Neue Gaza-Solidaritätsflotte soll Blockade brechen
Ägypten schlägt Geberkonferenz für Wiederaufbau vor / Israel kritisiert Zusammensetzung einer UNO-Untersuchungskommission *
Während Aktivisten eine neue Gaza-Flotte planen, verhandeln die Palästinenser und Israel weiter. Die Waffenruhe bleibt derweil fragil.
Eine internationale Gruppe pro-palästinensischer Aktivisten will erneut mit einer Solidaritätsflotte die israelische Seeblockade des Gaza-Streifens durchbrechen. Die Schiffe sollten Hilfsgüter transportieren, sagte der schwedisch-israelische Aktivist Dror Feiler am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Istanbul. Im Vordergrund stehe aber die Botschaft an die Menschen in Gaza, dass sie nicht alleine seien. Die Flotte soll noch in diesem Jahr aufbrechen. An den Planungen ist die türkische islamische Hilfsorganisation IHH beteiligt, die bereits 2010 eine Solidaritätsflotte mitorganisiert hatte. Damals hatten israelische Soldaten das türkische Schiff »Mavi Marmara« gestürmt, wobei zehn türkische Staatsbürger ums Leben kamen.
Ägypten hat nach palästinensischen Angaben eine Geberkonferenz für den Wiederaufbau des Gaza-Streifens vorgeschlagen, die Anfang September in Scharm el-Scheich am Roten Meer stattfinden könnte. Die Palästinenserführung habe auf diesen Vorschlag bislang noch nicht geantwortet und wolle zuvor die Ergebnisse der laufenden Verhandlungen über einen unbefristeten Waffenstillstand für den Gaza-Streifen abwarten, hieß es. In Kairo fanden am Dienstag den zweiten Tag in Folge Verhandlungen über eine längerfristige Lösung des Gaza-Konfliktes statt.
Die im Gaza-Streifen herrschende Hamas hat Israel nach einem Fernsehbericht einen Bruch der Waffenruhe vorgeworfen. Nach Augenzeugenberichten hätten israelische Schiffe Schüsse auf einen Küstenstreifen im Süden Gazas abgegeben. Die beschossenen Abschnitte seien leer gewesen, niemand sei verletzt worden. Wahrscheinlich handele es sich um »Warnschüsse«, die palästinensische Fischer daran hindern sollten, die von Israel auferlegte Fangzone zu verlassen. Der Hamas-Sender Al-Aksa TV wertete die Schüsse als Bruch der Waffenruhe. Eine israelische Militärsprecherin sagte, sie prüfe die Berichte.
Israel hat derweil die Zusammensetzung einer Untersuchungskommission der UNO zum Gaza-Konflikt heftig kritisiert. Insbesondere die Berufung des kanadischen Juraprofessors William Schabas zum Vorsitzenden des dreiköpfigen Gremiums stieß am Dienstag in Jerusalem auf Ablehnung. Damit werde das Ergebnis der Untersuchung bereits vorweggenommen, sagte Jigal Palmor, der Sprecher des israelischen Außenministeriums. Schabas hatte die Politik Israels in der Vergangenheit scharf kritisiert.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch 13. August 2014
Waffenruhe in Gaza, Treffen in Kairo
Palästinenser und Israel wieder in Verhandlungen **
Die neuerliche dreitägige Feuerpause für den Gaza-Streifen ist am Montag von beiden Seiten strikt beachtet worden. In Kairo setzten ägyptische Vermittler daraufhin ihre Pendeldiplomatie zwischen Delegationen aus Israel und den Palästinensergebieten fort, um einen unbefristeten Waffenstillstand zu erreichen. Im Zentrum standen dabei erneut die von Israel geforderte Abrüstung der radikalislamischen Hamas sowie die Freigabe des Güter- und Personenverkehrs in und aus dem Küstengebiet.
Bis kurz vor der Waffenruhe, die um Mitternacht begann, hatte die Hamas-Bewegung noch Raketen bis Tel Aviv geschossen, die israelische Luftwaffe reagierte ihrerseits mit Angriffen. Am Montag öffneten dann wieder alle Geschäfte und Marktstände in der Stadt Gaza. Vor einer UN-Schule, die derzeit als Notunterkunft dient, standen Wagen und Eselskarren, mit denen Vertriebene in ihre Heimatorte fahren wollten.
»Wir wollen sehen, wie es um unser Haus steht«, sagte Hikat Atta, der auf einem Pritschenwagen seine Familie platzierte, mit der er aus dem nördlichen Beit Lahija vor den Angriffen geflohen war. Angesichts der Brüchigkeit der bisherigen Feuerpausen wollte er aber nicht dort bleiben. »Wir kommen am Abend lieber hierher zurück«, sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Ein sechs Wochen altes Mädchen, das an zuvor erlittenen Verletzungen starb, blieb am Montag das einzige neue Todesopfer des Gaza-Konflikts, der am 8. Juli eskaliert war. Seitdem wurden 1939 Palästinenser getötet, auf israelischer Seite starben 67 Menschen.
