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Eine Provokation der Georgier?

Streit um russische Rakete spitzt sich zu

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Im Streit mit Russland um den Einschlag einer Lenkrakete in Georgien hat Tbilissi seine Vorwürfe gegen Moskau bekräftigt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ruft beide Seiten zur Zurückhaltung auf.

Der Ton, den beide Seiten anschlugen, war gestern noch ein bisschen rauer als am Dienstag nach Bekanntwerden des Zwischenfalls. Georgien hatte Moskau beschuldigt, russische Jagdbomber seien am Montagabend in den Luftraum der Republik eingedrungen und hätten über einem Dorf an der Grenze der abtrünnigen Region Südossetien eine Luft-Boden-Rakete abgefeuert. Der Sprengsatz war jedoch nicht explodiert.

Kriminalisten und Militärtechniker hatten das Geschoss an der Einschlagsstelle untersucht. Ein Sprecher des georgischen Innenministeriums stellte ihre Erkenntnisse gestern den Medien vor. Demzufolge soll es sich bei dem Geschoss um eine lenkbare taktische Rakete des Typs X-58 mit 140 Kilogramm Sprengstoff handeln. Sie soll im russischen Konstruktionsbüro »Raduga« hergestellt und von einem Jagdbomber des Typs SU-24 abgefeuert worden sein. Raketen dieses Typs werden vor allem eingesetzt, um gegnerische Radars auszuschalten. Georgiens Armee, konstatierte die halbamtliche Nachrichtenagentur IA Grusija, habe aber derartige Raketen nicht in ihren Arsenalen.

Alexander Drobyschinski, der Vizekommandeur der russischen Luftwaffe, hatte die Vorwürfe bereits am Dienstagmorgen dementiert. Später hatten das Außenamt in Moskau und die Regierung in Südossetien den Zwischenfall in getrennten Erklärungen als »Provokation« qualifiziert. Diese sei von Georgien selbst inszeniert worden, um die Verhandlungen der Kontrollkommission zu Südossetien zu sprengen.

Das Gremium konstituierte sich im Sommer 1992, nachdem Südossetien sich von Georgien lossagte, und setzt sich paritätisch aus Vertretern der Separatisten, Georgiens und Russlands als Garantiemacht für den Waffenstillstand zusammen. Bemühungen um eine Friedenslösung scheiterten bisher: Georgien ist zwar bereit, der Region maximale Autonomie einzuräumen, besteht aber auf deren Verbleib im Staatsverband. Südossetien dagegen will die Vereinigung mit der russischen Republik Nordossetien.

Am Dienstagabend (7. Aug.) rief Staatschef Michail Saakaschwili in seiner Ansprache an das diplomatische Korps die internationale Öffentlichkeit zu einer »adäquaten Bewertung« des Verhaltens Russlands« auf. Die Botschafter hatten zusammen mit dem Präsidenten die Einschlagsstelle in der Nähe der Stadt Gori besichtigt. So wie die Bombenabwürfe über dem von Tbilissi kontrollierten Teil von Abchasien vor einigen Monaten sollte auch der Zwischenfall am Montag Panik bei der Bevölkerung hervorrufen und Georgien zur Änderung seines politischen Kurses zwingen, behauptete Saakaschwili.

* Aus: Neues Deutschland, 9. August 2007

Aktuelle Meldungen der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti

Georgischer Raketenabwurf untergräbt positive Tendenzen in russisch-georgischen Kontakten

Moskau hat den jüngsten Zwischenfall mit dem georgischen Raketenabwurf als einen Versuch gewertet, die positiven Tendenzen in den russisch-georgischen Beziehungen zu untergraben und die Situation in der georgisch-ossetischen Konfliktzone zuzuspitzen. Das geht aus einer am Mittwoch (8. Aug.) in Moskau verbreiteten Mitteilung des russischen Außenministeriums zu den Ergebnissen eines Telefongesprächs zwischen dem russischen Staatssekretär und Vizeaußenminister Grigori Karassin und dem georgischen Vizeaußenminister Nikolos Waschakidse hervor. Moskau sei über diesen Zwischenfall äußerst besorgt.

Nach Behauptung der georgischen Seite waren zwei Flugzeuge "mit russischen Erkennungszeichen" am vergangenen Montagabend (6. Aug.) in den Luftraum Georgiens eingedrungen und hatten eine Radaranlage bei Gori mit Raketen beschossen, die allerdings unversehrt blieb. Der russische Generalstab besteht kategorisch darauf, dass keine russischen Flugapparate in dieser Zeit und in diesem Raum abgehoben hätten.

