische Partei, die in den Meinungsumfragen stark zulegt«, rufe die Bürger bereits offen zur Revolte auf.

** Aus: junge Welt, 16. Februar 2012

Proteste gegen Troika in Frankfurt

Für Solidarität mit den sozialen Bewegungen in Griechenland haben am Mittwochabend vor der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main 200 Personen demonstriert. Vertreter der Occupy-Bewegung, von Attac sowie anderer Bewegungen und Bündnisse wandten sich gegen das »Krisenkommando der Troika-Mächte« und warben für die Teilnahme an einer europäischen Aktionskonferenz in der kommenden Woche in Frankfurt. Alexis Passadakis vom Attac-Rat warf der Bundesregierung vor, eine Machtverschiebung zugunsten Deutschlands sowie Frankreichs als Juniorpartner zu betreiben. Dies führe zu zu einer aggressiven Politik gegen Gewerkschaften.

(nd, 16.02.2012)



Dokumentiert: Aufruf von Mikis Theodorakis

Mikis Theodorakis, der berühmte griechische Komponist von Zorbas Dance und Manolis Glezos, Kriegsveteran und Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Besatzung, haben eine Erklärung verfasst mit der Forderung nach einer europäischen Einheitsfront.
Wir bitten um Unterzeichnung dieses Aufrufs zur Solidarität mit den Menschen in Griechenland unterstützt durch Gewerkschaftsführer, Parlamentarier und Aktivisten.


Aufruf zur Solidarität mit den Menschen in Griechenland

Die Menschen in Griechenland sind mit einer beispiellosen wirtschaftlichen und politischen Krise konfrontiert. Sie werden in Armut und Massenarbeitslosigkeit getrieben durch die Forderungen der so genannten 'Troika' - der Europäischen Union, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Sie haben Lucas Papademos als Premierminister eingesetzt, vormals Vize-Präsident der Europäischen Zentralbank.

Krankenhäuser in Griechenland gehen lebenswichtige Medikamente aus, fast die Hälfte aller Jugendlichen sind arbeitslos, Arbeitnehmer einiger Branchen sind seit Monaten nicht bezahlt worden und viele sind auf Suppenküchen angewiesen oder müssen im Müll nach Lebensmitteln suchen.

Nun fordert die Troika eine Kürzung des Mindestlohns um 23%, die Entlassung von Zehntausenden von Beschäftigten des öffentlichen Sektors und die Dezimierung der Renten, die bereits jetzt fast 50% ihres Wertes verloren haben. Das internationale Kapital frisst ein ganzes Land auf und zerreißt sein soziales Gefüge.

Griechenland steht exemplarisch für die Sparmaßnahmen, die europaweit eingeführt werden sollen. Alles weist darauf hin, dass, während diese Maßnahmen die Interessen der Reichen schützen mögen, sie gleichzeitig die Lebensverhältnisse für die Mehrheit der Bevölkerung nur weiter verschlimmern werden. Was heute in Griechenland passiert werden wir morgen in Portugal und danach in Irland erleben. In Großbritannien wird die Koalitionsregierung ähnliche Maßnahmen verfolgen, welches Lohnkürzungen für die Arbeiter bedeuten wird, längere Arbeitszeiten für eine kleinere Rente und den Abbau des öffentlichen Gesundheitssystems zusammen mit anderen öffentlichen Dienstleistungen.

Mikis Theodorakis, der berühmte griechische Komponist von Zorbas Dance und Manolis Glezos, Kriegsveteran und Widerstandskämpfer gegen die Nazi-Besatzung, haben eine Erklärung verfasst mit der Forderung nach einer europäischen Einheitsfront. Für die Menschen in Griechenland und all diejenigen, die sich mit diesen Sparprogrammen konfrontiert sehen.

Die 'Coalition of Resistance' und die 'People’s Charter' haben beschlossen, diesen Aufruf zu unterstützen und haben sich bereit erklärt, mit Gewerkschaften, Kampagnen und Parteien in ganz Europa zusammenarbeiten, um eine europäische Solidaritäts-Kampagne aufzubauen, um die Menschen in Griechenland zu verteidigen. Die Kampagne zielt darauf ab, Solidarität zu organisieren und praktische Unterstützung für die Menschen in Griechenland zu leisten. Diese Menschen können nicht verantwortlich gemacht werden für eine Krise zu zahlen, die sie nicht verursacht haben.

Wir schreiben Ihnen, um Sie zu bitten, diese Kampagne zu unterstützen und sie an andere weiterzuleiten und zu veröffentlichen.

Anschliessend eine Liste der Erstunterzeichner. Wir werden zu einem Organisationstreffen für die Kampagne in der nächsten Woche aufrufen.
  • Andrew Burgin – Secretary, Coalition of Resistance
  • Tony Benn – President, Coalition of Resistance
  • John Hendy – Co-Chair, People’s Charter
  • Len McCluskey – General Secretary, UNITE
  • Mark Serwotka – General Secretary, PCS
  • Christine Blower, General Secretary NUT
  • Bob Crow – General Secretary, RMT
  • Billy Hayes – General Secretary, CWU
  • Michelle Stanistreet – General Secretary, NUJ
  • Manuel Cortes – General Secretary, TSSA
  • Sally Hunt, General Secretary UCU
  • Matt Wrack – General Secretary, FBU
  • Jeremy Corbyn MP
  • Caroline Lucas MP
  • John McDonnell MP
  • Tariq Ali, Writer
  • Romayne Phoenix – Chair Coalition of Resistance
  • Imran Khan – Co Chair People’s Charter
  • Frank Cooper – President National Pensioners Convention [pc]
  • Owen Jones
  • Lee Jasper – BARAC
  • Paul Mackney – Vice-Chair, Coalition of Resistance (former GS NATFHE/UCU)
  • Ann Pettifor, New Economics Foundation
  • James Meadway – Senior Economist, New Economics Foundation
  • Kate Hudson
  • Lindsey German
  • Rachel Newton – Convenor People’s Charter
  • Sean Rilla Razka – President elect ULU
  • Pete Murry Green Party Trade Union Group
  • Peter Allen Convenor Green Left
  • Patrick Sikorski RMT
  • Chris Bambery
  • Clare Solomon – co-editor Springtime: The New Student Rebellions
  • Cherry Sewell – Coalition of Resistance
  • Cat Boyd Chair Coalition of Resistance Glasgow
  • Aaron Kiely, NUS National Executive
  • Fiona Edwards, Student Broad Left
  • John Rees, Counterfire
  • Fred Leplat, Socialist Resistance
  • International Socialist Group, Scotland
  • Joseph Healy, Queers Against the Cuts
  • Heinrich Buecker, Berlin gegen Krieg, (Anti-War Cafe Berlin)
  • Martin Mayer, UNITE Executive Council member for Passenger Transport
  • Dr Jack Czauderna, (retired GP)
  • Dr Maureen O’Leary, (retired Consultant Psychiatrist)
und über 1000 weitere Unterzeichner.


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