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Pariser Rekolonialisierung

Frankreich plant mobiles Militärkontingent für »absolut autonome« Interventionen in Sahelzone

Von Georges Hallermayer *

Anfang der Woche weilte Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian in den USA. Der offiziellen Lesart zufolge wollte er dort »die neue Strategie der französischen Armee in Afrika« erläutern, wie Radio France International berichtete. Manifestieren sollen sich die Pläne in Form von Militärbasen, die sich von Dschibuti über Tschad, Niger, Gabun, Cote d’Ivoire und Burkina Faso bis Senegal in einem breiten Band über den Kontinent erstrecken. Paris will seine neue Eingreiftaktik mit dem Pentagon koordinieren. 3000 Soldaten will Le Drian künftig in der Sahelzone stationieren, ein mobiles Kontingent, das in der Lage sein soll, »diskreter von einem Punkt zum anderen zu springen«. Im Dezember unterzeichnete Le Drian dazu mit Niger ein Abkommen, »das es erlaubt«, so schwärmt man im Pariser Verteidigungsministerium, »absolut autonom zu intervenieren«. Ein ähnlicher Vertrag mit Tschad folgte bereits, am kommenden Montag soll eine analoge Vereinbarung mit Mali abgeschlossen werden. Die Behörden des betreffenden Landes werden demnach künftig über französische Militäreinsätze auf ihrem Territorium lediglich informiert.

Auch die technischen Voraussetzungen für die Vormachtstellung Frankreichs in den Ländern des Sahels werden derzeit geschaffen. Im Dezember überzeugte sich Le Drian über die Einsatzfähigkeit der beiden vom US-amerikanischen Konzern General Atomics erworbenen »Aufklärungsdrohnen« vom Typ »MQ 9 Reaper«. Diese unbemannten Spionageflugzeuge nennen die Militärs mit dem ihnen eigenen Humor »Sensenmann«, weil sie auch mit Waffen bestückt werden können. Frankreich will bis 2019 »vier Drohnensysteme, die zwölf Flugapparaten entsprechen« anschaffen, wie der Verteidigungsminister während seines Besuchs auf der Startbasis in der nigrischen Hauptstadt Niamey bekanntgab. In Agadez im Norden des Landes betreibt die US-Armee seit Jahren ihren eigenen Drohnenstützpunkt.

Le Drian traf sich im Niger auch mit Staatspräsident Mahamadou Issoufou, der nach dem Militärputsch von 2010 im Frühjahr 2011 ins Amt gewählt worden war. Issoufou, von Beruf Bergwerksingenieur, war früher technischer Direktor des zum französischen Staatskonzern Areva gehörenden Bergwerks Somaïr. Er sollte sich also auskennen mit den französischen Kerninteressen in seinem Land. Doch Auskünfte gab auch er nicht: weder zur Frage, wieviel Frankreich sich die Stationierung seiner Truppen in Niger kosten läßt, noch zu der, wie es um die Konditionen zur Erneuerung der Ende Dezember abgelaufenen Konzession von Areva für die Uranbergwerke Somaïr und Cominak steht. Der nigrische Staat will dort höhere Abgaben für seine Rohstoffe durchsetzen, der Konzern streubt sich.

40 Prozent seines Uranbedarfs deckt Frankreich derzeit mit Importen aus dem Niger. Die von Issoufous Vorgänger Tandja Mamadou genehmigte Ausbeutung der zweitgrößten Uranmine der Welt in Imouraren wäre mit dem anvisierten Förderbeginn im kommenden Jahr ebenso von den neuen Abgaben betroffen. Der Areva-Vorstandsvorsitzende Luc Oursel bestand bei den Verhandlungen im vergangenen September zwar darauf, daß die Konzession zu den gleichen Bedingungen wie 1993 erneuert würde. Dem steht jedoch das neue Bergbaugesetz Nigers im Wege, in dem Expräsident Mamadou eine Förderabgabe von bis zu zwölf Prozent festschreiben ließ. Unter der Altkonzession mußte Areva nur 5,5 Prozent des Förderwerts an den nigrischen Fiskus abführen. Der stellvertretende Generaldirektor des Konzerns, Olivier Wantz, verhandelt in dieser Woche hinter verschlossenen Türen erneut mit den Verantwortlichen in Niamey. Will der neue Präsident Issoufou sein ehrgeiziges Programm umsetzen, das neben dem Bau neuer Schulen auch die unentgeltliche Gesundheitsversorgung für Kinder bis zum Alter von fünf Jahren vorsieht, braucht er die Einnahmen aus der Uranförderung jedoch dringend.

* Aus: junge Welt, Samstag, 18. Januar 2014


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