Nach Angaben südossetischer Beobachtungsposten wurde in dem betroffenen Raum tatsächlich ein unbekanntes Flugzeug gesichtet, das aber aus östlicher Richtung - von Seiten Georgiens - eingedrungen war und ungezielt eine Rakete abfeuerte. Diese schlug knapp fünf Kilometer von der Radaranlage im Raum der Siedlung Schawschebi ein. Darauf machte die Maschine kehrt. Etwa 30 Minuten später wurde in dem Raum ein georgischer Hubschrauber bemerkt, der die Stelle mehrmals umkreiste und dann zurückflog.

Am Dienstag (7. Aug.) plädierte das russische Außenamt für eine sorgfältige Untersuchung des Zwischenfalls, damit die Schuldigen festgestellt werden könnten. "Wir neigen nicht zu einem übermäßigen Wortgefecht und wollen das Resultat der Untersuchung nicht vorwegnehmen. Wir bestehen darauf, dass diese Untersuchung schnell und effizient durchgeführt wird. Unsererseits sind wir zu einer Kooperation bereit", heißt es in der Mitteilung weiter.
Während der Unterredung wurde festgestellt, dass der Zwischenfall an die Ereignisse vom 11. März dieses Jahres im Kodori-Tal erinnert, als drei Dörfer unter Beschuss genommen wurden. Damals behauptete die georgische Seite, dass einige Hubschrauber vom benachbarten Territorium der russischen Teilrepublik der Kabardiner und Balkaren in den georgischen Luftraum eingedrungen seien. Das russische Verteidigungsministerium bezeichnete diese Erklärung als Provokation.

An der Klärung der Umstände dieses Zwischenfalls hatten Experten der UNO, der Friedenskräfte sowie Vertreter Georgiens und Abchasiens teilgenommen. Aus dem Bericht der UN-Beobachtermission in Georgien geht nicht hervor, dass das Kodori-Tal von russischen Hubschraubern beschossen wurde.
Während ihres Gesprächs einigten sich Karassin und Waschakidse auf die Fortsetzung der Arbeitskontakte zu diesem Problem.

RIA Novosti, 8. August 2007

OSZE-Untersuchungsteam bestätigt Verletzung des georgischen Luftraumes vom Norden aus

Eine Untersuchungsgruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat bestätigt, dass der Luftraum Georgiens am 6. August vom Norden aus verletzt wurde. "Die Untersuchungsgruppe, zu der auch russische Experten gehören, erstellte bereits ein Gutachten zu diesem Zwischenfall", sagte der georgische Außenminister Gela Beschuaschwili am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Tiflis. "Die georgische Führung wolle sich an die benachbarten Staaten mit der Bitte wenden, Aufzeichnungen ihrer Radaranlagen zur Verfügung zu stellen, um alle Mitglieder der Untersuchungsgruppe von der Richtigkeit der georgischen Position zu überzeugen", fuhr der Minister fort.
Er habe am Mittwoch Telefongespräche mit westlichen Amtskollegen, mit dem NATO-Generalsekretär und mit Vertretern des russischen Außenamtes geführt. "Wir äußerten gegenüber unseren russischen Kollegen Besorgnis und riefen Russland zu einer Kooperation bei der Klärung der Umstände des Zwischenfalls auf."

Beschuaschwili teilte ferner mit, dass die zuständigen Organe weiter Beweismaterial zur Verletzung des Luftraumes des Landes sammeln. "Zu diesem Zweck verglichen wir Daten ziviler Radare, die mit denen der militärischen Radare übereinstimmen. Das zeugt davon, dass der georgische Luftraum vom Norden aus verletzt wurde." Er habe auch den georgischen UN-Botschafter Irakli Alassania angewiesen, eine außerordentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrates anzuregen. Beschuaschwili erklärte sich ferner bereit, Konsultationen mit Russland zur Lösung des Problems zu führen.

