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Aus dem Bilderbuch der Postkolonialisten

Gabuns Elite begeht fünfzigsten Jahrestag der Unabhängigkeit von Frankreich. Die USA gratulieren herzlich

Von Gloria Fernandez *

Es heißt, die Republik Gabun gehöre heute »zu den wenigen florierenden Staaten in Afrika« (MDR, 17.8.). Das mit seinen knapp anderthalb Millionen Einwohnern nur dünnbesiedelte Land am Golf von Guinea habe »ein Beispiel gesetzt für einen dauerhaften Frieden« und zugleich »regionale Stabilität« moderiert, wie es US-Außenministerin Hillary Clinton im Auftrag ihres Vorgesetzten Barack Obama formulierte. Anlaß für die Lobpreisungen ist der fünfzigste Jahrestag der Unabhängigkeit Gabuns von Frankreich am gestrigen Dienstag. In Anwesenheit von etwa 15 Staatschefs sowie »mehreren tausend Menschen« (AFP) wird in Libreville an der Atlantikküste über Tage gefeiert.

Tatsächlich gilt das postkoloniale Gabun aus Sicht der ehemaligen Herrschaft als Bilderbuchbeispiel für Stabilität. Ohne Turbulenzen ließen sich in den vergangenen Jahrzehnte die Ausbeutungsverhältnisse ebenso aufrechterhalten wie die einseitige Importstruktur. 85 Prozent der Staatseinnahmen kommen aus dem Ölgeschäft, weitere acht Prozent aus dem Verkauf wertvoller Hölzer. Eingeführt werden Maschinen und Autos, aber auch Nahrungsmittel und Getränke. Als Haupthandelspartner tun sich die USA und die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hervor.

Treuer Statthalter beider – und zugleich Unterdrücker der weitgehend in elenden Bedingungen lebenden Bevölkerung – war über vier Jahrzehnte hindurch Omar Bongo, der von 1967 bis zu seinem Tod im Juni 2009 regierte. Bekannt wurde er mit dem Spruch: »Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer, Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Sprit« – so zumindest zitiert tagesschau.de Bongo senior.

Dessen Junior Ali Bongo hatte vor etwa einem Jahr nicht nur den Job als Präsident übernommen, sondern auch seines Vaters Vermögen. Einen Eindruck vom Reichtum des Familienclans vermittelten im vergangenen Jahr Veröffentlichungen, wonach die Bongos allein in Frankreich über 70 Bankkonten mit einem Guthaben von etwa vier Milliarden US-Dollar sowie etwa 40 Wohnungen verfügten.

* Aus: junge Welt, 18. August 2010


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