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Absolute Mehrheit für Mahama

Ghanas Präsident von der Wahlkommission zum Sieger erklärt / Opposition bestreitet Niederlage *

Ghanas amtierender Präsident John Dramani Mahama hat die Präsidentschaftswahl in dem westafrikanischen Land gewonnen und zur Respektierung des knappen Ergebnisses aufgerufen. »Ich fordere alle Anführer der politischen Parteien auf, die Stimme des Volkes anzuerkennen«, sagte der 54-Jährige am Sonntagabend.

Nach dem Wahlsieg von Präsident John Dramani Mahama hat die Opposition im westafrikanischen Ghana Wahlmanipulationen beklagt und eine Überprüfung der Ergebnisse gefordert. Nach Angaben der Wahlkommission holte der Chef des National-Demokratischen Kongresses bei der Präsidentschaftswahl am Wochenende 50,7 Prozent der Stimmen. Sein Hauptkontrahent Nana Akufo-Addo von der Neuen Patriotischen Partei (NPP) unterlag demnach mit 47,7 Prozent. Wegen der absoluten Mehrheit Mahamas ist eine Stichwahl nicht nötig. NPP-Politiker bestritten das Wahlergebnis und sprachen von Wahlbetrug. Er habe »glaubwürdige Belege», dass die Regierungspartei NDC mit Wahlbeauftragten Fälschungen abgesprochen habe, sagte der NPP-Vorsitzende Jake Obetsebi Lampte am Montag der lokalen Radiostation »Joy FM«. Zahlreiche Stimmen seien falsch ausgewertet worden. Die Partei fordere deshalb eine Überprüfung der Wahlergebnisse.

Internationale und nationale Wahlbeobachter werteten den Urnengang zunächst als rechtmäßig und korrekt. »Die allgemeinen Wahlen haben weitgehend in Übereinstimmung mit den Wahlgesetzen Ghanas stattgefunden«, heißt es in einer ersten Stellungnahme des Dachverbands Codeo, in dem 40 Organisationen zur Wahlbeobachtung vereinigt sind.

Ghana gilt als ein demokratischer Musterstaat Afrikas, in dem es schon mehrfach friedliche Machtwechsel gab. Mahama hatte erst im Juli das Amt übernommen, nachdem der damalige Präsident John Atta Mills gestorben war. Der ehemalige Außenminister Akufo-Addo hatte bei der Stichwahl 2008 nur knapp gegen Mills verloren.

Pannen hatten zu einer Verlängerung der Wahl von Freitag bis Sonnabend geführt. Nachdem in vielen Wahllokalen technische Probleme oder fehlende Wahlunterlagen eine Abstimmung verhindert hatten, entschied sich die Wahlkommission zur Fortsetzung der Wahl. Vielerorts funktionierten die biometrischen Systeme nicht. Über 74 Prozent der etwa 14 Millionen Berechtigten hatten dem Wahlamt zufolge abgestimmt.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. Dezember 2012


Zweimal Ghana – Wahlkampf und Realität

Präsident bleibt im Amt und will mit Öleinnahmen Arbeit schaffen

Von Christian Selz, Kapstadt **

Ghanas neuer Präsident ist der alte. Wie bereits sein Vorgänger John Atta Mills 2008 behauptete sich auch John Dramani Mahama vom regierenden National Democratic Congress (NDC) mit 50,7 Prozent der Stimmen und einem hauchdünnen Vorsprung vor Oppositionsführer Nana Akufo-Addo. Das verkündete die Wahlkommission des westafrikanischen Landes am Sonntag abend. Mahama hatte das Präsidentenamt im Juli nach Mills’ plötzlichem Tod übernommen. Beobachter der Westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS bezeichneten die Wahlen als frei und fair, auch wenn Akufo-Addos New Patriotic Party (NPP) sofort nach der Ergebnisverkündung Betrugsvorwürfe erhob. Bei einem kleineren Zwischenfall zogen NPP-Anhänger vor das Hauptquartier der Wahlkommission, wo sie von der Polizei mit Tränengas auseinander getrieben wurden, ansonsten blieb es ruhig im Land.

