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Nichts vom Reichtum

Gabun: Bei der Verteilung der Erdöleinnahmen geht die Bevölkerung leer aus

Von Antoine Lawson, Libreville (IPS)*

Nach Angriffen der Militärpolizei auf die einheimische Bevölkerung im November und in den ersten Dezembertagen ist mittlerweile die Produktion auf den Erdölfeldern von Ndolou im Südwesten von Gabun wieder angelaufen. Anwohner hatten die Zufahrt zu der von der kanadischen Erdölgesellschaft Panafrican Energy betriebene Förderanlage blockiert. Sie fordern einen angemessenen Anteil an den Erträgen der Erdölförderung auf ihrem Gebiet und die ihnen seit langem versprochene Verbesserung ihrer Lebensumstände.

Bei dem Polizeieinsatz, den die Regierung in Libreville auf Bitten des Konzerns angeordnet hatte, kamen Ende November zwei Menschen ums Leben. Mehrere wurden verletzt. Durch die Vermittlung von Regierungsvertretern gelang es vor wenigen Tagen, die Protestaktionen der Anwohner vorläufig zu beenden. Die Forderungen der einheimischen Bevölkerung bleiben indes bestehen.

Versprechen gebrochen

"Die Regierung hat ihre Zusagen nicht eingehalten, die Erdölproduktion hat unsere Lebensbedingungen keineswegs verbessert", klagte Sylvain MBoumba, Mitglied des Dorfrates. Ein anderer Dorfbewohner, Norbert Nguembi, kritisierte: "So arm wie bisher wollen wir nicht weiterleben. Wir haben nicht einmal Strom. Wir wollen etwas von dem Erdölsegen abbekommen und fordern den Bau von Schulen, Gesundheitsstationen und Straßen."

Panafrican Energy lehnt einen Teil dieser Forderungen als zu hoch ab. Gabuns Staatspräsident Omar Bongo Ondimba hatte bereits 1998 verkündet, der entsprechende Bezirk solle jährlich umgerechnet rund 20000 US-Dollar erhalten. Die versprochenen Überweisungen lassen jedoch immer noch auf sich warten.

Aufbegehren

Der Vorsitzende des Wirtschafts- und Sozialrates von Gabun, Louis-Gaston Mayila, der in Ndolou vermittelte, betonte: "Man kann den Konzern nicht so leicht wechseln. Panafrican Energy besitzt eine Explorations- und Förderkonzession. Das Abkommen, das der Konzern mit der Regierung geschlossen hat, läßt sich nicht einfach aufheben, zumal das Unternehmen große Investitionen versprochen hat."

Panafrikan Energy hat 2001 mit der Erdölförderung in Ndolou begonnen. Anfangs wurden hier 600 Barrel pro Tag gefördert, inzwischen sind es 2200 Barrel. Der Konzern rechnet damit, auch eine Konzession für die neu entdeckten Erdölquellen von Tsiengui im Küstengebiet von Gabun zu erhalten und damit seine Förderkapazität zu steigern. Dann werde man auch die Anliegen der Bevölkerung berücksichtigen, war aus Konzernkreisen zu hören.

Vor drei Jahren hatten Arbeitslose in Port-Gentil Straßenbarrikaden gebaut. Ihr Protest richtete sich gegen die Behörden, die ihr Versprechen, etwas gegen Arbeitslosigkeit und Armut zu unternehmen, nicht gehalten hatten.

Das Planungsministerium des westafrikanischen Staates schätzt, daß 2004 in Libreville, Port-Gentil und Franceville, den größten Städten des Landes, 350000 Menschen unter der Armutsgrenze leben und mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen müssen. In Gabun leben 1,3 Millionen Menschen.

"Die ungerechte Verteilung der Erdöleinnahmen und der aufwendige Lebensstil der Regierungsmitglieder haben zu einer kriminellen Bereicherung geführt", klagte selbst der Staatsbedienstete Fernand Mvoulou. "Menschen, die nur über ein bescheidenes Einkommen verfügen, wehren sich massiv gegen diese Situation."

In Gabun nimmt die Ergiebigkeit der Erdölquellen ab. Nach vorliegenden Angaben hat sich die Erdölproduktion seit 1996 um ein Drittel verringert. Auch die Weltbank hat kürzlich darauf hingewiesen, daß Gabuns Erdölförderung rasant abnehmen wird, sofern nicht bald neue Lagerstätten entdeckt werden. Bei einem Treffen mit Vertretern der Privatwirtschaft, bei dem es um die Erarbeitung wirtschaftlicher Strategien für 2005 bis 2008 ging, erklärten Weltbankmitarbeiter: "Der Erd-ölexport, der 1998 bei 17 Millionen Tonnen lag, ging 2003 auf 12,5 Millionen Tonnen zurück. Schätzungen zufolge werden es 2007 noch sieben Millionen Tonnen sein."

Seinen Rang als Schwarzafrikas drittgrößter Erdölproduzent mit einer Tagesfördermenge von rund 250000 Barrel (159 Liter) hat Gabun bereits an das benachbarte Äquatorialguinea abtreten müssen. Dort wurde vor allem im Küstengewässer 1995 erstmals Erd-öl entdeckt.

Konflikt vorhersehbar

"Shell-Gabun weiß, daß man sich auf die Zeit nach der Erdölförderung einstellen muß. Deshalb soll die Bevölkerung von Gamba an der Einrichtung eines Komplexes von Schutzgebieten beteiligt werden", erklärte der Konzernchef des Ölmultis, Frank Denelle, kürzlich vor der Presse. Shell hatte 1993 in Nigeria erlebt, wie das um seine Existenz kämpfende Volk der Ogoni unter Führung des später ermordeten Schriftstellers Ken Saro-Wiwa Zehntausende mobilisiert und im Nigerdelta Förderanlagen des Erdölmultis angegriffen hatte. "Wenn die Erdölquellen versiegt sind, muß man in Gabun angesichts des Mangels an Transparenz und der wachsenden Armut der Bevölkerung mit weiteren Krisen rechnen", prognostiziert Lucien Batchi, Wissenschaftler an der Universität von Libreville.

Aus: junge Welt, 29. Dezember 2004


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