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Erwartbares Ergebnis

Regierungsbündnis Georgischer Traum gewinnt Kommunalwahlen in Georgien. Vereinigte Nationalbewegung des alten Saakaschwili-Regimes bleibt aber zweitstärkste Kraft

Von Knut Mellenthin *

Die georgischen Kommunalwahlen am Sonntag endeten erwartungsgemäß mit einem klaren Sieg des regierenden Parteienbündnisses Georgischer Traum (GD). Es hatte im Oktober 2012 die konservative, aggressiv rußlandfeindliche Vereinigte Nationalbewegung (UNM) abgelöst, die von Januar 2004 an eine fast monopolartige Herrschaft über die Kaukasusrepublik ausgeübt hatte.

Seit vorigem Jahr stellt GD auch den georgischen Präsidenten. Das bisherige Staatsoberhaupt, UNM-Chef Michail Saakaschwili, durfte nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal antreten. Der Kandidat der UNM war mit 21,7 Prozent seinem Konkurrenten vom GD unterlegen, der sich mit 62,1 Prozent schon im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit gesichert hatte. Auf dem dritten Platz landete mit 10,2 Prozent die frühere Parlamentspräsidentin Nino Burdschanadse, eine ehemalige Mitstreiterin Saakaschwilis, die aber schon seit Jahren als Oppositionspolitikerin aktiv ist. Das Amt des Präsidenten hatte noch während der Regierungszeit der UNM die außerordentlichen Machtbefugnisse verloren, mit denen es unter Saakaschwili ausgestattet worden war. Entsprechend uninteressant ist es für den Parteienstreit und die Profilierung von Politikern geworden.

Die Kommunalwahl am Sonntag bildete den Abschluß des Machtwechsels von der UNM zum GD. Premier Irakli Garibaschwili hatte sechs Tage vorher auf einer Kundgebung in der Hafenstadt Batumi dazu aufgerufen, die Nationalbewegung »ein für allemal« aus allen Posten in Städten und Gemeinden »hinauszuwerfen«. Nach dieser Wahl werde die UNM »von der politischen Bühne verschwunden sein«. Tatsächlich verloren die Nationalkonservativen so gut wie alle kommunalen Bastionen. Sie sind aber damit noch keineswegs »verschwunden«. In manchen Städten und Gemeinden haben sie sogar besser abgeschnitten als bei der Präsidentenwahl im vorigen Jahr. Diese Tatsache heben sie in ihren Kommentaren ebenso hervor wie den Umstand, daß die Beteiligung mit nur 43,3 Prozent deutlich unter der der vorangegangenen Kommunalwahl lag. Vor vier Jahren hatten noch 49 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Der »starke Rückgang der Wahlbeteiligung« zeige »eine tiefe Krise des öffentlichen Vertrauens« in die derzeitige Regierung, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung der UNM. Die Wahlen seien zudem durch ein »undemokratisches Umfeld ernsthaft beeinträchtigt« gewesen, das durch häufige Gewalttaten gegen die Kandidaten ihrer Partei geprägt gewesen sei. Übergriffe und andere Verstöße beanstandeten auch westliche Beobachter. Sie hoben aber übereinstimmend hervor, daß sich die Verhältnisse gegenüber der Regierungszeit der Nationalkonservativen erheblich gebessert hätten.

Zu wählen waren am Sonntag die Bürgermeister in zwölf Städten, die Verwaltungschefs in 59 Gemeinden und 2084 Abgeordnete in 71 Gemeinderäten. Mit Ausnahme der Hauptstadt Tbilissi, wo dies schon 2010 eingeführt wurde, war es das erste Mal in der neueren Geschichte Georgiens, daß die Bürgermeister und Gemeindevorsteher direkt gewählt wurden. Eine entsprechende Wahlrechtsreform war erst in diesem Jahr verabschiedet worden. Das bisherige Verfahren hatte das Herrschaftsmonopol der UNM auf allen Ebenen begünstigt.

Die Bürgermeister und Gemeindechefs benötigten, um im ersten Wahlgang gewählt zu werden, eine absolute Mehrheit der Stimmen. In mindestens acht der zwölf Städte wird ein zweiter Durchgang stattfinden müssen. Darunter auch in Tbilissi, wo der GD-Kandidat mit 46,35 Prozent eindeutig vor dem nächstplazierten Konkurrenten von der UNM lag, auf den 27,58 Prozent der Stimmen entfielen. Auf dem dritten Platz landete in der Hauptstadt der Kandidat eines Oppositionsbündnisses, an dessen Spitze Nino Burdschanadse steht. Die Auszählung zu den Gemeinderäten dauerte am Dienstag noch an.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 18. Juni 2014


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