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15 Schiffe nach Gaza

Türkische Regierung warnt Israel vor erneutem Angriff auf Hilfsflotte. Netanjahu feiert Jahrestag der Besetzung Ostjerusalems

Von Karin Leukefeld *

Israelische Siedler haben am Montag Feuer auf palästinensischen Landwirtschaftsflächen südlich von Nablus gelegt, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Maan News unter Berufung auf die Autonomiebehörde (PA). Die Brandstifter seien vermutlich Bewohner einer nahegelegenen illegalen Siedlung, die Flammen hätten gelöscht werden können, bevor ernsthafter Schaden entstanden sei. In der Nacht zuvor waren 1500 Siedler nach Nablus einmarschiert, um an einem Ort zu beten, den sie für das Grab Josefs halten. Der Marsch erfolgte unter dem Schutz israelischer Soldaten. Als eine Gruppe von etwa 50 Siedlern – andere Quellen sprechen von 200 – angefangen habe, Straßensperren zu errichten, seien sie von den Soldaten aus der Stadt gedrängt worden. Fast täglich sind Palästinenser selbst in der offiziell von der PA kontrollierten Westbank mit Angriffen und Provokationen solcher Israelis konfrontiert, deren Ziel offensichtlich die Vertreibung der Palästinenser ist.

Unterstützung erhalten letztere von der internationalen »Free Gaza«-Bewegung, die Ende Juni erneut eine Flotte mit Hilfsgütern in den von Israel abgeriegelten Gazastreifen schicken will. 1500 Aktivisten aus 100 Ländern wollen dann mit 15 Schiffen unter anderem Baumaterial zu den belagerten Palästinensern bringen. Sollte Israel wieder, wie vor einem Jahr, Gewalt gegen die Frachter in internationalen Gewässern anwenden, werde die Türkei »die nötige Antwort« geben, warnte der türkische Außenminister Ahmed Davutoglu gegenüber Fernsehreportern. Zu den an der neuen Aktion beteiligten Schiffen wird auch die von der türkischen Hilfsorganisation IHH genutzte »Mavi Marmara« gehören. Auf ihr waren am 31. Mai 2010 neun Teilnehmer des ersten Hilfskonvois von israelischen Elitesoldaten getötet worden.

Eine weitere Flottille zu schicken, sei »sowohl unnötig als auch eine Provokation«, sagte hingegen Mark Regev, Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Man werde sicherstellen, daß nur Transporte, die nach Waffen durchsucht worden seien, den Gazastreifen erreichen könnten. Derzeit läßt Israel Warenlieferungen in dieses palästinensische Gebiet ausschließlich über einen einzigen Grenzposten zu. Auch Ägypten, das am vergangenen Wochenende den Übergang Rafah in den Gazastreifen geöffnet hatte, verweigert nach wie vor den Warentransport in das Palästinensergebiet.

Jonathan Spyer vom israelischen Forschungszentrum Herzliya warnte unterdessen dem Onlinemagazin »The Middle East Online« zufolge, daß sich die internationale Stimmung immer mehr gegen Israel wende. Die Versuche, den Staat zu »delegitimieren« nähmen zu, so Spyer, der als Beispiel dafür die Kampagne »Boycott, Divestment, Sanctions« (BDS) nannte. Weltweit werde der Versuch der Palästinenser unterstützt, im September ihren Staat in den Grenzen von 1967 mit Ostjerusalem als Hauptstadt von der Vollversammlung der Vereinten Nationen anerkennen zu lassen. Das sei »nicht gut für Israel«.

Dort feiert man am heutigen 1. Juni den 44. Jahrestag der »Wiedervereinigung« Jerusalems. Tatsächlich jährt sich am 7. Juni die Besetzung Ostjerusalems, das im Zuge des Sechstagekrieges von der israelischen Armee okkupiert und später annektiert worden war. Bei einer Kabinettssitzung in der Jerusalemer Altstadt kündigte Ministerpräsident Netanjahu am Montag Investitionen in Höhe von 100 Millionen US-Dollar für die »ewige und ungeteilte Hauptstadt« seines Landes an. Er behauptete, die Stadt sei seit der »Wiedervereinigung (…) erblüht«, mit dem Geld werde man »ihre Fundamente und Bewohner« stärken.

* Aus: junge Welt, 1. Juni 2011


Neue Proteste

Erinnerung an Tote der Free-Gaza-Flotte **

Ein Jahr nach der Erstürmung einer Hilfsflotte für den Gazastreifen durch israelische Soldaten haben Aktivisten an den tödlichen Angriff erinnert. Sie versammelten sich an Deck des Schiffs »Mavi Marmara« (Foto), auf dem am Morgen des 31. Mai 2010 neun Türken erschossen wurden: Ali Haydar Bengi, Furkan Dogan, Fahri Yaldiz, Cengiz Akyüz, Ibrahim Bilgin, Necdet Yildirim, Cetin Topcuoglu, Cevdet Kiliclar und Cengiz Songür. In den Straßen Istanbuls fanden sich zudem Tausende Demonstranten ein. Sie trugen Bilder der Getöteten und schwenkten palästinensische Fahnen. Die Pläne zur Entsendung einer neuen Hilfsflotte würden nicht dadurch beeinträchtigt, daß Ägypten die Blockade des Gazastreifens aufgehoben habe, teilten die Aktivisten mit.

»Der Strand Gazas muß frei sein. Deshalb fahren wir dahin«, sagte Vangelis Pisas, einer der griechischen Organisatoren der neuen Flotte. Sie will in etwa 20 Tagen einen neuen Versuch starten, die israelische Blockade zu durchbrechen. Die islamische Hilfsorganisation IHH nannte die dritte Juniwoche als Starttermin. Auf der »Mavi Marmara«, die am Ufer des Goldenen Horns festgemacht ist, wird noch gearbeitet. Die Seefähre soll an der Spitze von insgesamt 15 Schiffen mit 1500 Aktivisten an Bord Richtung Gaza-Küste in See stechen.

Am 8. Juli wiederum wollen Hunderte Aktivisten aus aller Welt für eine Woche nach Palästina kommen – auf Einladung von 15 Organisationen der palästinensischen Zivilgesellschaft, darunter »Open Bethlehem«, das Widerstandskomitee Bilin (www.bilin-village.org) und das Alternative Information Center (www.alternativenews.org). Die Reisenden werden am Flughafen Tel Aviv ankommen und offen erklären, daß sie ihre palästinensischen Freunde treffen wollen. Sie wollen ihr Recht wahrnehmen, die Einladung, die sie bekommen haben, anzunehmen.

»Willkommen in Palästina« ist eine gewaltlose weltweite Solidaritätsaktion. Sie hat zum Ziel, die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser auf Bewegungsfreiheit und offene Grenzen zu verteidigen. (jW)

** Aus: junge Welt, 1. Juni 2011


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