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Gaza-Flottille sammelt sich zum Ablegen

Französisches Schiff in See gestochen / Drohung aus Israel an mitreisende Journalisten

Von Martin Lejeune, Athen *

Eine internationale humanitäre Hilfsflotte aus zehn Schiffen mit 400 Passagieren an Bord will Ende der Woche die Häfen des Gaza-Streifens erreichen, um die israelische Seeblockade zu durchbrechen. Die Mehrheit der Schiffe sticht von verschiedenen griechischen Häfen aus in See.

Das unter französischer Flagge fahrende Schiff »Al Karama«, mit hunderten Tonnen Hilfsgütern und zehn Aktivisten an Bord, hat am Samstag von L'Île-Rousse auf Korsika aus Kurs auf den Gaza- Streifen genommen. Das französische Schiff wird am Montagmittag in griechischen Gewässern erwartet. Der französische Frachter »Louise Michel«, der letzte Woche Marseille verlassen hatte, liegt bereits vor der Küste Griechenlands.

Deutsche beteiligen sich hauptsächlich an zwei Schiffen: gemeinsam mit Aktivisten aus der Schweiz an einem Frachtschrift und an einem Passagierschiff. Auf dem Frachtschiff werden sechs Besatzungsmitglieder aus Deutschland sein, auf dem Passagierschiff der Autor dieses Textes. Der Name des Schiffes und eines Hafens werden aus Sicherheitsgründen vor dem Auslaufen nicht bekannt gegeben. Auf der kanadischen »Tahrir« ist ebenfalls ein deutscher Journalist an Bord. Insgesamt beteiligen sich zehn deutsche Staatsbürger an der Flotte. Das deutsch-schweizerische Frachtschiff hat 1200 Tonnen mit lebenswichtigen Gütern wie medizinisches Gerät und Baumaterial an Bord. Die Hilfsgüter wurden mittels privater Spenden aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz finanziert.

»Wir fordern die griechischen Behörden auf, die Güter zu kontrollieren«, sagt Khamis Kort von der »Deutschen Initiative zum Bruch der Gazablockade«. »Wir treten von uns aus den Beweis an, dass unser Schiff nicht die Sicherheit Israels gefährden will und laden Medienvertreter dazu ein, beim Beladen der Schiffes Zeugen zu sein. Auch Vertreter der UNO sollten unser Schiff kontrollieren, damit Israel später nicht behaupten kann, dass Waffen nach Gaza eingeführt worden wären.« Kort hofft, dass die momentan in griechischen Häfen vor Anker liegenden Schiffe mit deutscher Beteiligung Mitte der Woche ablegen können, damit sie sich zusammen mit den anderen Schiffen in den internationalen Gewässern vor der Küste Griechenlands sammeln und gemeinsam Kurs auf Gaza nehmen können.

Die Außenministerien von Griechenland, Deutschland, den USA und Spanien haben sich gegen das Vorhaben der Flotte ausgesprochen. Dagegen hat »Frankreich sich nicht in dieser Art geäußert und das Schiff in Korsika ohne Probleme ablegen lassen«, betont der aus dem Gaza-Streifen stammende Kort. »Damit sendet Frankreich als einziges westliches Land die deutliche Botschaft in die Welt, dass die völkerrechtswidrige Blockade des Gaza-Streifens enden muss.«

Laut Kort haben die derzeit in Griechenland agierenden Initiatoren der Flotte bis jetzt keine großen internen organisatorischen Schwierigkeiten bewältigen müssen, dafür jedoch massive Probleme mit den griechischen Behörden. »Absurde Auswüchse der Bürokratie, hinter denen der Druck Israels steckt, verhindern das Ablegen unserer Schiffe um mehrere Tage«, so Kort.

