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Rußland vermittelt

Südossetien: Gespannte Lage nach Annullierung der Präsidentenwahl

Von Knut Mellenthin *

Rußland hat sich in den Streit um den Ausgang der Präsidentenwahl in Südossetien als Vermittler eingeschaltet. Moskau hat seinen stellvertretenden Stabschef Sergej Winokurow in die kleine Kaukasusrepublik entstandt. Am Donnerstag (1. Dez.) war unter anderem ein Treffen mit der Oppositionskandidatin Alla Dschiojewa geplant, die als klare Siegerin aus der Stichwahl am Sonntag hervorgegangen war. Gleichzeitig rief die 62jährige Lehrerin, die der südossetischen Regierung von 2002 bis 2008 als Erziehungsministerin angehört hatte, ihre Anhänger auf, sich erneut in der Hauptstadt Tschinwali zu versammeln, um gegen die Annullierung der Stimmabgabe durch den Obersten Gerichtshof der Republik zu protestieren.

Die Stichwahl war notwendig geworden, nachdem beim ersten Votum am 13. November keiner der elf Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte. Der bisherige Präsident Eduard Kokoity durfte nach zwei Amtsperioden nicht noch einmal antreten. Er hatte seine Unterstützung für Notstandsminister Anatoli Bibilow signalisiert, der zudem auch als Favorit der russischen Regierung gilt. Am 13. November erreichten Bibilow und Dschiojewa jeweils rund 25 Prozent.

Im zweiten Wahlgang lag die Oppositionspolitikerin mit 56 bis 57 Prozent deutlich vor ihrem Gegner, auf den etwa 40 Prozent der Stimmen entfielen. Bibilow warf daraufhin seiner Gegnerin Bestechung und Einschüchterung von Wählern sowie weitere Verstöße gegen das Gesetz vor und rief den Obersten Gerichtshof an. Angeblich hatten einige Wahlkämpfer noch am Sonntag Werbung für Dschiojewa betrieben, obwohl das verboten ist. Das Gericht gab dem Antrag am Dienstag statt und erklärte die Wahl für nichtig. Außerdem sprach es Dschiojewa das Recht ab, erneut zu kandidieren, da sie dieses wegen der ihr unterstellten Verstöße verwirkt habe. Dagegen wendet die Politikerin ein, daß es nach Feststellung der Zentralen Wahlkommission in allen 85 Abstimmungsbezirken keine relevanten Verstöße gegeben habe.

Noch während das Gericht am Dienstag (29. Nov.) tagte, hatten sich bis zu tausend Anhänger von Dschiojewa im Zentrum Tschinwalis versammelt, um ihren Sieg zu feiern und gegen die Wahlanfechtung zu demonstrieren. Etwa ebenso viele Demonstranten kamen auch am Mittwoch (30.Nov.) zusammen und harrten trotz starken Schneefalls bis Mitternacht vor dem Regierungsgebäude aus. Nach den Maßstäben der kleinen Republik ist das eine ungewöhnlich große Menschenmenge. Offiziell hat Südossetien rund 70000 Einwohner. Kenner der Verhältnisse gehen aber davon aus, daß in der Republik nur noch zwischen 20000 und 30000 Menschen leben. Zehntausende sind wegen der katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Lage ausgewandert, hauptsächlich nach Nordossetien und nach Moskau, haben allerdings in der Regel ihre Staatsbürgerschaft und ihr Wahlrecht behalten.

Das russische Außenministerium verbreitete am Mittwoch eine Stellungnahme, in der es »alle politischen Kräfte« Südossetiens dazu aufrief, »die von den höchsten Organen der Regierung getroffenen Entscheidungen zu respektieren«. Auf diese Erklärung, die eine kaum verhüllte Parteinahme für die Wahlannullierung und damit für Bibilow darstellte, folgte einige Stunden später eine zweite Verlautbarung. In dieser hieß es nun, daß Rußland zwar die äußere Sicherheit Südossetiens gewährleiste, aber nicht die Absicht habe, sich in dessen innere Angelegenheiten einzumischen. Die Lage nach der Stichwahl erfülle Rußland allerdings mit Sorge. »Wir hoffen aufrichtig, daß es möglich sein wird, die verfassungsmäßige Ordnung, Ruhe und Einheit der Gesellschaft in Südossetien aufrechtzuerhalten.«

Das Parlament der Republik hat inzwischen den Termin für die Wahlwiederholung auf den 25. März festgesetzt. Bis dahin bleibt Kokoity im Amt.

* Aus: junge Welt, 2. Dezember 2011


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