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Georgien: Verhaftungen verärgern Moskau

Spionageaffäre lässt Spannungen wachsen

Von Irina Wolkowa, Moskau*

Sechs russische Offiziere und zehn eigene Bürger verhafteten Georgiens Sicherheitsorgane in Tbilissi und Batumi. Die Anklage lautet auf Spionage.

Den Verhafteten wird vorgeworfen, für Russland Informationen über die Verteidigungsfähigkeit Georgiens, Details zu dessen Integration in die NATO und zu strategischen Entwicklungen – vor allem zu Bemühungen, sich von russischen Energielieferungen unabhängig zu machen – an Moskau weitergegeben zu haben. Darüber hinaus sollen sie Angaben zu Bewaffnung und Stärke georgischer Einheiten gesammelt haben, die an den Grenzen zu den abtrünnigen Autonomien Abchasien und Südossetien stationiert sind.

Einigen der Festgenommenen werden außerdem die Terroranschläge zu Jahresbeginn zur Last gelegt. Einer davon hatte die Gasleitung, die über Georgien weiter nach Armenien führt, für mehrere Tage lahm gelegt. Die Operation, so ein Sprecher des georgischen Außenministeriums, sei aus Jerewan geleitet worden. Weitere Tatverdächtige halten sich im Hauptquartier der Gruppe russischer Streitkräfte im Südkaukasus auf. Das in Tbilissi befindliche Gebäude ist seit Mittwochabend von georgischem Militär und Polizei umstellt, die Umzingelung, so Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili, werde erst nach Auslieferung der Gesuchten aufgehoben. Russland konterte mit den bisher schärfsten Erklärungen seit dem Machtwechsel im Ergebnis der »Rosenrevolution« Ende 2003, nach der sich die ohnehin angespannten Beziehungen beider Staaten kontinuierlich verschlechterten. Das politische Klima in Georgien, so Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow, erinnere an das Jahr 1937 (als Stalin Tausende angebliche Volksfeinde verhaften ließ). Georgien wolle »mit der seiner Staatsführung eigenen Hysterie Russland zu unüberlegten Handlungen provozieren«. Das werde jedoch nicht gelingen. Moskaus Antwort werde »adäquat und berechenbar« ausfallen. Was im Einzelnen damit gemeint sei, werde die Öffentlichkeit in Kürze erfahren.

Georgien, so Russlands Außenminister Sergej Lawrow, habe zwar mehrfach, darunter auch bei »Kontakten auf höchster Ebene«, Interesse an der Lösung aller bilateralen Probleme signalisiert, unmittelbar danach jedoch grob provoziert. Russland werde daher nicht nur die Freilassung seiner Bürger »mit allen zugänglichen Mitteln« erwirken, sondern auch »aus der Linie der georgischen Führung konkrete Schlussfolgerungen« ziehen.

Das russische Konsulat in Tbilissi hat bereits die Ausstellung von Visa für Bürger Georgiens gestoppt. Auf Druck Moskaus, das schon der Führung unter Eduard Schewardnadse mangelnden Eifer bei der Verfolgung tschetschenischer Separatisten vorgeworfen hatte, müssen Bürger beider Staaten seit Ende 2001 Visa zur gegenseitigen Einreise beantragen.

* Aus: Neues Deutschland, 29. September 2006

Neueste Meldungen der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti

Moskau sieht sich durch möglichen Nato-Beitritt Georgiens gefährdet
MOSKAU, 22. September (RIA Novosti). Der Beitritt Georgiens zur Nato würde die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen Russlands schwer beeinträchtigen, sollte die Nato zuvor nicht transformiert werden. Darüber hinaus würde eine Eingliederung Georgiens in die Nato für die konfliktgeladene Lage im Kaukasus negative Folgen haben, so kommentierte das russische Außenministerium die gestrige Entscheidung des Nato-Rates, einen intensiven Dialog mit Georgien aufzunehmen. "Jede Erweiterung der Nato führt zu bedeutenden Veränderungen im Sicherheitsbereich", geht aus einer Erklärung des Ministeriums hervor. "Der Fall Georgien hat eine besondere Bedeutung, weil dieses Land an Russland angrenzt und weil der Kaukasus mit schweren Problemen konfrontiert ist."
Eine Einbindung Georgiens in die Nato würde das Bild dieser Organisation in Russland verschlechtern, da die jetzige Führung in Tiflis eine ausgesprochen feindliche Politik gegenüber Russland betreibe, hieß es weiter. Die Nato-Außenminister hatten am 21. September in New York einen "intensiven Dialog" mit Georgien beschlossen.