Israel hat ausländische Journalisten davor gewarnt, mit der Hilfsflottille für den Gaza-Streifen mitzureisen. Auf den Schiffen mitzufahren sei ein »vorsätzlicher Verstoß gegen israelisches Recht«, heißt es in einem Brief des Pressebüros der israelischen Regierung. Mitreisenden Journalisten könne bis zu zehn Jahre lang die Einreise nach Israel verweigert werden; auch könnten deren Ausrüstung beschlagnahmt und »weitere Sanktionen« verhängt werden. Die Vereinigung ausländischer Medien, die aus Israel und den Palästinensergebieten berichten, reagierte empört auf die Drohung. Dies werfe »ernsthafte Fragen« auf, inwieweit sich Israel der Pressefreiheit verpflichtet fühle. (AFP)

* Aus: Neues Deutschland, 27. Juni 2011


Startschwierigkeiten in Griechenland

US-Schiff der Free-Gaza-Flottille aufgehalten. Journalisten droht Einreiseverbot in Israel

Von Claudia Wangerin *


Das für den heutigen Montag (27. Juni) geplante Zusammentreffen der zweiten internationalen »Free-Gaza«-Flottille in internationalen Gewässern vor Griechenland wird sich aller Voraussicht nach verzögern. Die Organisatoren teilten am Sonntag mit, die US-amerikanische »Audacity of Hope« (»Kühnheit der Hoffnung«) werde von den griechischen Behörden aufgehalten. Unklar ist demnach, ob das Schiff nicht auslaufen darf, weil eine Privatperson in einem anonymen Hinweis dessen Seetüchtigkeit in Frage stellte, oder ob Athen dem politischen Druck der USA und Israels nachgeben will. In einer gemeinsamen Erklärung forderten die mitreisenden Aktivisten am Sonntag die griechische Regierung auf, dies klarzustellen. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Jigal Palmor, wies gegenüber der Tageszeitung Jediot Achronot den Verdacht zurück, Israel habe mit der griechischen Entscheidung etwas zu tun. »Das sind paranoide Anschuldigungen von Heulsusen«, sagte Palmor dem Blatt.

In mehreren Mittelmeerhäfen bereiten sich die Teilnehmer der Flottille, die Hilfsgüter in den palästinensischen Gazastreifen bringen und mit friedlichen Mitteln die Aufhebung der israelischen Seeblockade erreichen will, auf die Abreise vor. So auch jW-Korrespondent Peter Wolter auf dem kanadischen Schiff »Tahrir«.

Bereits Ende letzter Woche hatte Israels UN-Botschafter Ron Prosnor angekündigt, die Schiffe vor dem Ziel abzufangen. Mitfahrenden Journalisten, darunter auch Mitarbeiter des US-Senders CCN, droht das israelische Regierungspresseamt (GPO) mit einem zehnjährigen Einreiseverbot. Man sehe die Teilnahme an dem Schiffskonvoi als absichtliche Verletzung israelischer Gesetze an. Den Berichterstattern drohten zudem die Konfiszierung ihrer Ausrüstung sowie weitere Sanktionen, schrieb der GPO-Leiter Oren Helman an ausländische Medienvertreter in Israel. Im vergangenen Jahr hatte die israelische Marine bei der Kaperung der ersten Flottille dieser Art neun türkische Aktivisten getötet.

** Aus: junge Welt, 27. Juni 2011

Netanyahu: Israel wird nicht zulassen, dass die See-Blockade durchbrochen wird

Die Vorbereitungen für eine neue Gaza-Flottille gehen weiter. Zehn Schiffe planen zur Zeit, am Dienstag in See zu stechen, um die Seeblockade des Gaza-Streifens zu durchbrechen. Regierung und Armee hoffen weiterhin, dass die Schiffe von selbst beidrehen werden und die Marine nicht gezwungen sein wird, sie zu entern.

Sechs oder sieben der Schiffe liegen in Griechenland vor Anker. Israel und die USA haben die griechischen Behörden gebeten, ihr Auslaufen so lang wie möglich zu verhindern.

Der Plan der Marine besteht darin, die Schiffe nicht wie im letzten Jahr zu entern sondern zum Beidrehen zu bewegen, um sie dann in den ägyptischen Hafen El Arish zu geleiten. Nichtsdestotrotz ist die Armee auf alle möglichen Szenarien vorbereitet, auch auf eine mögliche gewalttätige Konfrontation.