Die Wahlen in Ghana galten auch für die Region als wichtiger Gradmesser. Daran änderten Probleme mit digitalen Fingerabdruck-Lesegeräten wenig, die den ursprünglich nur für Freitag angesetzten Urnengang in etlichen Wahllokalen auf den Sonnabend ausdehnten. Im Gesamtbild sind das Kleinigkeiten. Mit nun sechs transparenten Abstimmungen in Folge und mehreren friedlichen Regierungswechseln seit 1992 gilt das Land als demokratisches Vorbild im immer wieder von Krisen heimgesuchten Westafrika. Erst 2010 hatte nach Wahlen – und erheblichem französischen Einfluß – ein Bürgerkrieg den Nachbarn Côte d’Ivoire erschüttert. Ghana gilt dagegen als Fels der Stabilität, bezahlt sein international hohes Ansehen aber zumindest teilweise mit äußerer Einmischung. 2004 unterwarf sich das Land dem Entschuldungsprogramm der Weltbank, öffnete seine Märkte und erließ in der Folge einschneidende Sparprogramme, über deren Auswirkungen auch glänzende Entwicklungszahlen nicht hinwegtäuschen können. Sein zuletzt zweistelliges Wirtschaftswachstum verdankt der kleine Küstenstaat neben der zweitgrößten Goldförderung Afrikas – nahezu vollständig in der Hand internationaler Konzerne – der Entdeckung von Ölreserven. Zu deren verstärktem Abbau hilft Ghana vor allem ein 2,3-Milliarden-Euro-Kredit aus China, den die Regierung mit konstanten, billigen Öllieferungen und wirtschaftlichen Zugeständnissen wie niedrigen Importzöllen bedient.

Daß das schwarze Gold Ghana verändert hat, zeigte sich im Wahlkampf deutlich. Als »der Mann, dem man Ghanas Geld anvertrauen kann«, hatte sich der mit 47,7 Prozent knapp unterlegene Akufo-Addo allen Ernstes auf Plakaten verkauft, während sich Amtsinhaber Mahama als »vertrauenswürdig, entschlossen und aktionsgesteuert« beschrieb. Die Abstimmung geriet zur Auseinandersetzung um Einfluß und Macht über den Aufschwung – umso wertvoller ist ihr friedlicher Ausgang. Inhaltlich drehte sich der Wahlkampf hauptsächlich um die Verteilung des erwarteten Ölreichtums. Akufo-Addo versprach kostenlose Schulbildung, Mahama Arbeitsplätze und Fördermaßnahmen für Kleinunternehmer. Experten sprechen dennoch von einer durch regionale Loyalitäten und ethnische Zugehörigkeit gelenkten Abstimmung, zumal wirkliche programmatische Unterschiede kaum auszumachen sind.

Die Realität für das Gros der 25 Millionen Ghanaer sieht ohnehin ganz anders aus. Auch wenn sich unterschwellige Ängste, der Ölreichtum könnte das Land ähnlich zerreißen wie die nahe gelegene Regionalmacht Nigeria, bislang nicht bewahrheiten: Bei der Verteilung der Einnahmen aus Ölverkauf hapert es auch in Ghana. Die Branche schafft nur wenige gutbezahlte Arbeitsplätze, während 27 Prozent der Bevölkerung unter der absoluten Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar (97 Euro-Cent) leben. Sollte Mahama jedoch sein Versprechen halten und in der Landwirtschaft, wo über die Hälfte der Ghanaer arbeiten, Kleininitiativen mit dem Ölgeld unterstützen, könnte sich für manchen vielleicht tatsächlich etwas zum Besseren wenden.

** Aus: junge Welt, Dienstag, 11. Dezember 2012


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