Hilfe durch den heiligen Baum
Sheabutterproduktion holt Frauen in Ghana aus der Armut
Von Sam Olukoya, Sagnarigu *
Der Norden Ghanas ist seit Jahren immer wieder Schauplatz schwerer Dürren. Dennoch haben es
die Frauen von Sagnarigu zu bescheidenem Wohlstand gebracht. Mit der Gründung von
Kooperativen, die Sheabutter erzeugen und vertreiben, haben sie den Kampf gegen die Armut mit
erstaunlichem Erfolg aufgenommen.
Sheabutter wird aus dem Fruchtkern des Shea- oder Karitébaums gewonnen, der im Süden der
Sahelzone endemisch ist. Traditionell dürfen ausschließlich Frauen den heiligen Baum berühren, der
bis zu 15 Meter hoch werden kann und als Symbol des Lebens betrachtet wird. Ȇberall, wo ich
auftauchte, lachten die Leute über mich und nannten mich 'Habiba, der leere Mund'«, erinnert sich
Habiba Alhassan, die in Sagnarigu im Norden Ghanas lebt. »Ich habe mich immer sehr geschämt.
Wenn ich mit auf ein Foto sollte, hielt ich den Mund geschlossen, um nicht so schrecklich
auszusehen.«
Zu arm, um ihre Zähne richten zu lassen, war die 45-Jährige lange Zeit Opfer kleiner
Gehässigkeiten. „Mein Laden, in dem ich Kakaogetränke verkaufte, brachte gerade genug zum
Leben ein. Für neue Schneidezähne hatte ich kein Geld, berichtet Habiba.
Ihre Situation hat sich inzwischen geändert, seit sie Anfang letzten Jahres der Frauenkooperative
'Ideal Woman Shea Butter Producers and Pickers Association' beigetreten ist. In weniger als sechs
Monaten konnte Habiba mehr als 300 US-Dollar für neue Zähne zusammensparen. »Niemand hätte
je gedacht, dass ich das schaffen würde«, sagt sie stolz. Die Kooperative ist das Produkt eines
Armutsbekämpfungsprogramms im Norden Ghanas. Im Hintergrund der Initiative stehen das
Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und die von der japanischen Regierung
vorangebrachte "International Tokyo Conference on African Development" (TICAD), die sich für die
Entwicklung des schwarzen Kontinent einsetzt.
»Ihren wirtschaftlichen Aufstieg hat Habiba der UNDP-TICAD-Initiative zu verdanken«, bestätigt
Adisa Lansah Yakubu, Generaldirektorin von »Africa Network 2000«, eine auch von Deutschland
geförderte Initiative mit Sitz in Uganda. Yakubu weiß, dass die Frauen im ländlichen Norden Ghanas
zu den Ärmsten des westafrikanischen Landes gehören. Die meisten Menschen in der Region sind
Subsistenzbauern und auf die Erträge ihrer kleinen Parzellen angewiesen. Doch in den vergangenen
Jahren häuften sich Dürreperioden, und die Produktivität der Böden ging zurück. Diese Entwicklung
war besonders schlimm für die Frauen. Eine 1998 durchgeführte Evaluierung des Internationalen
Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung kam zu dem Schluss, dass Frauen zwar doppelt so viel
Zeit auf den Feldern verbringen wie Männer und etwa 80 Prozent der anfallenden Arbeit verrichten,
aber vom Landbesitz nahezu ausgeschlossen sind. Deshalb haben sie meist keinen Zugang zu
Krediten. Doch die Frauen in Sagnarigu profitierten von einem entscheidenden Vorteil: Auf ihren
Feldern wächst der Karitébaum. Das Fett in seinen Nüssen, auch Galambutter genannt, ist für sie
bares Geld. Es wird für Seife, Shampoo und andere Kosmetika benutzt und dient auch der
Schokoladenindustrie als Ersatz für Kakaobutter.
Mittlerweile verdienen bereits 600 000 Frauen am Geschäft mit der Sheabutter. Die UNDP-TICADInitiative
sorgt dafür, dass sie ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen können. So gibt es
Trainingszentren für Frauen, die ihnen den Weg weisen, wie sie hochqualitative Produkte
produzieren können. »Die Sheabutter, die wir jetzt herstellen, ist frei von Rückständen. Und sie
riecht wesentlich besser, sie ist einfach sehr rein«, sagt Fulera Yakubu, eine von 200 Frauen, die in
den Trainingszentren geschult wurden.
Aufgrund der Qualitätssteigerung können die Frauen ihre Produkte inzwischen auf internationalen
Märkten anbieten: in Japan, Deutschland, den Vereinigten Staaten, Dänemark oder der Schweiz.
Ein Vorteil für die Frauen von Sagnarigu ist die Arbeit in der Kooperative. »Gemeinsam können wir
mehr Sheabutter herstellen, mehr verkaufen und als Gruppe leichter an Kredite herankommen«,
erklärt Fulera. Sie führt aus, dass sie früher an 100 Kilogramm Sheabutter umgerechnet zwei USDollar
verdiente. Jetzt sind es zehn Dollar. So profitiert nicht nur Habiba von der Unterstützung der
Kooperative. »Früher hatte ich nicht einmal Geld für Kleidung«, erinnert sich Azaru Imoru. »Jetzt
gehen meine Kinder endlich wieder zur Schule, und ich konnte mir sogar ein Fahrrad kaufen«, freut
sie sich.
Vor allem Witwen, die mit dem Tod ihrer Männer Hab und Gut verlieren, geht es dank der
Kooperativen besser. »Das liegt daran, dass sie jetzt Geld haben, um eigene Häuser zu bauen«,
betont Yakubu. »Das Einkommen der Frauen entscheidet über die Gesundheit der ganzen Familie.«
Höhere Einkommen schlagen sich zudem in einer gesünderen und vitaminreicheren Ernährung
nieder. Trotz aller Erfolge werden die Frauen von Sagnarigu ihre Hände nicht in den Schoß legen.
Sie wollen ihre Regierung bitten, den Handel mit Sheabutter stärker zu fördern. Außerdem fordern
sie eine Vermarktungsbehörde für Sheaprodukte. »Dann können wir Forschung betreiben und die
Sheaindustrie noch verkaufsstärker machen.«
IPS
* Aus: Neues Deutschland, 17. Juni 2008
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