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Endstation Flughafen Tel Aviv

Teilnehmer der Aktion »Willkommen in Palästina« in israelischer Abschiebehaft

Von Martin Lejeune *

In Israel haben am Sonntag (10. Juli) 118 ausländische Bürgerinnen und Bürger auf die Abschiebung in ihre Heimatländer gewartet. Die Behörden hatten zuvor insgesamt 124 pro-palästinensische Aktivisten, die im Rahmen einer Solidaritätsaktion in die Palästinensergebiete einreisen wollten, am Tel Aviver Flughafen festgenommen. Einige von ihnen waren zwischenzeitlich wieder freigelassen worden.

Nachdem vor wenigen Tagen die internationale Gaza-Hilfsflotte faktisch aufgeben musste, versuchten im Laufe des Wochenendes etwa 600 pro-palästinensische Aktivisten über israelische Grenzübergänge in die besetzten Gebiete einzureisen. Dabei hätten sie laut Sophia Deeg vom Koordinationskreis Israel Palästina, einer Dachorganisation von Palästina-Solidaritätsgruppen, ausdrücklich »Palästina« als Reiseziel angegeben. »Gewöhnlich sagen über Israel in die besetzten Gebiete Reisende den Grenzbeamten, sie wollten nach Israel. Das Einzigartige an dieser konzertierten Aktion ist, dass die Teilnehmer der Aktion ihr wirkliches Ziel nicht verschleiern«, so Deeg.

Die israelischen Behörden hatten 124 Aktivisten, die im Zuge der internationalen Solidaritätsaktion auf dem internationalen Flughafen Ben Gurion gelandet waren, die Einreise verweigert und sie vorübergehend in Gefängnissen im ganzen Land verteilt. Die Haftzellen auf dem Flughafen waren bereits überfüllt, wie die Einwanderungsbehörde mitteilte.

Die Mehrzahl der Teilnehmer der Aktion »Willkommen in Palästina« war schon auf den Flughäfen ihrer Heimatländer aufgehalten worden. Laut Deeg soll die israelische Einwanderungsbehörde den europäischen Fluggesellschaften eine Schwarze Listen mit 342 »unerwünschten Personen« übergeben haben. Diese Transitreisenden seien dann von den Luftverkehrsunternehmen am Wochenende nicht befördert worden, gaben Sprecher der Gesellschaften hinter vorgehaltener Hand bekannt. So wurde unter anderem die aus Jamaika stammende Regisseurin Cynthia Beatt von der Lufthansa am Donnerstag (7. Juli) daran gehindert, von Berlin über Tel Aviv nach Bethlehem zu reisen. »Ich bin informiert worden, dass ich nicht nach Tel Aviv fliegen dürfe, weil Israel mich nicht einreisen lassen werde«, sagte Beatt gegenüber ND. Die Regisseurin ist davon überzeugt, dass sie »offenbar ohne Beweise bei der Lufthansa angeschwärzt« worden sei.

Die Aktivisten wollten eigentlich in die Palästinensergebiete reisen, um an ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag vor fünf Jahren zu erinnern. Darin war die von Israel im Westjordanland errichtete Sperrmauer als illegal bezeichnet worden. Nach Angaben der israelischen Einwanderungsbehörde waren die meisten der festgesetzten Aktivisten Franzosen, weitere kamen aus den USA, Belgien, Bulgarien, Spanien und den Niederlanden. Israel wertete das Vorgehen der Sicherheitskräfte am Flughafen Ben Gurion am Sonntag als Erfolg. »Wir haben die Provokation verhindert«, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Laut der israelischen Nachrichtenseite »Ynet« schafften es rund 50 europäische Aktivisten, unentdeckt die Passkontrollen am Flughafen zu passieren und ins Westjordanland zu reisen. Dort protestierten am Samstag etwa 50 Palästinenser und Ausländer am Kontrollpunkt Kalandija. Israelisches Militär sei mit Tränengas gegen die Demonstranten vorgegangen.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Juli 2011


Pyrrhus-Sieg Israels

Gaza-Flottille und »Fly-In« gestoppt

Von Peter Wolter **


Auf den ersten Bick sieht es so aus, als habe Israel erfolgreich die jüngsten Proteste gegen seine Palästina-Politik abgeblockt: Die zehn Schiffe der zweiten Gaza-Flottille stecken weiter in Griechenland fest, und von den »Airway-Demonstranten«, die am Freitag (8. Juli) mit einem massenweisen »Fly-In« nach Israel ihre Weiterreise nach Palästina erzwingen wollten, sind nur wenige Dutzend durchgekommen.

Wirft man aber einen zweiten Blick auf die Vorkommnisse der vergangenen Woche, stellt man fest, daß der erste täuscht. Dank der PR-Arbeit der Flottillen-Planer haben die Medien in Nordamerika, Skandinavien, West- und Südeuropa, Rußland – und die der muslimischen Welt sowieso – breit berichtet, wie Israel die mit gewaltlosen Pazifisten bemannte Flotte behindert hat: mit Sabotage, Propagandalügen, Spaltungsversuchen. Einige hunderttausend Menschen mehr als bisher wissen jetzt genauer, wo Menschenrechte ebenso mißachtet werden wie internationale Vereinbarungen.

Offenbar wurde auch diplomatische Erpressung angewandt – anders läßt sich nicht erklären, daß das bislang palästinafreundliche Griechenland sich mit seinem völkerrechtswidrigen Auslaufverbot zum Komplizen der Gaza-Blockade macht. Wie Griechenlands Regierung mitteilte, besucht Ministerpräsident Andreas Papandreou in wenigen Tagen Israel. Er wird dort Premier Benjamin Netanjahuhs Dank entgegennehmen – mindestens.

Die schrillen Reaktionen Israels und seiner Parteigänger im Westen zeigen eins: Tel Aviv schwimmen die Felle davon – nicht zuletzt aufgrund der sozialen Veränderungen in verschiedenen arabischen Staaten. Kein Wunder daher, daß es im israelischen Sicherheitsapparat offenbar Risse gibt: Während einige »Experten« versuchten, die Behauptung zu entkräften, die Palästina-Aktion sei eine terroristische Bedrohung, gefielen sich andere darin, mit immer neuen Horrorszenarien Öl ins Feuer zu gießen.

Welche Daumenschrauben Griechenland angelegt wurden, wissen wir nicht. Auf jeden Fall hat der Ruf seiner Regierung Schaden genommen: Nachdem sie sich die griechische Innenpolitik schon von Ackermann, Merkel & Co. vorschreiben läßt, holt sie jetzt ihre außenpolitischen Direktiven offenbar in Tel Aviv und Washington ein.

Bei der griechischen Bevölkerung kommt das überhaupt nicht gut an. Gegen das Auslaufverbot gab es in vielen Häfen spontane Demonstrationen, und nicht wenige Soldaten und griechische Hafenbeamte entschuldigten sich bei den Teilnehmern der Flottille dafür, daß sie diese nicht auslaufen lassen durften.

Aber Israel sollte sich nicht zu früh freuen: Die dritte Flottille ist offenbar schon in Planung, es geht wohl auch ohne Papandreou. Die Organisatoren der kanadischen »Tahrir« gaben am Sonntag bekannt, daß sie für dieses Mal aufgeben, daß sie aber den nächsten Anlauf schon vorbereiten – das Schiff liegt ausgerüstet an der Pier.

** Aus: junge Welt, 11. Juli 2011


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