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Traumergebnisse: 99 Prozent für Unabhängigkeit Südossetiens - 98 Prozent stimmten für den jetzigen Präsidenten Eduard Kokoity

Georgien weigert sich, die Abstimmung anzuerkennen - und kann mit Unterstützung aus Washington rechnen


Ein Kosovo im Kaukasus

Überwältigende Mehrheit für Unabhängigkeit bei Referendum in Südossetien

Von Irina Wolkowa, Moskau *


Mit überwältigender Mehrheit hat sich die Bevölkerung in Georgiens Rebellenregion Südossetien für die Unabhängigkeit entschieden.

Laut vorläufigem Ergebnis, das sich auf die Auszählung von über 80 Prozent der Stimmen stützt, die bei dem Referendum am Sonntag abgegeben wurden, votierten über 99 Prozent für Eigenstaatlichkeit. Unmittelbare Konsequenzen hat das Ergebnis zwar nicht. Die EU, die NATO, die OSZE und die USA erkennen die Abstimmung nicht an und folgen der Auffassung Georgiens, das auf Wiedereingliederung der Region und der abtrünnigen Schwarzmeer-Republik Abchasien in den georgischen Staatsverband besteht. Den Separatisten indes ging es bei dem Volksentscheid allein um die juristische Anerkennung des Auslands. Denn faktisch ist Südossetien bereits seit 1992 unabhängig.

Nach dem auf Ende Januar vertagten Entscheid über den künftigen Status Kosovos könnte die Weltöffentlichkeit dennoch gezwungen sein, sich erneut mit den so genannten tiefgefrorenen Konflikten im Kaukasus zu befassen. Die Separatisten – neben Südossetien und Abchasien pocht auch der von Armeniern bewohnte Südwesten Georgiens, vor allem jedoch das zu Aserbaidshan gehörende Berg-Karabach auf Souveränität – gehen davon aus, dass der Westen die Kosovo- Albaner in die Unabhängigkeit entlässt. Ebenso Moskau, das die Sezessionisten offen unterstützt und auf Wunsch russische Pässe an die Bewohner der kaukasischen Krisenregionen verteilt. Russland und die Führer der abtrünnigen Regionen haben mehrfach damit gedroht, die Kosovo- Entscheidung als Präzedenzfall zu interpretieren und daraus praktische Schlussfolgerungen für eine politische Neuordnung im Kaukasus zu ziehen.

Abchasien hat bereits offiziell um assoziierte Mitgliedschaft in der Russischen Föderation nachgesucht, Südossetien, das Moskau gleich nach Verkündung des amtlichen Endergebnisses des Referendums bitten will, die Unabhängigkeit der Region anzuerkennen, strebt als Fernziel die Wiedervereinigung mit der zu Russland gehörenden Republik Nordossetien an.

Dazu müsste Moskau allerdings seine Verfassung umschreiben lassen. Denn die sieht gegenwärtig weder Aus- noch Beitritt von Regionen vor. Unabhängige Zwergstaaten aber machen den Kaukasus noch instabiler. Das weiß man auch in Russland, wo man zudem fürchtet, mit der Anerkennung der Souveränität des georgischen Spaltprodukts erneut die mühsam abgewürgte Tschetschenien- Diskussion loszutreten.

Russland sendet daher zwiespältige Signale. Unabhängig von der internationalen Anerkennung der Abstimmungsergebnisse, hieß es gestern kryptisch in einer Erklärung des russischen Außenamtes, seien diese »ein Indikator für die Stimmungslage der Bevölkerung Südossetiens, den es zu berücksichtigen gilt«. Auch habe Tbilissi durch Missachtung internationaler Abmachungen und der sich daraus ergebenden Pflichten die Abstimmung selbst provoziert.

Die Kollegen in Tbilissi dagegen werteten das Papier als »erneute Bestätigung der antigeorgischen Politik« Moskaus. Beide unterstellen dem jeweils anderen, eine militärische Endlösung für die Separatisten-Regionen zu planen. Darin liegt, neben der pro-westlichen Politik, die Georgien seit 2003 betreibt, einer der Hauptgründe für das extrem gespannte russisch-georgische Verhältnis. Die Osseten leiten ihre Abstammung vom spätantiken Reitervolk der Alanen her und gehören zum iranischen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie. Die Mehrheit der kaukasischen Urvölker dagegen – darunter auch die Georgier – bilden eine eigene Familie.