Verteidigungsminister Iwanow: Georgien ist kein Mittelpunkt der Welt
MOSKAU, 22. September (RIA Novosti). Russlands nationale Sicherheit werde durch den möglichen NATO-Beitritt Georgiens auf keine Weise gefährdet. Georgien ist noch bei weitem kein Mittelpunkt der Welt. Das erklärte am Freitag (22. Sept,) der Vizepremier und Verteidigungsminister Russlands Sergej Iwanow vor Journalisten. "Sie stellen ja so viele Fragen über Georgien, dass ich beinahe den Eindruck bekomme, dass dieses Land ein Mittelpunkt der internationalen Politik ist und zu den Prioritäten der russischen Außenpolitik gehört", sagte er. "Ob Georgien der Nordatlantischen Allianz beitritt oder nicht, ist eine Angelegenheit Georgiens. Russland hat damit nichts zu tun", unterstrich Iwanow. Zugleich erinnerte er, dass im Nordkaukasus bald zwei neue Gebirgsbrigaden stationiert werden, die die aus den georgischen Städten Batumi und Achalkalaki abziehenden Militärstützpunkte ersetzen sollen. "Die beiden neuen Stützpunkte sind mit modernster Technik ausgerüstet und werden unmittelbar an der russisch-georgischen Grenze liegen. Georgiens möglicher NATO-Beitritt kann unsere Sicherheit nicht gefährden", versicherte Sergej Iwanow.

Russland regt außerplanmäßige Sitzung des UN-Sicherheitsrats zu Georgien an
NEW YORK, 28. September (RIA Novosti). Vor dem Hintergrund des Spionage-Skandals hat Russland am Donnerstag (28. Sept.) eine außerplanmäßige Sitzung des UN-Sicherheitsrats zum georgisch-abchasischen Konflikt angeregt. Dies teilte die Sprecherin der russischen Vertretung bei den Vereinten Nationen, Marija Sacharowa, mit. Diplomatischen Quellen zufolge kann der Weltsicherheitsrat schon heute zusammentreten.

Georgien-Konflikt eskaliert: Russland räumt Botschaft in Tiflis
MOSKAU/TIFLIS, 28. September (RIA Novosti). Die Krise zwischen Russland und Georgien verschärft sich offenbar weiter. Moskau ruft seinen Botschafter aus Tiflis zu Konsultationen zurück. Außerdem werde die russische Botschaft in Georgien zum Teil evakuiert, heißt es auf der Webseite des russischen Außenministeriums. Am 29. September soll ein Flugzeug des russischen Zivilschutzministeriums Mitarbeiter der Botschaft und deren Familien nach Moskau bringen. Das Außenministerium in Moskau empfehlt den russischen Staatsbürgern, auf Reisen nach Georgien zu verzichten. Am Mittwoch (27. Sept.) hatten georgische Sicherheitskräfte sechs russische Soldaten wegen Spionage-Verdachts festgenommen. Moskau weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet das Vorgehen der georgischen Behörden als Provokation.

EILMELDUNG - Georgien-Konflikt: Iwanow wirft Georgien Banditentum vor
PORTOROZ (SLOWENIEN), 28. September (RIA Novosti). Das Banditentum in Georgien greife um sich und betreffe den ganzen Staat. Diese Meinung vertrat am Donnerstag (28. Sept.) der Vizepremier und Verteidigungsminister Russlands Sergej Iwanow in der slowenischen Stadt Portoroz. "Das Banditentum hat bereits den ganzen georgischen Staat betroffen. Wir haben unsere Soldaten und ihre Familienmitglieder schon öfter gewarnt, nicht allzu lange auf offener Straße zu bleiben", sagte Iwanow auf die Frage eines Reporters, ob die russischen Truppen in Transkaukasien Hinweise zu der Festnahme russischer Militärs erhalten habe.
Der Chef der russischen Militärbehörde weilt derzeit in Slowenien, um am Freitag (29. Sept.)an einer Sitzung des Russland-NATO-Rates teizunehmen.

Iwanow: Neue Nato-Länder versorgen Georgien mit Waffen
PORTOROZ (SLOWENIEN). Neue NATO-Länder versorgen Georgien mit Waffen. Das erklärte am Donnerstag der Vizepremier und Verteidigungsminister Russlands Sergej Iwanow in der slowenischen Stadt Portoroz. "Manche neue NATO-Staaten, die heutzutage nach neuesten Trends zum "Jungen Europa" gezählt werden, liefern Georgien Waffen, die sie einst von der UdSSR erhalten haben und nicht selbst exportieren durften", betonte der Chef der Militärbehörde. "Das ist eine direkte Verletzung des gültigen Abkommens über die Kontrolle der konventionellen Waffen", stellte Iwanow fest. "Das ist Piraterie." Der russische Militärchef weilt derzeit in Slowenien, um an einer Sitzung des Russland-NATO-Rats am Freitag teilzunehmen.

