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Granatenanschlag auf Staatsanwalt

Verhärtete Fronten in Südossetien. Gegenseitige Schuldzuweisungen

Von Knut Mellenthin *

Nach einem Anschlag auf Generalstaatsanwalt Taimuras Khugajew hat sich die Lage in der Kaukasusrepublik Südossetien am Dienstag (6. Dez.) zugespitzt. Der amtierende Präsident Eduard Kokoity berief seinen Sicherheitsstab zu einer Sondersitzung ein, um über Maßnahmen zu beraten. Auch Oppositionsführerin Alla Dschiojewa traf sich mit engen Vertrauten, um die nächsten Schritte und, wie sie sagte, »die Möglichkeit eines politischen Asyls« zu diskutieren.

Am frühen Dienstag morgen (6. Dez.) war eine Mörsergranate oder Rakete auf das Wohnhaus des Juristen in der Hauptstadt Tschinwali abgefeuert worden, der als Verbündeter des gegenwärtigen Staatschefs gilt. Der Einschlag riß ein Loch von 20 mal 30 Zentimeter in die Fassade, verursachte aber nur relativ geringen Sachschaden. Niemand wurde verletzt. Kokoity sprach von einer »wohlvorbereiteten Provokation«, die dazu dienen solle, die Lage eskalieren zu lassen. »Unsere Aufgabe besteht darin, das nicht zuzulassen.« Auch Dschiojewa nannte den Anschlag eine »Provokation«, die allerdings ihrer Ansicht nach von den Machthabern inszeniert worden sei, um die Opposition zu diskreditieren.

Die Situation ist angespannt, seit der Oberste Gerichtshof vor einer Woche die Stichwahl zum Präsidentenamt, die am 27. November stattgefunden hatte, für null und nichtig erklärte. Die frühere Erziehungsministerin Dschiojewa hatte sich dabei mit fast 57 Prozent klar gegen ihren Gegenkandidaten, den von Kokoity und Rußland unterstützten Katastrophenschutzminister Anatoli Bibilow, durchgesetzt. Der hatte daraufhin das Gericht angerufen und seiner Gegnerin Bestechung und Einschüchterung von Wählern sowie Verstöße gegen die Wahlordnung vorgeworfen. Einen Widerspruch Dschiojewas gegen dieses Urteil lehnte der Oberste Gerichtshof am gestrigen Dienstag ab. Damit soll es auch bei der Entscheidung bleiben, daß die Oppositionspolitikerin wegen der angeblichen Verstöße nicht zur Wiederholungswahl antreten darf, die vom Parlament inzwischen auf den 25. März nächsten Jahres festgelegt wurde.

Seit Donnerstag vergangener Woche (1. Dez.) demonstrieren Hunderte Oppositionsanhänger rund um die Uhr vor dem Regierungsgebäude. Dschiojewa will sich am Sonnabend (10. Dez.) auf einer Massenkundgebung zur Präsidentin ausrufen.

* Aus: junge Welt, 7. Dezember 2011


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