RIA Novosti, 8. August 2007

USA verurteilen "Raketenschlag gegen Georgien" und fordern Aufklärung

Das US-Außenministerium hat den Raketenangriff auf Georgien und die Verletzung des georgischen Luftraums verurteilt sowie eine dringende Aufklärung des Vorfalls verlangt.
"Die USA verurteilen den am 6. August verübten Raketenschlag gegen Georgien", heißt es in einer am Mittwochabend veröffentlichten Erklärung des US-Außenamtssprechers Sean McCormack. "Wir betonen, dass Georgien trotz dieses Luftangriffs Zurückhaltung an den Tag legen soll, und fordern zu einer dringenden Aufklärung der Fakten auf, die mit diesem Vorfall verbunden sind. Außerdem rufen wir alle Seiten auf, die Untersuchungen zu unterstützen, die von der georgischen Regierung und der OSZE vorgenommen werden."

Wie die georgische Seite erklärt hatte, waren am Montag (6. Aug.) zwei Flugzeuge mit russischen Erkennungszeichen in den Luftraum Georgiens eingedrungen und hatten die Radarstation nahe der Stadt Gori mit Raketen beschossen, die allerdings nicht zu Schaden kam.

Die Führung des Generalstabs der russischen Streitkräfte dementiert kategorisch den Fakt jeglicher Flüge russischer Maschinen zum angegebenen Zeitpunkt in dem an das Territorium Georgiens grenzenden Luftraum.
In der Erklärung McCormacks heißt es weiter: Die Nähe des Ortes des Vorfalls zur "separatistischen Region Georgiens - Südossetien" sowie die Verletzung des georgischen Luftraums über dem Konfliktgebiet "macht die dringende Notwendigkeit zu einer friedlichen Regelung des Konflikts in Südossetien noch deutlicher".
"Wir rufen Russland und Georgien auf, ihre Bemühungen bei der Durchsetzung dieses Ziels konstruktiv voranzubringen", wird in der Erklärung betont. "Wir plädieren für Maßnahmen zur Verhinderung solcher Schläge gegen Georgien in Zukunft."
"Wir unterstützen weiterhin die Souveränität und territoriale Integrität Georgiens sowie Georgiens Bemühungen um ein Zusammenwirken mit allen Seiten bei der Festlegung des autonomen Status für Südossetien innerhalb der international anerkannten Grenzen Georgiens", stellt das US-Außenamt fest.

RIA Novosti, 9. August 2007

Raketenabwurf in Georgien: Opposition überführt Behörden einer Inszenierung

Der Raketenabwurf am Montag (6. Aug.) über georgischem Territorium war nach Auffassung der einheimischen Opposition von den georgischen Behörden vorgetäuscht worden. Wie der Vorsitzende der Labour-Partei Georgiens, Schalwa Natelaschwili, die Chefin der Partei „Imedi“ („Hoffnung“), Irina Sarischwili, und die Ex-Außenministerin und Vorsitzende der Partei „Der Weg Georgiens“, Salome Surabischwili, am Mittwoch (8. Aug.) äußerten, war das ein von den georgischen Behörden gespieltes Spektakel.

Der Oberbürgermeister von Tiflis, Gigi Ugulawa, nannte die Oppositionsführer Verräter. „Während alle Welt an das Vorhandensein sämtlicher Belege glaubt, denen zufolge ein Flugzeug aus nördlicher Richtung eingeflogen war - und wir haben im Norden nur einen Nachbarn -, kann nur ein geistig Abartiger oder ein Verräter auf die Idee kommen, dies sei von den Streitkräften Georgiens getan worden, und Panik säen“, zitiert die Agentur „Novosti-Grusia“ am Donnerstag den Oberbürgermeister der georgischen Hauptstadt.
Die georgische Führung behauptet, dass ein russisches Flugzeug am Montagabend den Luftraum des Landes verletzt und eine lenkbare Rakete über der Ortschaft Zitelubani, Rayon Gori, abgeworfen habe, die nicht explodierte.
Laut Experten des georgischen Verteidigungsministeriums handelt es sich um eine Rakete vom Typ Raduga KN-58 aus russischer Produktion. Dem georgischen Außenministerium zufolge ist die Rakete von einer Su-24 aus russischer Produktion abgefeuert worden, die von russischer Seite gekommen sei. Zur Bewaffnung der georgischen Streitkräfte würden keine Flugzeuge dieses Typs und keine lenkbaren Raketen gehören, unterstreicht das georgische Verteidigungsministerium.

Die Luftstreitkräfte Russlands haben die Berichte über die Verletzung des Luftraumes Georgiens durch russische Flugzeuge entschieden zurückgewiesen.

