Die Rückkehr zum "Sixpack"
Finnland: Regierungsbildung brachte Fortschritte – und stockt erneut
Von Gregor Putensen *
Noch vor Mittsommer, dem 21. Juni, soll die neue finnische Regierung stehen. Entsprechende
Verhandlungen waren am Montag wieder aufgenommen worden. Dabei konnte ein Konsens in den
ökonomischen Fragen erreicht werden, an denen die »Runde der Sechs« vor zwei Wochen
zunächst zerbrochen war.
Die Sondierungen zur Bildung einer neuen Regierung nach den Reichstagswahlen im April hatten
sich bis zu den Pfingstfeiertagen für Jyrki Katainen von der konservativen Sammlungspartei als
unlösbare Aufgabe erwiesen. Obwohl seine Partei mit etwa 21 Prozent der Wählerstimmen aus dem
Wahlgang am 19. April knapp als Sieger hervorgegangen war, während die Sozialdemokraten fast
20 Prozent erreicht hatten, war das Ergebnis vor allem durch den enormen Gewinn der
rechtspopulistischen »Wahren Finnen« geprägt worden, die sich von 4 auf 19 Prozent verbessert
hatten. Noch nie in der Nachkriegszeit hatte eine Partei einen derartigen Wählerzustrom erlebt wie
die »Wahren Finnen«. Dazu kam, dass die Zentrumspartei, die mit Mari Kiviniemi zuvor den
Ministerpräsidenten gestellt hatte, unerwartet um rund vier Prozentpunkte absackte.
Zwangsläufig mussten die »Wahlsieger« mit einem breiten parteipolitischen Ansatz in die
Verhandlungen über die Regierungsbildung gehen. Keine der vier stärksten Parlamentsparteien
verfügt im Reichstag mit seinen 200 Abgeordneten über die 50 Mandate, die bisher als Mindestzahl
für eine stabile Regierungsführung angesehen wurden. In seine ersten Sondierungen bezog Jyrki
Katainen daher auch die kleineren Parteien ein – die Grünen, die Linksallianz, die Schwedische
Volkspartei und die Christdemokraten. Die »Wahren Finnen« versagten sich zunächst aufgrund ihrer
ausgeprägten Gegnerschaft zur EU und zum Euro-Stützpaket für Portugal einer Teilnahme an den
Gesprächen. Auch die Zentrumspartei kündigte für die Zukunft eine harte Oppositionspolitik an.
Angesichts der Spannbreite der politischen Positionen in den Sechs-Parteien-Sondierungen riss
Katainens Geduldsfaden Ende Mai: Er schloss die Sozialdemokraten und die Linksallianz von den
weiteren Verhandlungen aus, weil ihm deren Vorstellungen in Sachen Mehrwertsteuer, progressiver
Besteuerung und Streichung steuerlicher Begünstigungen zu sozial erschienen. Dabei hoffte er, statt
ihrer nunmehr doch die Zentrumspartei und die »Wahren Finnen« ins Regierungsboot holen zu
können. Und dies mit der ausdrücklichen Zusage an den Vorsitzenden der Rechtspopulisten, Tino
Soini, dass dessen Partei als Teil der Regierung in europapolitischen Fragen Stimmenthaltung üben
oder sogar gegen entsprechende Beschlüsse stimmen dürfe.
Aber auch die Sondierungen für eine Regierung dieser drei Parteien als Rückgrat einer stabilen
Parlamentsmehrheit (unter Einschluss kleinerer Parteien) scheiterten. So musste sich Katainen dazu
bequemen, am Pfingstmontag den Rausschmiss der Sozialdemokraten und der Linksallianz demütig
rückgängig zu machen und alle sechs Parteien der Auftaktrunde erneut zu Gesprächen einzuladen.
Inzwischen soll es eine weitgehende Einigung über die Wirtschafts- und Steuerpolitik gegeben
haben, zu der die Parteien höchst unterschiedliche Ansichten hatten.
Bis zum heutigen Freitag (17. Juni) wollte es der konservative Katainen schaffen, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Gelingt ihm das nicht, wird Jutta Urpilainen, die Vorsitzende der Sozialdemokraten als zweitstärkster Parlamentspartei, diesen offensichtlich wenig erbaulichen Auftrag übernehmen
müssen. Dass dieser Fall eintritt, ist nicht unwahrscheinlich. Wie es am Mittwochnachmittag hieß,
haben drei Unterhändler der Linksallianz in den acht Arbeitsgruppen zur Regierungsbildung die
Verhandlungen verlassen.
* Aus: Neues Deutschland, 17. Juni 2011
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