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Medwedjew: Eine offene Provokation

Russland kritisiert die morgen in Georgien beginnenden NATO-Manöver

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Am Mittwoch (6. Mai) beginnt in Georgien das Manöver »Cooperative Longbow 2009« – die erste von insgesamt zwei Übungen, die der Nordatlantikpakt dort im Rahmen seines Programms »Partnerschaft für den Frieden« abhalten will. Darüber hatten sich Tbilissi und die NATO bereits im April letzten Jahres und damit lange vor dem Augustkrieg um Südossetien verständigt. Russland kritisiert das Vorhaben dennoch heftig.

Wo noch vor kurzem Krieg herrschte, dürfe man keine Militärübungen veranstalten. Das sei eine alte Weisheit, sagte Russlands Präsident Dmitri Medwedjew Ende April. Jedenfalls müsse man »auf alle möglichen Komplikationen« gefasst sein. Russland werde die Entwicklungen in der Krisenregion daher sehr aufmerksam beobachten und gegebenenfalls »diese oder jene Entscheidung treffen«.

Moskaus Botschafter bei der NATO, Dmitri Rogosin, hatte gewohnt scharfzüngig erklärt: Es sei schwer zu glauben, dass die NATO bei der Entscheidung, zum gegenwärtigen Zeitpunkt Manöver in Georgien abzuhalten, dem »gesunden Menschenverstand« folgt, wie die Allianz selbst behauptet. Diese habe offenbar »keine Lehren aus den Ereignissen im August gezogen« und sollte besser über die Demilitarisierung der Region nachdenken. Gleichzeitig warnte Rogosin die georgische Regierung vor Provokationen. Der politisch schwer angeschlagene Staatschef Michail Saakaschwili werde versuchen, die Anwesenheit von NATO-Soldaten zu nutzen, um selbst geringfügige Zwischenfälle an den Grenzen zu Südossetien und Abchasien zu einem internationalen Konflikt aufzublasen.

Provoziert fühlt sich auch Georgien. Moskau drängt seine Verbündeten in der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS, die abtrünnigen Republiken anzuerkennen, und übernimmt zudem den Schutz der Grenzen Südossetiens und Abchasiens zu Georgien. Entsprechende Abkommen hatten deren Präsidenten am vergangenen Donnerstag mit Dmitri Medwedjew unterzeichnet. Die ersten der bisher an Russlands Grenze zu beiden Regionen stationierten Einheiten wurden am Wochenende bereits nach Süden verlegt. Dort hatte Russland schon im Winter mit dem Bau von Stützpunkten begonnen, auf denen insgesamt bis zu 9000 Soldaten stationiert werden sollen.

Darüber bereits ergrimmt, holte das Außenministerium in Tbilissi nach Moskaus Kritik an den Manövern zum verbalen Gegenschlag aus: Russland mische sich damit nicht nur in die inneren Angelegenheiten Georgiens ein, sondern versuche, der internationalen Gemeinschaft seinen Willen zu diktieren.

Das dürfte nicht das letzte Wort im diplomatischen Schlagabtausch gewesen sein, auch wenn beide Übungen keine direkte Bedrohung für die Sicherheit Russland darstellen. Bei »Cooperative Longbow« handelt es sich um eine Stabsübung: Trainiert wird das Zusammenwirken der NATOTruppen mit ihren »Partnern« bei der Krisenreaktion mit UN-Mandat. »Cooperative Lancer 2009«, eine Feldübung auf Bataillonsebene, soll am 21. Mai anlaufen und bis 1. Juni dauern. An beiden Manövern beteiligt sich die NATO mit 347 bzw. 739 Soldaten. Präsident Medwedjew kritisierte: »Wie auch immer man uns vom Gegenteil überzeugen will, dies ist eine offene Provokation.« Brisant aus russischer Sicht ist, dass unter den 19 teilnehmenden Staaten auch solche sind, die bisher nicht einmal Ambitionen auf einen NATO-Beitritt gucken ließen. Darunter Armenien, bisher Russland gegenüber loyal und dessen einzig sichere Bank im Südkaukasus. Jerewans Bündnistreue und damit längerfristig auch die russische Präsenz in der Region sah Moskau bereits Mitte April gefährdet, als die Außenminister Armeniens und der Türkei die Normalisierung ihrer Beziehungen einschließlich der schrittweisen Öffnung ihrer seit 1993 geschlossenen Grenzen vereinbarten.

Zusätzlich nervös macht Russland auch, dass Armenien sich auch am EU-Programm »Östliche Partnerschaft« beteiligen will. Der offizielle Startschuss dafür fällt am Donnerstag auf einem Gipfel in Prag. Eingeladen sind neben den Präsidenten der drei südkaukasischen Republiken Armenien, Aserbaidshan und Georgien auch deren Kollegen aus Moldova, der Ukraine und Belarus, dessen Staatsoberhaupt Alexander Lukaschenko der Westen noch vor kurzem als »letzten Diktator Europas« schmähte. Seine Annäherung an Westeuropa würde Pläne für einen russischbelarussischen Unionsstaat wohl endgültig zu Makulatur machen.

* Aus: Neues Deutschland, 5. Mai 2009


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