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Verhärtete Fronten im Gaza-Krieg

Der Tötung von Hamas-Kommandeuren folgt massiver Raketenbeschuss Israels *

Die Drohgebärden werden deutlicher: Die Hamas kündigt neue Angriffe auf Israel an. Die israelische Armee bombardiert weiterhin Ziele im Gaza-Streifen. Hoffnung könnte eine EU-Initiative bringen.

Gaza. Nach der Tötung dreier Hamas-Kommandeure durch die israelische Armee drohen Israel und die Palästinenser einander mit neuer Gewalt. Hamas-Chef Ismail Hanija kündigte an, Israel werde für »seine Verbrechen einen hohen Preis zahlen«. Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, seien nun stärker, als der Feind es sich vorstelle, sagte Hanija in der Nacht zum Freitag.

Militante Palästinenser töteten elf Männer, die mit Israel zusammengearbeitet haben sollen, wie die palästinensische Nachrichtenagentur Maan am Freitag berichtete. Bereits am Vortag hatte die radikal-islamische Hamas drei mutmaßliche Kollaborateure im Gaza-Streifen getötet.

Eine Sprecherin der israelischen Armee sagte am Freitag, Israel werde den Gaza-Streifen »entsprechend der Notwendigkeit« weiter angreifen. Die drei Militärchefs Mohammed Abu Schimala, Raed al-Attar und Mohammed Barhum waren am Donnerstagmorgen bei einem Angriff in Rafah getötet worden. Seitdem seien mehr als 130 Raketen auf Israel abgefeuert worden, sagte eine Militärsprecherin am Freitagvormittag. Israel habe in derselben Zeit rund 50 Luftangriffe auf Ziele im Gaza-Streifen geflogen, zehn davon in der Nacht zum Freitag.

Als »Warnsignal« an die Hamas hatte Israel am Donnerstag 10 000 Reservisten eingezogen. Medienberichten zufolge ist die israelische Armee in erhöhter Alarmbereitschaft. Man befürchte Vergeltungsmaßnahmen der Hamas.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien setzen sich für eine UN-Beobachtermission im Gaza-Streifen ein. Der Entwurf einer Resolution liege dem Sicherheitsrat vor, hieß es. Die Resolution soll eine Öffnung der Grenzen zum Gaza-Streifen beinhalten, aber auch Sicherheitsgarantien für Israel enthalten. Die EU will sich demnach stärker in Gaza engagieren.

* Aus: neues deutschland, Samstag 23. August 2014


Das Töten geht weiter

Laut UNICEF brauchen Hunderttausende Kinder in Gaza sofort Hilfe. Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat. Israel fliegt neue Angriffe

Von Karin Leukefeld **


Die Angriffe Israels auf den Gazastreifen gehen ungebremst weiter. Nach einem Bericht des UN-Kinderhilfswerks (UNICEF) sind allein in den ersten 48 Stunden seit Beginn der neuerlichen Attacken am Dienstag neun Kinder getötet wurden. Wie die Leiterin des UNICEF-Programms in Gaza, Pernilla Ironside, am Donnerstag in New York berichtete, brauchen 337000 Kinder »sofortige psychosoziale Hilfe«. Nicht nur wegen der vielen Toten und der Zerstörung seien sie sowohl physisch als auch emotional und psychisch in größter Not, sondern auch weil es »keinen sicheren Platz in Gaza« gebe. »Es gibt keine einzige Familie in Gaza, die nicht persönlich Tod, Verletzung, den Verlust ihres Zuhauses, große Zerstörung oder Vertreibung erlebt hat.« Das neue Schuljahr beginne bald, doch mehr als 200 Schulen seien zerstört, sagte Ironside. Wenn man jetzt mit dem Wiederaufbau in Gaza beginne, könne es »18 Jahre dauern«, um die 17000 Wohnungen und Häuser wiederzuerrichten, die zerstört worden seien.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA haben derweil im UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf vorgelegt, der verschiedenen Medien zufolge sowohl in Israel als auch bei den Palästinensern mit großem Interesse zur Kenntnis genommen worden sei. Der Entwurf, der auf einen Vorschlag der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zurückgeht, sieht einen sofortigen Waffenstillstand, die Öffnung des Gazastreifens unter EU-Kontrolle und die Rückkehr der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) in das Gebiet sowie die Stationierung einer internationalen UN-Mission vor. Vorbild könnte die Mission im Südlibanon sein, die seit 2006 die Grenze zu Israel sichert. Israel lehnt eine Stationierung von UN-Truppen auf seinem Territorium derweil ab.

Seit Beginn des neuen Krieges gegen Gaza haben UN-Organisationen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und andere Hilfsorganisationen massive Menschenrechtsverletzungen und Zerstörungen durch Angriffe der israelischen Armee dokumentiert. Man verurteile »die absichtliche Tötung von Zivilisten im Gazastreifen«, hieß es in einer Presseerklärung des palästinensischen Menschenrechtszentrums Al-Mezan am Donnerstag. Die Zahl der Getöteten in Gaza seit dem Beginn der Angriffe am 7. Juli 2014 gibt Al-Mezan mit 2090 an. 76,9 Prozent der Opfer seien Zivilisten. Mindestens 963 Personen seien in ihren Wohnungen und Häusern getötet worden, darunter 310 Kinder. 229 Personen starben in der Nähe ihrer Wohnungen, viele, als sie vor den israelischen Angriffen fliehen wollten. In ihrer Erklärung listet die Organisation Angriffe und Getötete aus dem »Distrikt Nord-Gaza, Gaza-Stadt, aus den Distrikten Gaza-Mitte, Khan Younis und aus Rafah« auf.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hatte die israelische Luftwaffe in Rafah ihren tödlichsten Angriff der vergangenen Tage geflogen, den Al-Mezan wie folgt dokumentiert: »Etwa um 2.30 Uhr morgens feuerte ein Kampfjet neun schwere Raketen auf das Haus von Nasser Kellab, das in unmittelbarer Nähe der Häuser der Familie Junis und der Familie von Abu Slaimeh liegt. Die Häuser befinden sich (…) westlich der Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen. Der Angriff, der möglicherweise drei Anführern der Al-Kassam-Brigaden gegolten haben könnte, tötete zehn Personen und verletzte weitere 49, darunter 20 Kinder und 14 Frauen. Neben den drei Anführern von Al-Kassam wurden vier Bewohner des Hauses und drei der Nachbarn getötet.« Neben der getöteten Familie Kellab (Vater, Mutter, zwei Söhne) wurden auch der 75jährige Hassan Hussein Junis und seine 53jährige Frau Amal Ibrahim Junis getötet.

Was nicht in dieser Erklärung steht, ist die Tatsache, daß es sich bei dem getöteten Ehepaar Junis um die Eltern von Issam Junis handelt, der das Menschenrechtszentrum Al-Mezan gegründet hat und leitet. Unter den Verletzten waren auch Angehörige von Jussef Abu Slaimeh, ebenfalls ein Mitarbeiter von Al-Mezan. Bereits am 10. August war bei einem gezielten israelischen Drohnenangriff der Al-Mezan-Mitarbeiter Anwar Al-Saanin getötet worden, während er beschädigte Wasserleitungen an seinem Wohnhaus prüfte.

** Aus: junge Welt, Samstag 23. August 2014


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