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Schiffe nicht mehr sicher

Aktivisten der "Free Gaza"-Flottille wollen so schnell wie möglich die Häfen verlassen. Irisches Schiff kann nach Sabotageakt nicht teilnehmen

Von Claudia Wangerin *

Nach dem Sabotagakt auf das irische Schiff der »Free Gaza«-Flottille, das infolgedessen nicht an dem Konvoi teilnehmen kann, hat am Donnerstag auf den übrigen Schiffen die Nervosität zugenommen. In verschiedenen Mittelmeerhäfen warteten Passagiere und Crewmitglieder auf das Startsignal des internationalen Lenkungsausschusses, um endlich die Häfen verlassen zu können, in denen sie sich nicht mehr sicher vor Anschlägen fühlen.

Letzte Meldung: Hilfsflotte darf nicht auslaufen!

Die griechischen Behörden haben die neue Hilfsflotte für den Gazastreifen festgesetzt. Das Zivilschutzministerium in Athen verbot den neun wartenden Schiffen am Freitag, aus den griechischen Häfen auszulaufen. Das Ministerium wies die Küstenwache an, das Verbot mit "allen angemessenen Mitteln" durchzusetzen. Hunderte Aktivisten wollen mit den Schiffen unter griechischen und ausländischen Flaggen in See stechen, um die israelische Seeblockade des palästinensischen Gebietes zu durchbrechen.
Nach Angaben der Organisatoren lief eines der Schiffe, die "Audacity of Freedom", mit mehreren Dutzend Amerikanern an Bord am Freitagnachmittag ohne Erlaubnis aus dem Hafen von Perama bei Athen aus. Die Aktivisten wurden nach gut drei Kilometern von der Küstenwache gestoppt und aufgefordert, in den Hafen zurückzukehren.
Nachrichtenagenturen, 1. Juni 2011, 19.00 Uhr



Ursprünglich sollten die zehn Schiffe bereits am 27. Juni in internationalen Gewässern südlich von Kreta zusammentreffen, um Hilfsgüter in den palästinensischen Gazastreifen zu bringen und mit friedlichen Mitteln die Aufhebung der israelischen Seeblockade zu erreichen. Am Montag abend war bereits ein Sabotageakt auf das schwedisch-griechische Schiff der Flottille verübt worden. Teile der Schiffsschraube wurden vermutlich mit einem Metallschneidegerät abgeschnitten, teilten die Organisatoren mit. Die Aktivisten wollten aber denn Schaden reparieren und wie geplant in See stechen. Zu Verzögerungen kam es außerdem, weil das US-Teilnehmerschiff »Audacity of Hope« von den griechischen Hafenbehörden aufgehalten wurde – angeblich wegen eines anonymen Hinweises auf technische Mängel, nach Einschätzung der Organisatoren jedoch aufgrund des politischen Drucks durch die USA und Israel.

Das irische Schiff »Saoirse« sei in einer Art und Weise beschädigt worden, die zum Tod der Passagiere hätte führen können, teilte die Initiative »Irish Ship to Gaza« (ISG) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Dublin mit. Israel müsse als Hauptverdächtiger dieses »professionellen und sehr kalkulierten Sabotageakts« gelten, hieß es. »Wenn wir den Schaden nicht rechtzeitig bemerkt hätten, wären wir mit einer gefährlich beschädigten Antriebswelle in See gestochen«, sagte der ISG-Koordinator Fintan Lane. Der irische Premierminister Enda Kenny warnte am Donnerstag die israelische Regierung vor sämtlichen Aktionen, die das Leben der Aktivisten gefährden könnten.

Tel Aviv hatte am Montag angekündigt, mit allen Mitteln zu verhindern, daß die Schiffe der »Freedom-Flottilla II« den Gazastreifen erreichen. Die Schiffe sollen geentert und die Passagiere verhaftet werden. Zeitnah verbreitete das Militär ohne Quellenangabe Gerüchte über Chemikalien, die von gewaltbereiten Extremisten an Bord der Schiffe gebracht werden sollten, um israelische Soldaten zu verletzen oder sogar zu töten. Armeesprecherin Avital Leibovich beharrte am Dienstag abend darauf, daß diese Gerüchte der Wahrheit entsprächen. »Diese Chemikalien werden erst an Bord aus Dünger hergestellt. Dünger darf legal nach Gaza eingeführt werden. Es gibt keinen anderen Grund, Dünger zu laden, als diesen als Waffe gegen die Soldaten zu mißbrauchen«, sagte Leibovich nach einem Bericht der Tageszeitung Neues Deutschland. Leibovich behauptete zudem, die Armee habe einen Agenten in die US-Teilnehmergruppe eingeschleust, nachdem sie zunächst »aus Sicherheitsgründen« keine Quelle nennen wollte. Die Organisatoren der Flottille nannten die Vorwürfe absurd. Sie hatten mehrfach Medien und internationale Organisationen zur Inspektion der Schiffe eingeladen und israelische Sicherheitskreise aufgefordert, ihre Verdachtsmomente zu präzisieren.

