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Atta Mills siegte in Ghana knapp

Offizielles Ergebnis der Präsidentschaftswahl *

Accra (epd/ND). Knapp eine Woche nach der Präsidentschaftswahl in Ghana ist der Oppositionskandidat John Atta Mills mit einem Ergebnis von 50,23 Prozent offiziell zum Sieger der Stichwahl vom 28. Dezember erklärt worden. Der Politiker rief seinen Konkurrenten Nana Akufo- Addo von der bislang regierenden Neuen Patriotischen Partei (NPP) zur Zusammenarbeit auf. Die NPP kündigte an, gegen das Ergebnis zu klagen. Die Wahl in dem westafrikanischen Land war laut Beobachtern insgesamt fair und friedlich verlaufen.

Wahlsieger Atta Mills von der Nationalen Demokratischen Kongresspartei (NDC) rief seine Landsleute auf, jetzt zusammenzustehen. »Die Wahl ist vorbei, es gibt kein Ghana der Parteien mehr, es gibt nur ein Ghana.« Er dankte seinem Vorgänger John Kufuor, der zuletzt dazu aufgerufen hatte, das verkündete Ergebnis zu akzeptieren, um eine Verfassungskrise zu vermeiden. Kufuors Amtszeit läuft am 7. Januar aus. Keine der beiden großen Parteien hat eine klare Mehrheit im neuen Parlament.

Das Ergebnis ist das knappste in der mehr als 50-jährigen Geschichte Ghanas. Der Vorsprung Atta Mills von nur wenigen zehntausend der insgesamt neun Millionen möglichen Stimmen war nach der Stichwahl so gering, dass die Wahlkommission eine wegen Formfehlern nötige Nachwahl in einem kleinen ländlichen Wahlkreis abgewartet hatten. In Tain im Nordwesten Ghanas stimmten am Freitag über 19 500 Wähler für Atta Mills und nur rund 2000 für Akufo-Addo.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Januar 2009


John Atta Mills/ Der 64-Jährige ist neuer Präsident in Ghana

Von Peter Kollewe *

»Ich versichere den Ghanaern, dass ich ein Präsident für alle sein werde.« John Atta Mills versprach dies seinen Landsleuten am Sonnabend vor dem Sitz seiner Partei, dem Nationalen Demokratischen Kongress (NDC), in Ghanas Hauptstadt Accra. Und, er wolle mit dem unterlegenen Kandidaten von der bislang regierenden Neuen Patriotischen Partei (NPP), Nana Akufo-Addo, zusammenarbeiten.

50,23 Prozent der Stimmen entfielen nach der Stichwahl vom 28. Dezember auf Atta Mills, der am 7. Januar das höchste Staatsamt übernehmen soll. John Koufor, seit 2001 Präsident, durfte nach zwei Amtsperioden nicht wieder kandidieren. Ihm war Atta Mills bei zwei Wahlen unterlegen.

So knapp wie diesmal ging es seit 50 Jahren nicht mehr zu: Rund 40 000 Stimmen trennten Sieger und Verlierer. Die Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses hatte sich verzögert, weil in der abgelegenen Region Tain die Stichwahl wiederholt werden musste. Die NPP, die ihre Mehrheit bereits in der ersten Runde am 7. Dezember eingebüßt hatte, boykottierte den Urnengang in Tain wegen Sicherheitsbedenken. Auch der Versuch der Partei, die Nachwahlen per einstweiliger Verfügung zu verhindern, blieb erfolglos. Wahlkommissionsleiter Kwado Afari-Gyan erklärte, es gebe keinen Anlass dafür, die Ergebnisse infrage zu stellen. Die Stichwahl war notwendig geworden, weil beim ersten Urnengang keiner der beiden Kontrahenten die notwendige absolute Mehrheit erreichen konnte.

Der Professor und Fußballfunktionär John Atta Mills, am 21. Juli 1944 in westlichen Tarkwa geboren, hat Rechtswissenschaften studiert, an der University of London den Doktortitel in Orientalistik und Afrikanistik erhalten und war Dozent an der University of Ghana. Sein »Mentor« Jerry Rawlings, zuletzt von 1981 bis 2001 Präsident, hatte Atta Mills 1997 zu seinem Vize gemacht. Und der sieht sich als Anhänger und Verfechter der Ideen des ersten Präsidenten Ghanas, Kwame Nkrumah, und als afrikanischen Sozialisten.

Leicht wird es Atta Mills, der Sozialprogramme versprochen hatte, nicht haben. Neben einer gestärkten Wirtschaft stehen zunehmende Armut und eine leere Staatskasse. Und weder seine Partei noch die Opposition hat eine Mehrheit im Parlament.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Januar 2009

Positivbeispiel Ghana

Von Martin Ling **

Ghana hat seit gestern (7. Jan.) einen neuen Präsidenten: John Agyekum Kufuor übergab John Evans Atta Mills die Macht. Das hört sich unspektakulärer an, als es ist. Zum ersten Mal hat ein afrikanisches Land eine zweite friedliche Machtübergabe von einer demokratischen Partei zu einer anderen vollzogen. Obwohl der Kandidat der Regierungspartei um gerade mal 40 000 Stimmen verlor und trotz Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen, akzeptierte die Neue Patriotische Partei das Ergebnis der Wahlkommission und den Machtverlust. In Afrika alles andere als selbstverständlich. Das zeigte das einst als Musterland der Demokratie Ostafrikas gehandelte Kenia exakt vor einem Jahr: Über 1300 Menschen starben bei politischen Unruhen, weil der Präsident Mwai Kibaki sich entgegen dem mutmaßlichen Wahlergebnis einfach wieder zum Präsidenten erklärte.

In Ghana hat kurioserweise ein Ex-Militärdiktator das Fundament für die nun für afrikanische Verhältnisse vorbildliche Demokratie gelegt: Jerry-John Rawlings, der 2001 nach fast 20 Jahren -- davon acht demokratisch legitimiert -- anstandslos seine Macht an den Oppositionsführer John Agyekum Kufuor abgab -- als erster gewählter Ex-Militärchef in Afrika überhaupt.

Kofi Annan sah in Ghana den Beleg dafür, dass Demokratie und die entsprechenden Institutionen in Afrika Fuß gefasst hätten. Das war damals optimistisch und ist es heute immer noch -- allein ein Blick über Ghanas Grenzen nach Burkina Faso, Togo oder Côte D'Ivoire zeigt, welche Ausnahme die einstige Goldküste darstellt. Eine Ausnahme freilich, die beweist, dass demokratische Verhältnisse in Afrika möglich sind.

* Neues Deutschland, 8. Januar 2009 (Kommentar)




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