RIA Novosti, 9. August 2007

Streit um Raketenabwurf: Georgien wirft russischen Friedenskräften widerrechtliche Ermittlungen vor

Das Amt des georgischen Staatsministers für die Regelung der Konflikte hat den russischen Friedenskräften im Raum des georgisch-ossetischen Konflikts die Verletzung ihres Mandats und widerrechtliche Ermittlungen vorgeworfen.
Bei RIA Novosti ist eine Erklärung des Pressezentrums beim Staatsminister eingegangen, in der es heißt: "Wir protestieren scharf im Zusammenhang mit der groben Verletzung des Mandats der russischen Angehörigen der Gemischten Kräfte zur Friedenserhaltung im Raum Zchinwali. Wir fordern von der russischen Seite, die Desinformation der Öffentlichkeit einzustellen und den politisch motivierten Handlungen ein Ende zu setzen."
In dem Dokument wird behauptet, dass eine Gruppe von Mitarbeitern der Militärstaatsanwaltschaft Russlands am 8. August ohne Einwilligung Georgiens im Raum Zchinwali war und im Gespräch mit dem Befehlshaber der Gemischten Kräfte das Gutachten der gemischten Untersuchungskommission unter Leitung der OSZE vom 7. August beanstandet, welches auch die Unterschrift der russischen Friedenskräfte trägt. In dem Gutachten war festgestellt worden, dass der Luftraum Georgiens am 6. August von Nordosten her verletzt worden ist. Die russischen Staatsanwälte hätte die Führung der Gemischten Kräfte aufgefordert, eigene Ermittlungen einzuleiten, heißt es ferner in der Erklärung.
Daraufhin habe die russische Seite der Gemischten Kräfte unter diesem Druck entschieden, ihr Mandat grob zu verletzen und unter den Dorfbewohnern von Armasi eine Umfrage durchzuführen, stellt das Pressezentrum des georgischen Staatsministers fest.
Weiter wird erklärt, dass "die russischen Friedenskräfte versucht haben, auf der Grundlage von Aussagen von vornherein beeinflusster älterer Frauen, die Prüfungsergebnisse vom 7. August zu manipulieren.
"Die georgischen Friedenskräfte und die OSZE-Militärbeobachter haben es jedoch abgelehnt, ihre Unterschrift unter dieses Dokument zu setzen."

Georgien behauptet, dass zwei Flugzeuge mit russischen Erkennungszeichen am 6. August in den georgischen Luftraum eingedrungen sind und eine Rakete auf die Radarstation in der Gegend der Stadt Gori abgeschossen hätten. Der Generalstab Russlands hat dementiert, dass russische Flugzeuge zu diesem Zeitpunkt im Luftraum geflogen seien, der an das Territorium Georgiens angrenzt.

Russland hat den Vorfall mit dem Raketenabwurf im Raum der georgisch-ossetischen Konflikts als Versuch der georgischen Seite gewertet, die positiven Tendenzen in den russisch -georgischen Beziehungen zurückzuwerfen und die Lage in der Konflikten zwischen Georgien und Ossetien zuzuspitzen, so nahm das russische Außenministerium Stellung.
Georgien habe unterdessen den Fakt einer Verletzung seiner Staatsgrenzen über 14 Stunden verschwiegen, hat der Befehlshaber der Gemischten Friedenskräfte, Marat Kulachmetow, mitgeteilt.

RIA Novosti, 10. August 2007

Raketenabwurf in Georgien: Russische Luftstreitkräfte bereit zur gemeinsamen Ermittlung

Die Luftstreitkräfte Russlands sind bereit, mit dem georgischen Verteidigungsministerium bei der Untersuchung der Umstände der Luftraumverletzung über Georgien zusammenzuarbeiten. Das sagte der Befehlshaber der Luftstreitkräfte Russlands, Generaloberst Alexander Selin, am Samstag (11. Aug.)
„Wir werden im Rahmen der bestehenden internationalen Vereinbarungen wirken“, sagte der Luftwaffenchef auf einer Pressekonferenz in Monino, wo heute eine Fliegershow anlässlich des 95. Gründungstages der einheimischen Luftstreitkräfte stattfindet. Dem Befehlshaber zufolge ist Russland bei einer entsprechenden Bitte der georgischen Seite bereit, ihr die Ergebnisse der Luftraumkontrolle zur Verfügung zu stellen.

RIA Novosti, 10. August 2007




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