EU-Parlament setzt "Goldstone" auf Agenda
Abgeordnete debattierten erneut über UNO-Bericht zu Verbrechen im Gaza-Krieg
Von Martin Lejeune *
Am Montag (7. Feb.) tagte im Europäischen Parlament in Brüssel der Unterausschuss für Menschenrechte.
Dieser beschäftigte sich mit dem
Goldstone-Bericht über den Gaza-Krieg und mit dem
Report der
Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates (UNHRC) zum Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte.
Obwohl der Krieg im Gaza-Streifen bereits Ende 2008 begann und bis Ende 2009 andauerte, gab es
bisher keine internationale Ahndung dort begangener Kriegsverbrechen. Ein bereits am 15.
September 2009 veröffentlichter UNHRC-Report des südafrikanischen Juristen Richard Goldstone
bezichtigte sowohl palästinensische Gruppen als auch die israelische Armee, Menschenrechte
verletzt zu haben und fordert beide Seiten auf, diese Vorwürfe gründlich zu untersuchen. Dieser
Aufforderung kam bisher niemand nach, so der UNHRC in Genf, und verlängerte die Fristen bis
März.
Wegen der eklatanten Verzögerungen befasste sich auch das Europäische Parlament mehrfach mit
dem Goldstone-Bericht. Im März vergangenen Jahres verabschiedeten die Abgeordneten eine
Resolution, in der Israel und die Palästinenser aufgefordert wurden, endlich die Empfehlungen des
Goldstone-Berichtes umzusetzen.
»Der Zweck der Anhörung des Unterausschusses für Menschenrechte am Montag war nicht nur,
das Plenum des Europaparlaments über den Fortgang der Angelegenheit zu informieren«, so die
Bundestagsabgeordnete der LINKEN Annette Groth gegenüber ND, »sondern auch, den Bericht der
Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen. Wir wollen nicht, dass die darin dokumentierten
Kriegsverbrechen in Vergessenheit geraten, bevor sie geahndet werden.« Groth war nicht nur in
ihrer Funktion als Menschenrechts-Sprecherin der LINKEN-Fraktion im Bundestag bei der Beratung
in Brüssel zugegen. Da sie im Mai 2010 mit auf dem von der israelischen Marine geenterten
Hilfsschiff »Mavi Marmara« fuhr, sagte sie gegenüber dem UNHRC selbst als Zeugin zum Angriff auf
die Gaza-Flottille aus, bei dem neun Friedensaktivisten getötet wurden.
Miri Weingarten, jüdisch-israelische Aktivistin der Physicians for Human Rights-Israel, Trägerin des
alternativen Friedensnobelpreises, sagte vor dem Ausschuss: »Internationales Recht muss Recht
bleiben und darf nicht in der Bedeutungslosigkeit versinken. Wenn gravierende Verstöße nicht
geahndet werden, wird dies zu einer Legitimierung von Kriegsverbrechen und zu einem allgemeinen
Klima der Straflosigkeit führen. Die Einhaltung internationaler Völkerrechtsnormen ist Voraussetzung
für einen Frieden in der Region.«
Der Überfall auf die »Mavi Marmara« sei lange geplant gewesen, betonte Groth im
Europaparlament. Dies gehe aus einer Äußerung von Israels Verteidigungsminister Ehud Barack
hervor. Der UNHRC-Bericht, der »Besorgnis über die Auswirkung der Blockade auf die
Zivilbevölkerung des Gaza-Streifens« zum Ausdruck brachte, decke sich vollkommen mit ihren
Eindrücken, so Groth. »Den Bericht muss jeder lesen. Weil immer noch verbreitet wird, dass die
Gewalt auf den Schiffen von uns ausgegangen wäre. Dass das nicht stimmt, beweist die
Untersuchung eindrucksvoll. Nun müssen die Verantwortlichen, die den Schießbefehl gaben, vor
Gericht gestellt und bestraft werden«, fordert die Linkspolitikerin.
* Aus: Neues Deutschland, 8. Februar 2011
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