Nächste Woche wird in Bali über die Klimapolitik der Zukunft verhandelt
Staaten wie Ghana haben dabei kaum etwas zu sagen
Von Marcel Hänggi, Accra *
Am 3. Dezember beginnt in Bali die Klimakonferenz, von der Weichenstellungen für ein Klimaabkommen für die Zeit ab 2013 erhofft werden. Das geltende Kioto-Abkommen läuft Ende 2012 aus. Das westafrikanische Land Ghana wird in Bali mit nur einem Delegierten vertreten sein. Am weltweiten CO2-Ausstoss ist das Land mit einem sehr kleinen Anteil beteiligt. Die GhanaerInnen produzieren pro Kopf und Jahr rund 700 Kilo Treibhausgase, ein Zehntel des Ausstosses der SchweizerInnen - oder ein Achtzehntel, wenn man die Emissionsbilanz der Importe und Exporte mitberechnet. Die Folgen der Klimaveränderung spürt Ghana jedoch schon jetzt. Nach einer langen Trockenphase ist der Wasserstand des Volta-Stausees so tief wie noch nie; das Land erlebte eine schwere Energiekrise. Dann suchten im September heftige Regenfälle die sonst trockene Sahelzone heim. In Nordghana starben zwanzig Menschen in den Fluten, 400 000 verloren ihr Obdach.
«Der Klimawandel wird alle treffen», sagt Erasmus Aborley, der Klimaexperte der Umweltorganisation Friends of the Earth in Ghana. «Aber die Armen trifft er zuerst.» Man sieht es in den Strassen der Hauptstadt Accra: Die Reichen fahren klimatisierte Offroader und merken nichts von der Hitze, die laut Aborley spürbar zugenommen hat; die Armen gehen zu Fuss.
Wer soll bezahlen?
Ghana hat, konzentriert in Accra, gewaltige hausgemachte Umweltprobleme. Die Abwässer der Millionenstadt fliessen in offenen Kanälen, Abfälle werden offen verbrannt, die Autos verpesten die Luft mit sehr viel Russ. Und doch hätte die Welt kein Klimaproblem, lebten alle Menschen auf dem Verbrauchsniveau Ghanas. «Emissionen kennen keine Grenzen», sagt Aborley, «deshalb dürfen wir nicht einfach nichts zur Lösung beitragen, weil wir für das Problem keine Schuld tragen. Aber die Welt muss anerkennen, dass der globale Süden das Recht hat, sich zu entwickeln. Der Norden muss seine Emissionen reduzieren - und zwar bei sich selbst, ohne auf Marktmechanismen auszuweichen.»
Aborley erhofft sich von Bali eine Politik, die die Industriestaaten zu weit strengeren Reduktionen verpflichtet als der Kioto-Vertrag und die - anders als Kioto - auch den Schwellenländern Reduktionen auferlegt. Die Entwicklungsländer schliesslich müssten die Treibhausgase in ihre Entwicklungspfade miteinberechnen, um nicht die Fehler der Industrieländer zu wiederholen. Auf jeden Fall, sagt Aborley, gebe es keine Entwicklung ohne Energiesicherheit. Und diese ist in Ghana nicht mehr gewährleistet, wie die Energiekrise von 2006/07 gezeigt hat. Technisch wäre das ohne fossile Energieträger machbar: «In der Sahara liesse sich aus Sonnenenergie genug Strom für ganz Afrika gewinnen», sagt Aborley. Doch die nötigen Investitionen wären teuer. Wer soll das bezahlen? «Der globale Norden», sagt Aborley, «muss seine historische Verantwortung für den Klimawandel anerkennen.» Im Klartext: Wer das Problem eingebrockt hat und dabei reich geworden ist, soll auch für die Lösung bezahlen.
Nichts vom Transfer
Allerdings ist Gerechtigkeit schwer zu erreichen, wenn schon an den Klimakonferenzen keine Fairness herrscht. Die USA werden über hundert Delegierte nach Bali schicken, die Schweiz immerhin fünfzehn. Ghana wird mit seinem Vertreter gar nicht überall mitreden können, da oft mehrere Arbeitsgruppen gleichzeitig tagen. So steht zu befürchten, dass die Starken die Marktmechanismen - die Möglichkeit, Klimaschutz zu kaufen, statt das Klima selber zu schützen - ausbauen. Schon bisher gibt es unter dem Vertrag von Kioto den sogenannten «Clean Development Mechanism». Damit kann ein Land in einem anderen Klimaschutzprojekte finanzieren und muss dafür selber seine Emissionen weniger stark reduzieren. Solche Projekte werden zumeist auch gleich noch als «Technologietransfer» von den Industriestaaten in die Dritte Welt gelobt. Allerdings beschränken sich die Projekte zumeist auf Schwellenländer, da wirklich arme Staaten wie Ghana gar nicht so viele Treibhausgase freisetzen, dass sich Klimaprojekte lohnen würden.
Aber wäre ein Technologietransfer, wenn er denn auch die wirklich armen Länder erreichte, nicht sinnvoll? «Ja und nein», sagt Aborley. «Es gibt Technologien wie Windkraftanlagen, die haben wir selber nicht.» Andererseits müsse es aber auch darum gehen, die einheimischen Techniken, etwa in der Landwirtschaft, zu stärken. «Die Entwicklungsländer haben ihre eigenen Wege, Dinge zu tun, und sie schützen die Umwelt seit langer Zeit.»
* Aus: Schweizer Wochenzeitung WOZ, 29. November 2007
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