* Aus: junge Welt, 1. Juli 2011


Die "Stefano Chiarini" ist startklar

Schiffe aus der Gaza-Flottille sollen am Freitagmittag auslaufen / Sabotagevorwürfe gegen Israel

Von Martin Lejeune, Korfu **


Bis Freitag 12 Uhr (1. Juli) wird das europäische Passagierschiff »Stefano Chiarini« mit aus Deutschland kommenden Teilnehmern und drei Österreichern von Korfu nach Gaza auslaufen.

An Bord der »Stefano Chiarini« am Tag vor dem geplanten Auslaufen ist die Stimmung gut und heiter. Die Teilnehmer scherzen miteinander oder gönnen sich ein kleines Sonnenbad an Deck. Derzeit wird das Schiff mit Lebensmitteln für die Passage beladen.

Die rund 60 Passagiere, zu denen am Donnerstagvormittag (30. Juli) auch ein irischer Abgeordneter gestoßen ist, dessen Schiff in der Türkei am Mittwoch fahrtuntüchtig gemacht wurde, bilden seit Donnerstagmittag zwölf Uhr für die nächsten 24 Stunden Sicherheitsgruppen à vier Leuten, die in stündlichem Wechsel die Beladung des Schiffes kontrollieren und Ausschau nach Saboteuren halten sollen.

Unterdessen wird der Druck auf mitfahrende Journalisten größer. Die israelische Armee ruft Journalisten an, die über die Flotte berichten, um sie entsprechend zu beeinflussen. »Die die Flotte aufhaltenden Soldaten werden nicht unterscheiden zwischen Teilnehmern und Journalisten. Journalisten werden verhaftet und verhört. Auch werden wir Ihnen Ihre Ausrüstung entwenden«, so die Oberste Armeesprecherin Avital Leibovich gegenüber ND. Doch ungeachtet der israelischen Warnungen läuft die Flotte nach Lage der Dinge am Freitag aus und der Autor ist dabei.

Auf die Nachfrage an Leibovich, wie Journalisten ihre Ausrüstung wiederbekommen könnten, um ihre Berichterstattung fortsetzen zu können, antwortete sie, das hänge davon ab, »wie Sie sich im Verhör verhalten werden«.

Die palästinensischen Chef-Organisatoren der Flotte tun es der israelischen Armee gleich. Am Donnerstag früh (30. Juni) wurde der Autor verhört, was er wann und wo in Korfu gemacht und mit welchen Personen er sich getroffen habe. Diese unhöfliche und rüde Befragung erinnerte den Autor an zahlreiche Begegnungen mit Sicherheitskräften an israelischen Grenzübergängen. Dem Autor wurde dann vorübergehend die Presse-Akkreditierung für die Flotte entzogen mit der Begründung, er sei ein »Sprachrohr Israels«. Am Donnerstagvormittag wurde die Akkreditierung wieder erteilt.

Unterdessen warfen die Organisatoren der Gaza-Flottille Israel Sabotageakte an zwei Schiffen vor. Taucher hätten im Hafen des türkischen Ortes Göcek die Antriebswelle des irischen Schiffes »Saoirse« schwer beschädigt, teilten Unterstützer der Flottille am Donnerstag mit. Nach dieser Methode sei vor einigen Tagen bereits ein Schiff der Flottille in Griechenland beschädigt worden.

Mehrere israelische Minister haben der eigenen Armee vorgeworfen, die Gefährdung durch die geplante Hilfsflotte für den Gaza-Streifen bewusst zu übertreiben. Sie kritisierten eine »mediale Propagandakampagne« und »eine hysterische PR-Operation«, wie die israelische Zeitung »Maariv« am Mittwoch berichtete. Keine der Informationen, die von der Armee über die Medien verbreitet worden seien, sei dem nationalen Sicherheitsrat vorgelegt worden, sagte ein Minister, der dem Gremium angehört. Ein Kabinettskollege warf auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor, dass er mit der Übertreibung für den Fall eines Militäreinsatzes vorsorgen wolle.

** Aus: Neues Deutschland, 1. Juli 2011


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