Von den insgesamt rund 600 000 Osseten leben rund 55 000 in Südossetien, 445 000 in Nordossetien. Zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert hatten die Osseten einen eigenen Staat, der später von den Mongolen überrannt und dann dem Khanat der Krimtataren angegliedert wurde, die ihrerseits den Osmanen-Sultanen tributpflichtig waren.

Mit dem russisch-türkischen Frieden von Küçük Kaynarci 1774 kam Nordossetien zum Zarenreich, das im 19. Jahrhundert auch die verschiedenen Regionen Georgiens mit den dort lebenden Südosseten eroberte.

* Aus: Neues Deutschland, 14. November 2006

Referendum: USA lehnen Unabhängigkeit von Südossetien ab

WASHINGTON, 14. November (RIA Novosti). Das US-Außenministerium hat ein weiteres Mal erklärt, dass die Regierung von Präsident George W. Bush das Referendum in Südossetien (nicht anerkannte Republik auf dem georgischen Territorium) nicht anerkennen werde. "Wir glauben nicht, dass dies ein Referendum war", erklärte der Sprecher des US-Außenministeriums Sean McCormack am Montag vor der Presse. Er verwies darauf, dass das US-Außenministerium noch am 8. November eine Erklärung darüber verbreitet hat, dass die USA die Anerkennung des Referendums über die Unabhängigkeit und der parallelen Präsidentenwahl ablehnen, die für den 12. November in der südossetischen Region Georgiens angesetzt worden waren. "Die USA unterstützen die Souveränität und die territoriale Integrität Georgiens. Die Weltgemeinschaft hat klar erklärt, dass Südossetien ein Teil Georgiens ist", wurde in der damals verbreiteten Erklärung betont, die laut McCormack in Kraft bleibt. "Wir rufen Zchinwali und Tiflis auf, direkte Verhandlungen für die Suche nach einer friedlichen Lösung aufzunehmen, die den Status Südossetiens innerhalb der international anerkannten Grenzen Georgiens bestimmen und dabei Südossetien eine umfassende Autonomie im Bestand Georgiens gewähren wird", wurde in der Erklärung des US-Außenministeriums unterstrichen.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur Ria Novosti, 13. November 2006

Präsidentenwahl und Referendum in Südossetien: Wähler stimmen für Unabhängigkeit

MOSKAU, 13. November (RIA Novosti). An der Präsidentenwahl und am Unabhängigkeitsreferendum in der Kaukasus-Republik Südossetien (im Bestand Georgiens), die am 12. November stattgefunden haben, haben 94,6 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung teilgenommen.

Wie Bella Plijewa, Leiterin der Wahlkommission der nicht anerkannten Republik, gegenüber RIA Novosti mitteilte, gingen 52 030 von 55 000 Stimmberechtigten zu den Urnen. Nach ihren Worten gab es in den 78 Wahllokalen keine Vorfälle, die den Ausgang der Abstimmung hätten beeinflussen können.

Bei der Präsidentenwahl kandidierten neben dem jetzigen Republikchef Eduard Kokojty drei weitere Politiker für das Präsidentenamt. Beim Referendum hatten die Bürger folgende Frage zu beantworten: "Sind Sie damit einverstanden, dass die Republik Südossetien ihren jetzigen Status eines unabhängigen Staates beibehält und von der internationalen Völkergemeinschaft anerkannt wird?"

Rund 20.000 der 55.000 Stimmberechtigten, hauptsächlich Flüchtlinge, konnten in der Nachbarrepublik Nordossetien ihre Stimmen abgeben. In dieser Teilrepublik der Russischen Föderation waren sechs Wahllokale eingerichtet worden. Laut Angaben von Exit polls stimmten rund 99 Prozent der Wahlberechtigten für eine Unabhängigkeit Südossetiens. 98 Prozent der Wähler stimmten für den jetzigen Präsidenten Eduard Kokoity.

Parallel zu den offiziellen Wahlen fanden in den georgischen Siedlungen Südossetiens, die vom offiziellen Zchinwali nicht kontrolliert werden, so genannte Alternativwahlen statt, die von der Regierung Georgiens organisiert wurden.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur Ria Novosti, 13. November 2006




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