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Ghana im Ölfieber

Regierung plädiert für norwegisches Modell / Transparency skeptisch

Von Thomas Nitz *

Für nicht wenige Staaten Afrikas wurde der Ressourcenreichtum bisher zum Ressourcenfluch. Ghana will die überraschenden Ölfunde dagegen strategisch zur Armutsbekämfpung nutzen. Die Bevölkerung ist skeptisch.

Die Euphorie war grenzenlos, als vergangenes Jahr im Juni vor Ghanas Küste Öl gefunden wurde. »Mit dieser Injektion Öl in den Arm werden wir fliegen«, verkündete Ghanas Präsident John Kufuor. Von nationalem Reichtum, von Ghana als »afrikanischem Tiger« war die Rede. Nach Meinung von Experten des britischen Öl und Gas-Explorers Tullow belaufen sich die Reserven 65 Kilometer vor der ghanaischen Küste auf 600 Millionen Barrel. Optimisten schätzen die Ölvorräte sogar als doppelt so hoch ein. Sollten sich die Prognosen bewahrheiten, darf das westafrikanische Land mit Mehreinnahmen von über eine Milliarde Dollar jährlich rechnen. Das entspricht etwa der Entwicklungshilfe, die Ghana derzeit von Geberstaaten und multilateralen Institutionen zusammen erhält.

Gebremst wurde die Euphorie durch den renommierten britischen Ökonomen Paul Collier, der die Frage an die Verantwortlichen in Accra richtete, ob das Öl nun auch das »Musterland« Ghana korrumpieren werde. Schon all zu oft in der Geschichte des Kontinents hat sich die Erschließung ergiebiger Rohstoffvorkommen als Fluch erwiesen.

Vor allem Nigeria gilt den Menschen in Ghana als abschreckendes Bespiel. Trotz der Milliarden aus dem Ölgeschäft, leben zwei Drittel der 140 Millionen Nigerianer von weniger als einem Dollar am Tag. Die von der Regierung eingesetzte Kommission zur Bekämpfung von Wirtschafts- und Finanzverbrechen hat ermittelt, dass Nigeria durch Korruption und Selbstbedienung seiner Eliten in den letzten 40 Jahren 400 Milliarden US-Dollar verloren gingen.

Aber auch die anderen großen Ölproduzenten südlich der Sahara geben wenig Anlass zu Optimismus. In Angola, Gabun und Äquatorialguinea haben sich aufgrund des Ölreichtums Gesellschaften herausgebildet, die wirtschaftlich so ungleich sind wie sonst nirgendwo auf der Welt.

In Ghana soll genau das vermieden werden. Man habe die Chance, aus den Erfahrungen und dem Scheitern der anderen zu lernen, heißt es aus Regierungskreisen. Für Präsident Kufour besitzt die Ölwirtschaft und die Frage, wohin die zu erwartenden Ölmilliarden fließen sollen, höchste Priorität. Die Regierung in Accra erarbeitet derzeit einen entsprechenden Entwicklungsplan. Kufuors Blick richtet sich dabei nach Norwegen. Dort fließen sämtliche Einnahmen aus dem Ölgeschäft in einen staatlichen Petroleumfonds. Das Geld aus diesem Fonds wird in Aktien und Anleihen auf den internationalen Kapitalmärkten angelegt. Die Gewinne daraus stehen dann dem Staatshaushalt zur Verfügung. Ghanas Minister für Finanzen und Wirtschaftsplanung, Kwadwo Baah Wiredu, hat ergänzend die Schaffung eines Stabilisierungsfonds angeregt, um Effekten wie der »Holländische Krankheit« oder Schwankungen des Ölpreises vorzubeugen. Mit der »Holländischen Krankheit« wird die Preisverzerrung innerhalb einer Volkswirtschaft durch den überragenden Einfluss eines Produktes bezeichnet. In den Niederlanden führte die Erschließung von großen Erdgasvorkommen in den 60er Jahren zu einer Überbewertung der Währung mit den Folgen steigender Inflation und einer verringerten Wettbewerbsfähigkeit anderer Wirtschaftszweige auf dem Weltmarkt.

Zudem soll in Ghana ein Kontrollsystem einem Schattenhaushalt, wie ihn Transparency Ghana befürchtet, entgegenwirken. Viel Zeit bleibt Präsident Kufuor dafür nicht mehr. Im Dezember wird in Ghana ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Kufuor darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren. Trotz eines soliden Wirtschaftswachstums, beachtlichen Fortschritten bei der Armutsbekämpfung, bei der Förderung von Bildung, dem Ausbau der Infrastruktur und der Reduzierung der Inflation zählt Ghana weltweit noch immer zu den ärmsten Ländern, abhängig von internationalen Gebern. Kufuors Nachfolger steht vor der Herausforderung, die neu entdeckten Ölvorkommen für die Entwicklung des gesamten Landes zu nutzen, damit der »afrikanische Tiger« kein Tiger ohne Zähne bleibt.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juli 2008


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