Spionage-Affäre: Georgien veröffentlicht Beweise
TIFLIS, 28. September (RIA Novosti). Nach der Festnahme der russischen Offiziere wegen Spionageverdacht hat das georgische Innenministerium am Donnerstag (28. Sept.) Audio- und Videodateien veröffentlicht, die die Vorwürfe gegen die Russen belegen sollen. Wie es in einem Kommentar der georgischen Innenbehörde heißt, sind unter anderem Gespräche zwischen den russischen Offizieren und angeworbenen Agenten sowie die Übergabe von Geld gefilmt worden. Der georgische Innenminister Wano Merabischwili versprach, demnächst weitere Beweise vorzulegen. Am Vortag (27. Sept.) hatten georgische Behörden sechs russische Offiziere wegen Spionageverdacht festgenommen. Am Freitag soll gegen sie Anklage erhoben werden. Dem georgischen Innenminister Merabischwili zufolge stellte Georgien den festgenommenen Russen Rechtsanwälte zur Verfügung.
Darüber hinaus umstellte die georgische Polizei in Tiflis das Hauptquartier der russischen Armee im Südkaukasus. Moskau weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet das Vorgehen der georgischen Behörden als Provokation. Wie der russische Vize-Premier und Verteidigungsminister Sergej Iwanow außerdem mitteilte, waren in der vergangenen Nacht in Batumi sieben russische Soldaten festgenommen und misshandelt worden. "Man hat sie verprügelt und ihnen die Waffen und das Auto weggenommen, bevor sie freigelassen wurden", sagte Iwanow. Er bezeichnete das Vorgehen der georgischen Behörden als "schroffe Gesetzesüberschreitung und Hysterie".
Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow äußerte sich besorgt über erneute Spannungen mit Georgien. Ihm zufolge betreibt Tiflis eine ausgesprochen feindliche Politik gegenüber Russland. Das Außenministerium in Moskau rief seinen Botschafter aus Georgien zu Konsultationen zurück.

EILMELDUNG - Sergej Iwanow: Georgien wählt militärischen Weg
PORTOROZ (Slowenien), 29. September (RIA Novosti). Im Konflikt mit Abchasien und Südossetien hat Georgien einen militärischen Weg gewählt und stoße dabei auf russischen Widerstand. Das sagte der russische Vizepremier und Verteidigungsminister Sergej Iwanow am Freitag (29. Sept.). "Man darf nicht vergessen, dass 90 Prozent der Bevölkerung in Abchasien und Südossetien russische Staatsbürger sind", sagte Iwanow auf einer Pressekonferenz in einer Stellungnahme zu der Verhaftung der vier russischen Offiziere in Georgien.

EILMELDUNG - Georgien-Konflikt: Russland will keine Territorien Georgiens annektieren
PORTOROZ (Slowenien), 29. September (RIA Novosti). Russland will sich keine georgischen Territorien aneignen. Das sagte der russische Vizepremier und Verteidigungsminister, Sergej Iwanow, am Freitag (29. Sept.) auf einer Pressekonferenz. "Wir müssen unseren Partnern dauernd erklären, dass permanent versucht wird, Russland die Aneignung irgendwelcher Territorien in Georgien zu unterstellen. Wir wollen nichts annektieren und haben nichts dergleichen vor. Wir wollen, dass die eingefrorenen Konflikte nicht nur im Kaukasus, sondern auch auf dem Balkan und in Zypern nach einheitlichen, für alle verständlichen Regeln und Standards gelöst werden", sagte Sergej Iwanow.

EILMELDUNG - Georgien-Konflikt: Botschafter nach Moskau abberufen - Rückkehr erst nach Freilassung
TIFLIS, 29. September (RIA Novosti). Der russische Botschafter in Georgien, Wjatscheslaw Kowalenko, will erst nach Tiflis zurückkehren, wenn die Freilassung der Offiziere erfolgt sei. Das gab Kowalenko am Freitag (29. Sept.) RIA Novosti in Tiflis bekannt. Der russische Botschafter in Georgien wurde am Donnerstag (28. Sept.) nach Moskau zu Konsultationen im Außenministerium abberufen.

Verteidigungsminister: "Piraterie"-Waffenlieferungen an Georgien verletzen Abkommen
PORTOROZ (Slowenien), 29. September (RIA Novosti). Russland sei darüber besorgt, dass Georgien jetzt aktiv Waffen kauft. Das sagte der russische Vize-Premier und Verteidigungsminister Sergej Iwanow am Freitag (29. Sept.) in einer Sitzung des Russland-Nato-Rats. Wie der russische Verteidigungsminister am Donnerstag (28. Sept.) sagte, liefern einige Nato-Länder trotz Verbote Waffen nach Georgien. "Einige Mitgliedsstaaten der Nato, die jetzt nach neuestem Trend als Jungeuropa bezeichnet werden, liefern an Georgien Waffen, die seinerzeit von der Sowjetunion unter der Bedingung geliefert worden waren, diese nicht ausführen zu dürfen", so der Verteidigungsminister. "Somit wird das geltende Abkommen über die Kontrolle der konventionellen Waffen unmittelbar verletzt. Das ist schon Piraterie", sagte der Minister.
Iwanow nimmt am Freitag (29. Sept.) in Slowenien an einer Sitzung des Russland-Nato-Rats teil. Laut Verteidigungsminister will er in der Sitzung erneut auf "das nicht adäquate Vorgehen Georgiens gegen die russischen Militärangehörigen aufmerksam machen". Nach früheren Vereinbarungen mit Georgien sollten die russischen Soldaten frühestens im Jahr 2008 das Land verlassen, sagte der russische Verteidigungsminister. "Wir werden auch über die unangemessenen Handlungen der georgischen Seite gegenüber Südossetien und Abchasien Auskunft geben", sagte der Minister.




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