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Der Fall Obiang wird Prüfstein für Hollandes Afrikapolitik

Verfahren gegen korrupte Staatschefs laufen in Frankreich seit Jahren

Von Ralf Klingsieck, Paris *

Weil Teodoro Nguema Obiang, Sohn des Präsidenten von Äquatorial-Guinea, einer Vorladung zweier Pariser Untersuchungsrichter nicht nachgekommen ist, haben die einen internationalen Haftbefehl erlassen.

»Wir sind zuversichtlich, dass der Haftbefehl innerhalb der EU oder in den USA vollstreckt und Obiang an Frankreich ausgeliefert wird«, erklärte William Bourdon, Anwalt der Korruptionsbekämpfer-Organisation Transparency International, die im Untersuchungsverfahren gegen Obiang als Nebenklägerin auftritt.

So einfach dürfte das nicht sein, denn um seinen Junior vor der französischen Justiz zu schützen, hat ihn Papa zum Vizepräsidenten ernannt, was ihm zusätzliche Immunität verschaffen soll. Stellvertretender UNESCO-Botschafter seines Landes und dadurch mit Diplomatenstatus geschützt war der 43-Jährige ohnehin schon. In Paris ist er jedoch mehr als Playboy und Besitzer eines prachtvollen Hauses in der Avenue Foch, der teuersten Pariser Straße, bekannt. Bei einer Razzia vor Wochen hat die Polizei dort Stilmöbel, Kunstwerke, Schmuck und 14 Luxusautos im Wert von mehr als 300 Millionen Euro sichergestellt. Zusammen mit dem sechstöckigen Haus samt Weinkeller summiert sich das auf nahezu 500 Millionen Euro. Mit Quittungen und Schecks können die Richter nachweisen, dass all dies durch die Forstverwaltung oder andere staatliche Behörden bezahlt wurde. So bereichert sich der Obiang-Klan an den Einnahmen aus der Ölförderung und dem Verkauf von Edelholz, während 80 Prozent der Einwohner Äquatorial-Guineas im Elend leben.

Das ist einer von drei Fällen, auf die sich die Pariser Untersuchungsrichter bei der Verfolgung »Unrechmäßig erworbener Werte« (BMA - Biens mal acquis) konzentrieren, um ein Exempel zu statuieren. Die beiden anderen sind die Familien des verstorbenen Präsidenten Gabuns, Omar Bongo, und seines Sohnes und Nachfolgers Ali, die in Frankreich 39 Luxusimmobilien und 70 Bankkonten besitzt, und des Präsidenten der Republik Kongo (Brazzaville), Denis Sassou-Nguesso, die 24 Immobilien und 112 Bankkonten ihr eigen nennt.

Hinweise auf horrende Unterschlagungen gibt es auch bei anderen mehr oder weniger demokratisch gewählten Staatschefs, aber diese drei sind die dreistesten. Gegen sie wurde in Frankreich erstmals 2007 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, doch das stellte die Staatsanwaltschaft auf Veranlassung des damaligen Präsidenten Nicolas Sarkozy bald ein. Sarkozy waren Öl- und Rohstofflieferungen, Militärbasen und politisch-strategischer Einfluss in Afrika wichtiger als der Bruch mit zwielichtigen Verknüpfungen der Interessen beider Seiten, die es als »Francafrique« zu trauriger Berühmtheit gebracht haben.

2008 verklagte Transparency International die drei Staatschefs erneut, doch auch dieses Verfahren wurde niedergeschlagen. Erst ein Urteil des Kassationsgerichts brachte es Ende 2011 wieder in Gang. Jetzt ist abzuwarten, wie sich Präsident François Hollande verhalten wird. Auch er hat den Bruch mit »Franceafrique« versproche und den integren Afrikakenner Pascal Canfin zum Minister für Kooperation und Entwicklung ernannt, worin Transpareny International ein Zeichen der Hoffnung sieht.

Andererseits gehörte zu Hollandes ersten Gästen Präsident Ali Bongo. Im Anschluss hörte man von Hollande kein kritisches Wort über die Zustände in Gabun. Von Ali Bongos Vater, der sich mit Frankreichs Hilfe mehr als 40 Jahre an der Macht gehalten hatte, stammt der Slogan: »Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer, aber Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Sprit.« Sollte wieder einmal die »Realpolitik« über die politische Moral triumphieren? Zum Prüfstein könnte werden, wie sich die Behörden zur »Immunität« des Playboys Teodoro Nguema Obiang verhalten.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 26. Juli 2012


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