Premierminister Binyamin Netanyahu erklärte: Israel wird nicht zulassen, dass die See-Blockade durchbrochen wird.

(Haaretz, 27.06.11)

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 27. Juni 2011



Why I'm joining the Freedom Flotilla to Gaza

Pulitzer prize-winning American writer Alice Walker is on board an international flotilla of boats sailing to Gaza to challenge the Israeli blockade. Here she tells why.

By Alice Walker ***

Why am I going on the Freedom Flotilla II to Gaza? I ask myself this, even though the answer is: what else would I do? I am in my 67th year, having lived already a long and fruitful life, one with which I am content. It seems to me that during this period of eldering it is good to reap the harvest of one's understanding of what is important, and to share this, especially with the young. How are they to learn, otherwise?

Our boat, The Audacity of Hope, will be carrying letters to the people of Gaza. Letters expressing solidarity and love. That is all its cargo will consist of. If the Israeli military attacks us, it will be as if they attacked the mailman. This should go down hilariously in the annals of history. But if they insist on attacking us, wounding us, even murdering us, as they did some of the activists in the last flotilla, Freedom Flotilla I, what is to be done?

There is a scene in the movie Gandhi that is very moving to me: it is when the unarmed Indian protesters line up to confront the armed forces of the British Empire. The soldiers beat them unmercifully, but the Indians, their broken and dead lifted tenderly out of the fray, keep coming.

Alongside this image of brave followers of Gandhi there is, for me, an awareness of paying off a debt to the Jewish civil rights activists who faced death to come to the side of black people in the American south in our time of need. I am especially indebted to Michael Schwerner and Andrew Goodman who heard our calls for help - our government then as now glacially slow in providing protection to non-violent protesters - and came to stand with us.

They got as far as the truncheons and bullets of a few "good ol' boys'" of Neshoba County, Mississippi and were beaten and shot to death along with James Chaney, a young black man of formidable courage who died with them. So, even though our boat will be called The Audacity of Hope, it will fly the Goodman, Chaney, Schwerner flag in my own heart.

And what of the children of Palestine, who were ignored in our president's latest speech on Israel and Palestine, and whose impoverished, terrorised, segregated existence was mocked by the standing ovations recently given in the US Congress to the prime minister of Israel?

I see children, all children, as humanity's most precious resource, because it will be to them that the care of the planet will always be left. One child must never be set above another, even in casual conversation, not to mention in speeches that circle the globe.

As adults, we must affirm, constantly, that the Arab child, the Muslim child, the Palestinian child, the African child, the Jewish child, the Christian child, the American child, the Chinese child, the Israeli child, the Native American child, etc, is equal to all others on the planet. We must do everything in our power to cease the behaviour that makes children everywhere feel afraid.

I once asked my best friend and husband during the era of segregation, who was as staunch a defender of black people's human rights as anyone I'd ever met: how did you find your way to us, to black people, who so needed you? What force shaped your response to the great injustice facing people of colour of that time?

I thought he might say it was the speeches, the marches, the example of Martin Luther King Jr, or of others in the movement who exhibited impactful courage and grace. But no. Thinking back, he recounted an episode from his childhood that had led him, inevitably, to our struggle.

He was a little boy on his way home from yeshiva, the Jewish school he attended after regular school let out. His mother, a bookkeeper, was still at work; he was alone. He was frequently harassed by older boys from regular school, and one day two of these boys snatched his yarmulke (skull cap), and, taunting him, ran off with it, eventually throwing it over a fence.

Two black boys appeared, saw his tears, assessed the situation, and took off after the boys who had taken his yarmulke. Chasing the boys down and catching them, they made them climb the fence, retrieve and dust off the yarmulke, and place it respectfully back on his head.

It is justice and respect that I want the world to dust off and put - without delay, and with tenderness - back on the head of the Palestinian child. It will be imperfect justice and respect because the injustice and disrespect have been so severe. But I believe we are right to try.

That is why I sail.

*** Source: The Guardian, June 25, 2011; www.guardian.co.uk


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