In Kairo führten die als Vermittler tätigen Spitzenleute des ägyptischen Geheimdienstes zunächst stundenlange Gespräche mit der palästinensischen Delegation. Am Montagabend wollten sie mit den Israelis reden, die am Morgen an den Verhandlungsort zurückgekehrt waren. Von dort waren sie Freitagmorgen abgereist, nachdem die Palästinenser die Verlängerung einer befristeten Feuerpause abgelehnt und erneut Raketen Richtung Israel abgefeuert hatten.
Die Aufhebung der seit acht Jahren in wechselnder Intensität bestehenden See- und Landblockade ist eine der Hauptforderungen der Palästinenser. Israel macht eine Entmilitarisierung des Küstengebiets zur Voraussetzung einer weitgehenden Lockerung der Beschränkungen. Der UN-Koordinator für die Palästinensergebiete, James Rawley, hält diese Schritte für unerlässlich. »Die Blockade muss aufgehoben werden; nicht nur, um Material zum Wiederaufbau in den Gaza-Streifen zu schaffen, sondern auch, damit dort getan werden kann, was vor nicht einmal zehn Jahren sehr gut klappte: Handel mit der Außenwelt zu treiben«, sagte er. Ohne Ende der Abschottung könne die Gewalt nicht gestoppt werden.
Entscheidende Voraussetzung für eine schrittweise Lockerung könnte die Übernahme der Grenzkontrollen durch die Palästinensische Autonomiebehörde sein. Wie Delegationsleiter Asam al-Ahmed in Kairo mitteilte, einigten sich alle palästinensischen Gruppierungen darauf, dass die Autonomiebehörde alle potenziellen Ergebnisse der laufenden Verhandlungen umsetzen soll, darunter die Grenzkontrollen und den Wiederaufbau. Die von Präsident Mahmud Abbas geführte Behörde steht im Unterschied zur Hamas im direkten Kontakt mit Israel.
** Aus: neues deutschland, Dienstag 12. August 2014
UN-Kommission: Internationale Untersuchung ***
Die Vereinten Nationen haben am Montag ein Expertengremium zur Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen im Gaza-Konflikt ernannt. Leiten soll die Kommission der kanadische Völkerrechtsprofessor William Schabas. Ebenfalls in das Gremium berufen wurde der senegalesische UN-Menschenrechtsexperte Doudou Diene. Die britisch-libanesische Anwältin Amal Alamuddin lehnte ihre Nominierung »wegen beruflicher Auslastung« ab. Das Gremium sei damit beauftragt, mutmaßliche Menschenrechtsverstöße auf seiten der israelischen Streitkräfte sowie militanter Palästinenser seit Beginn des Konflikts am 13. Juni zu untersuchen, erklärte die UNO. Es soll seinen Bericht dem UN-Menschenrechtsrat bis März kommenden Jahres vorlegen. Israel lehnte das Vorhaben ab und sprach von einem »Scheingericht«. Die palästinensische Hamas begrüßte den Schritt und erklärte, der Untersuchungsausschuß solle seine Arbeit so früh wie möglich beginnen.
Die israelische Regierung machte am Dienstag mächtig Stimmung gegen die UN-Kommission. Mit der Berufung des Völkerrechtlers Schabas zum Vorsitzenden werde das Ergebnis der Untersuchung bereits vorweggenommen, behauptete Jigal Palmor, der Sprecher des israelischen Außenministeriums. Grund für die Voreingenommenheit in Tel Aviv: Schabas hatte das Verhalten Israels im Nahostkonflikt in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert. Der Kanadier lehrt derzeit Internationales Recht in London. Er hatte unter anderem die israelische Militäroffensive »Gegossenes Blei« im Januar 2009 scharf verurteilt. Im vergangenen Jahr hatte der Experte für Genozidverbrechen bei einer Konferenz erklärt, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sei sein »Favorit« für ein Verfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.
Nach Angaben der Behörden im Gazastreifen sind bei den israelischen Luftangriffen in den vergangenen Wochen mehr als 1900 Palästinenser getötet worden. Israel beklagt den Tod von 64 Soldaten sowie drei Zivilisten, die bei dem Beschuß durch Raketen aus dem Gazastreifen ums Leben kamen.
Die im Gazastreifen regierende Hamas warf Israel am Dienstag einen Bruch der Waffenruhe vor. Nach Augenzeugenberichten hätten israelische Schiffe Schüsse auf einen Küstenstreifen im Süden Gazas abgegeben. Die beschossenen Abschnitte seien leer gewesen, niemand sei verletzt worden. Wahrscheinlich handele es sich um »Warnschüsse«, die palästinensische Fischer daran hindern sollten, die von Israel begrenzte Fangzone zu verlassen.
*** Aus: junge Welt, Mittwoch 13. August 2014
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