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Emanzipiert in der zweiten Reihe

Ghanas Frauen dominieren den Handel, haben in der Politik aber wenig zu sagen

Von Thomas Nitz, Cape Coast *

Ghanas Frauen haben heute doppelt Grund zum Feiern. Das Land ist seit 50 Jahren unabhängig und ein neues Gesetz gegen häusliche Gewalt soll die Unabhängigkeit der Frauen künftig stärken.

»Auch die Henne weiß, wann der Tag anbricht, das Krähen jedoch überlasst sie dem Hahn«, lautet ein populäres ghanaisches Sprichwort. Es spiegelt recht gut die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern in dem westafrikanischen Land wieder. Wirtschaftlich emanzipiert spielt die Frau auf politischer Ebene nur eine Nebenrolle. Noch immer geben in allen Schlüsselbereichen Männer den Ton an, egal ob in der traditionellen oder modernen Gesellschaft. Dabei dominieren Frauen längst Markt und Handel im informellen Sektor. Schätzungsweise 80 Prozent der traditionellen Subsistenzwirtschaft werden von Frauen betrieben. Mit dem Kind auf dem Rücken gehen Frauen meist mehr als einer Beschäftigung nach und tragen oft mehr zum Unterhalt der Familie bei als Männer.

Der starken ökonomischen Verantwortung zum Trotz bleiben die Frauen von der politischen Mitbestimmung in den Gemeinden und Städten jedoch weitestgehend ausgeschlossen. Daran ändert auch nichts, dass sie in der Entwicklungszusammenarbeit von den nördlichen Gebern oft als bevorzugte Partner angesehen werden, da sie in Fürsorge für ihre Kinder oft verantwortungsvoller im Hinblick auf die Zukunft handeln als Männer. Trotzdem bleibt ihnen Landbesitz oder der Zugang zu Investitionskrediten in der Regel verwehrt. Zudem werden ihnen durch Unterschiede in der Rechtsprechung und ungleiche Bildungschancen Steine in den Weg gelegt. In den drei muslimisch geprägten Nordprovinzen leiden Frauen unter zahlreichen sexuellen und sozialen Unterdrückungsmechanismen, die gern mit dem Argument der kulturellen Besonderheit begründet werden. Darunter Vielehen, Brautkauf, Hexenbeschuldigungen, Gattinenmord. Auch in Ghana werden immer noch Mädchen durch Genitalbeschneidung verstümmelt, obwohl Ghana die Charta der universellen Menschenrechte unterzeichnet hat.

Dass in einer offenen Gesellschaft die Frauen gegen solcherlei Zustände aufbegehren, sollte selbstverständlich sein. Was aber, wenn in der Öffentlichkeit für die Tatsache, dass Frauen benachteiligt und unterdrückt werden, kaum ein Bewusstsein vorhanden ist? Wenn Themen wie Gewalt oder sexueller Missbrauch in der Familie tabu sind? Das zu ändern, ist FIDA-Ghana angetreten, ein Ableger der International Federation of Women Lawyers. FIDA prangert Unterschiede in der Rechtsprechung an, klärt Frauen über ihre Rechte auf und vertritt sie vor Gericht. Rückenwind erhält die Nichtregierungsorganisation von der neuen ghanaischen Ministerin für Angelegenheiten von Frauen und Kindern, Hajia Alima Mahama. Die Ministerin konstatiert, dass zwar eine formelle Gleichstellung der Geschlechter seit 1992 per Gesetz garantiert sei, die Realität jedoch anders aussehe. »Noch immer sind Frauen in viel stärkerem Maße von Armut, Analphabetismus und Gewalt betroffen als Männer«, so die Ministerin.

Den Schlüssel, um den Graben zwischen ghanaischem Recht und der tatsächlichen Situation der Frau zu überwinden, sieht Mahama in Aufklärung und Bildung. In Zusammenarbeit mit FIDA und der katholischen Kirche soll über Radio und Fernsehen, über Veranstaltungen in Kirchen und Schulen eine möglichst breite Debatte über die Rolle der Frau in der ghanaischen Gesellschaft in Gang gebracht werden.

Kulturellen Praktiken, die mit den Menschenrechten nicht vereinbar sind, hat die Ministerin den Kampf angesagt. Allerdings ist wohl kaum damit zu rechnen, dass sie in die kulturelle Autonomie der drei muslimisch geprägten Nordprovinzen eingreifen wird. Dort werden Streitigkeiten zwischen Nomaden und Ackerbauern um Ressourcen wie Land und Wasser unter dem Deckmantel ethnischer und religiöser Zugehörigkeit ausgetragen. Mahama wird sich also ganz auf Aufklärung über Medien und Schulen beschränken müssen, um die angespannte Situation nicht zusätzlich anzuheizen.

Als ersten großen Erfolg kann die Ministerin die Verabschiedung des »Domestic Violence Bill« verbuchen, ein Gesetz, das Frauen und Kinder besser vor Gewalt in der Familie schützen und Opfern die Möglichkeit geben soll, sich juristisch zur Wehr zu setzen. »Ich bin sehr glücklich, aber wir haben noch einiges an Strukturen aufzubauen, damit unsere Gesetzgebung auch zu einer tatsächlichen Verringerung von Gewalt in der Familie beiträgt«, so Mahama unmittelbar nach Verabschiedung des Gesetzes Ende Februar. Die Akzeptanz gegenüber Gewalt in der ghanaischen Gesellschaft ist sehr hoch, insbesondere wenn sie vom Ehemann beziehungsweise Vater ausgeübt wird. Über zwei Jahre hat ein ganzes Netzwerk von Organisationen an einem Gesetzentwurf gearbeitet, so dass die »DV-Bill« längst zum Symbol der sich entwickelnden Frauenbewegung in Ghana geworden ist. Unmittelbar nachdem die Ratifizierung des Gesetzes bekannt wurde, haben sich in Accra, Ghanas Hauptstadt, hunderte Männer zu einer Demonstration zusammengefunden, um ihre Solidarität mit den Frauen zum Ausdruck zu bringen. Das macht auf alle Fälle Hoffnung.

* Aus: Neues Deutschland, 6. März 2007


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